BT-Drucksache 18/6006

Positionierung der Bundesregierung im Hinblick auf verbindliche Tierschutzstandards internationaler Finanzinstitutionen mit deutscher Mitgliedschaft sowie auf Exportkreditgarantien für Intensivtierhaltungsanlagen

Vom 8. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6006
18. Wahlperiode 08.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner,
Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Positionierung der Bundesregierung im Hinblick auf verbindliche
Tierschutzstandards internationaler Finanzinstitutionen mit deutscher
Mitgliedschaft sowie auf Exportkreditgarantien für Intensivtierhaltungsanlagen

In den Standards für Kapitalvergaben durch Internationale Finanzinstitutionen
(IFIs) sowie in den Regeln für die Vergabe von Exportkreditgarantien werden
Tierschutzaspekte derzeit kaum berücksichtigt. Das führt dazu, dass öffentliche
Mittel auch für die Errichtung bzw. Erweiterung von Tierhalteanlagen eingesetzt
werden, die den gesetzlichen Tierschutzregelungen in Deutschland bzw. den Re-
gelungen für Neuanlagen widersprechen und damit deutschen Landwirten und
Tierhaltern Konkurrenz geschaffen wird, die durch die Unterlaufung von hier gel-
tenden Standards die Wettbewerbssituation verzerren.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hat als erste Internati-
onale Finanzinstitution in ihrer seit November 2014 gültigen Environmental and
Social Policy festgelegt, dass ihre Klienten in der landwirtschaftlichen Tierhal-
tung die Vorgaben der europäischen Union (EU) bzw. die Good International
Practice einzuhalten haben. Bei anderen internationalen Finanzinstitutionen so-
wie den Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (OECD) für Exportkreditgarantien fehlen noch vergleichbare Regelun-
gen.

Im Interesse des Tierschutzes sowie der zukunftsfähigen Entwicklung der Land-
wirtschaft in den Empfängerländern sowie der Verhinderung von Marktverzer-
rungen aufgrund unterschiedlicher Tierschutzstandards müssen gleiche und ver-
bindliche Tierschutzregelungen für alle Finanzinstrumente gelten. Die Bundesre-
gierung hat im Rahmen ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/3112 bereits ausgeführt, sich dafür einsetzen zu wollen, „im Rah-
men der OECD-Leitlinien und der Weltbankstandards künftig auch den Tier-
schutz umfassender zu berücksichtigen“.

Konkret überarbeitet die Weltbank ihre Umwelt- und Sozialstandards. Eine Über-
arbeitung der Umwelt-, Gesundheits- und Sozialrichtlinien der International Fi-
nance Corporation steht bevor. Es ist unklar, ob die in Gründung befindliche Asi-
atische Infrastruktur-Investmentbank (AIIB), zu deren Gründungsmitgliedern
auch Deutschland zählt, Umwelt- und Sozialstandards von Beginn an anwenden
wird.

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Neben dem Eier-Giganten Avangard hat kürzlich auch das ebenfalls ukrainische
Unternehmen Ovostar, mit Firmensitz in den Niederlanden, verkündet, mit Lie-
ferungen von Eiprodukten in die EU begonnen zu haben (Quelle: www.world
poultry.net/Layers/Markets-Trade/2015/8/Ovostar-Union-launches-egg-exports-
to-the-EU-2666578W/, www.worldpoultry.net/Layers/Markets-Trade/2015/5
/Ten-urgent-questions-about-the-import-of-cage-eggs-from-Ukraine-1745069W/).

Beide Firmen setzten ihre Expansionen u.a. mit Hilfe von Hermesbürgschaften
um. Ovostar rühmt sich, das höchste Legebatterie-Gebäude Europas errichtet zu
haben. Auf Fotos ist der Schriftzug der deutschen Firma Salmet zu sehen
(www.ovostar.ua/en/activity/). Ovostar hat aktuell einen Bestand von 4,6 Mio.
Legehennen (www.ovostar.ua/data/file/current_reports/ovo_operational_results
_1h_2015.pdf).

Ovostar verkündete erst im Februar 2015, alle Formalitäten für die Auszahlung
eines Konsortialkredits über 14,5 Mio. Euro von der AKA Ausfuhrkredit GmbH
und Landesbank Berlin AG abgeschlossen zu haben. Davon offenbar 10 Mio.
Euro von der Landesbank Berlin (www.ovostar.ua/en/press-center/
news/2013/04/). Dieser Kredit wird von Euler Hermes versichert
(www.ovostar.ua/data/file/current_reports/11_february_2015_ovo.pdf) und dient
zur Finanzierung der Anschaffung von „poultry housing equipment“ inkl. Käfi-
gen von der Firma Salmet für eine Kapazität von 2,1 Mio. Legehennen.

Die Kompatibilität der Anlagen mit EU-Standards ist unklar: Einmal schreibt
Ovostar „can be compliant“ (www.ovostar.ua/data/file/presentations/presenta-
tion_ukrainian_day_2014.pdf), einmal „are compliant“ (www.ovostar.ua/ data
/file/presentations/unicredit_ukrainian_day_2015_presentation.pdf). Bei dem
Haltungssystem handelt es sich um ein „enriched cage format“, also ausgestaltete
Käfige, d.h. um ein konventionelles Käfigsystem, das durch Herausnehmen von
Zwischenwänden und Reduktion der Tierdichte bei Bedarf auf EU-Kompatibilität
geändert werden kann, in der Praxis aber auch mit herkömmlicher Tierdichte ge-
nutzt werden kann. In jedem Fall entspricht das Haltungssystem ausgestalteter
Käfige nicht den in Deutschland geltenden Vorgaben für Neubauten von Tierhal-
tungsanlagen.

Ovostar war bereits Thema der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/3112. Allerdings verweigerte die Bundesregierung dabei jegliche
nähere Angaben zur Haltungsform, Zahl der gehaltenen Tiere etc.

Die Übernahme der Exportkreditgarantie durch die Bundesregierung bzw. den
Interministeriellen Ausschuss erfolgte im Dezember 2013 (Bundestagsdrucksa-
che 18/3112, Antwort zu Frage 23).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der dritten Konsultationsrunde
für die „World Bank Safeguard Policies: Environmental and Social Frame-
work“ aktiv für verbindliche Tierschutzregelungen einsetzen, die nicht nur
für sogenannte large scale Tierhaltungsanlagen, sondern für alle landwirt-
schaftlichen Tierhalteanlagen gelten, welche Finanzmittel von der Weltbank
erhalten, so dass gewährleistet wird, dass tierschutzwidrige Haltungsanlagen
nicht mehr finanziert werden?

Wenn ja, wie, und mit welchen Mitteln wird sich die Bundesregierung ein-
setzen?

Für welche Regelungen wird sich die Bundesregierung einsetzen (bitte kon-
krete Regelungen und Formulierungen, die die Bundesregierung festschrei-
ben möchte, nennen)?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6006

2. Inwiefern hält die Bundesregierung es für zielführend und mit dem Beschluss
der Agrarministerkonferenz vom April 2014 vereinbar, dass in den Safe-
guard Policies der Weltbank auf die Richtlinien der World Organisation for
Animal Health (OIE) Bezug genommen werden soll, wie sie es in ihrer bis-
herigen Stellungnahme zum Entwurf der Safeguard Policies selbst vorge-
schlagen hat (German Comments on the World Bank Safeguards Review),
obwohl OIE-Richtlinien derzeit nur für Mastrinder und für Masthühner exis-
tieren und letztere nicht die in der EU verbotene Käfighaltung ausschließen?

3. Auf welche Weise will die Bundesregierung stattdessen erreichen, dass die
in der EU verbotenen Formen der Tierhaltung (z.B. Käfighaltung von
Masthühnern, dauernde Kastenstandhaltung von Sauen etc.) durch die Safe-
guard Policies ausgeschlossen werden?

4. Welche Reaktionen seitens der Europäischen Kommission und anderer EU-
Mitgliedstaaten erhielt die Bundesregierung in Bezug auf die gemeinsame
Erklärung zum Tierschutz mit Dänemark und den Niederlanden und die darin
enthaltene Absicht, sich im Rahmen der im Landwirtschaftssektor aktiven
internationalen Finanzinstitutionen und im internationalen politischen Rah-
men der nationalen Ausfuhrkreditagenturen für den Tierschutz einzusetzen
(www.bmel.de)?

5. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unternommen bzw. plant
die Bundesregierung, um bei der bevorstehenden Novellierung der EHS Gui-
delines der IFC, die die landwirtschaftliche Tierhaltung betreffen, die Auf-
nahme verbindlicher Tierschutzstandards zu erreichen, und wird die Bundes-
regierung diesbezüglich einen konkreten Vorschlag an die IFC herantragen?

6. In welcher Form bringt sich die Bundesregierung in die Erarbeitung der en-
vironmental and social policy der AIIB ein, bei der Deutschland Gründungs-
mitglied ist?

Wird sich die Bundesregierung aktiv dafür einsetzen, dass darin verbindli-
che, zeitgemäße Tierschutzstandards enthalten sein werden, und zu diesem
Zweck mit anderen Gründungsmitgliedern zusammenarbeiten?

Welche Regelungen zum Tierschutz beabsichtigt die Bundesregierung in die
environmental and social policy der AIIB einzubringen?

7. Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um die Diskussion
über verbindliche Tierschutzstandards in den Common Approaches der
OECD in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis zu bringen?

8. Wird sich die Bundesregierung zusätzlich für eine gemeinsame EU-Position
entsprechend Artikel 24 der Common Approaches einsetzen, wonach die Ex-
portkreditagenturen der EU-Mitgliedstaaten ihre Kreditgarantien an die Ein-
haltung der EU-Tierschutzstandards zu knüpfen haben?

9. Entsprechen die von Ovostar Union N.V. genannten 14,5 Mio. Euro (www.
ovostar.ua/data/file/current_reports/11_february_2015_ovo.pdf) der im No-
vember 2013 in Deckung genommenen Kreditsumme (Bundestagsdrucksa-
che 18/3112, Antwort zu Frage 23), oder wurde ein Teil dieser Summe zu
einem späteren Zeitpunkt in Deckung genommen?

10. Angesichts der Tatsache, dass Ovostar in der Ukraine in Deutschland für
Neuanlagen nicht mehr zugelassene Käfiganlagen einsetzt (www.ovostar.ua
/data/file/presentations/presentation_ukrainian_day2014.pdf) und eine Inde-
ckungnahme daher dem Beschluss der Agrarministerkonferenz vom August
2013 widerspricht, wie begründet die Bundesregierung die Übernahme die-
ser Exportkreditgarantie?

11. Falls die Bundesregierung die Indeckungnahme mit den Interessen des Ex-
porteurs begründet, warum werden nicht die Interessen der von Importen von

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Eiprodukten aus diesen Käfiganlagen (www.worldpoultry.net/Layers/
Markets-Trade/2015/8/Ovostar-Union-launches-egg-exports-to-the-EU-
2666578W/ und www.worldpoultry.net/Layers/Markets-Trade/2015/5/Ten-
urgent-questions-about-the-import-of-cage-eggs-from-Ukraine-1745069W/)
betroffenen heimischen Geflügelhalter in gleicher Weise berücksichtigt?

12. Welche Schlussfolgerung und Konsequenzen zieht die Bundesregierung an-
gesichts der aktuellen Preiskrise auf den deutschen und europäischen Agrar-
märkten und den mit deutschen Tierschutzregelungen nicht vereinbarten Pro-
duktionsbedingungen von Ovostar in der Ukraine, aus der Verkündung, dass
Ovostar mit der Belieferung des europäischen Marktes begonnen hat?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Wettbewerbsverzerrung
bzw. eine Benachteiligung deutscher Eierproduzenten vorliegt, wenn unter
anderen weniger strikten und mit deutschen Tierschutzregelungen nicht kon-
formen Bedingungen erzeugte tierische Produkte auf den europäischen und
deutschen Markt gelangen und diese auf den europäischen und deutschen
Markt das Preisniveau drücken?

Wenn nein, warum?

14. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Kreditgarantien für Investitionen,
die mit den in Frage 13 beschriebenen Folgen verbunden wären, keine sinn-
volle Politik und keine sinnvolle Ausgabe von Haushaltsmitteln darstellen
würde?

Wenn nein, warum?

15. Kam es bei den seit dem Jahr 2000 übernommenen Hermesbürgschaften für
Tierhaltungsanlagen (vgl. u.a. Bundestagsdrucksache 17/10626, Fragen 1
und 10, Bundestagsdrucksache 18/3112, Fragen 1 und 7) zu Zahlungsausfäl-
len?

Wenn ja, wie hoch ist die Summe der durch die öffentliche Hand übernom-
menen Entschädigungen, und welche Projekte betreffen diese?

Berlin, den 8. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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