BT-Drucksache 18/5875

Doppelvermarktung von regenerativer Fernwärme

Vom 25. August 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5875
18. Wahlperiode 25.08.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Jan van Aken, Heidrun Bluhm,
Ralph Lenkert, Birgit Menz, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Doppelvermarktung von regenerativer Fernwärme

Die Richtlinie 2009/28/EG zur „Förderung der Nutzung von Energie aus erneu-
erbaren Quellen“ vom 23. April 2009 (EE-Richtlinie), enthält in Artikel 15 Be-
stimmungen zu Herkunftsnachweisen für Elektrizität, Wärme und Kälte, die aus
erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden. Mit Artikel 15 Absatz 2 der Richt-
linie wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Einführung von Herkunfts-
nachweisen im Wärme- und Kältebereich gegeben: „Die Mitgliedstaaten kön-
nen vorsehen, dass Herkunftsnachweise auf Antrag der Produzenten von aus er-
neuerbaren Energiequellen erzeugter Wärme oder Kälte ausgestellt werden.“
Artikel 15 Absatz 2 enthält außerdem die Bestimmung: „Die Mitgliedstaaten
stellen sicher, dass dieselbe Einheit von Energie aus erneuerbaren Quellen nur
einmal berücksichtigt wird“ (Doppelvermarktungsverbot).
In einem durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit (BMU) geförderten Gutachten (S. Klinski u. a.: „Ergänzende Unter-
suchungen und vertiefende Analysen zu möglichen Ausgestaltungsvarianten
eines Wärmegesetzes“ (2010)) wurde die Frage nach den Vor- und Nachteilen
einer möglichen Einführung von Herkunftsnachweisen im Wärme- und Kälte-
bereich gestellt, insbesondere im Hinblick auf das Zusammenspiel mit dem
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG). In Kapitel 9 kam dieses
Gutachten zum Ergebnis: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass der mit der
Einführung eines Herkunftsnachweissystems im Wärmebereich mögliche Nut-
zen nicht so groß ist, dass sich darüber der Transaktionsaufwand, der mit der
Systemimplementierung verbunden wäre, rechtfertigen würde.“
In Hamburg hat die Vattenfall Wärme Hamburg GmbH (VWH) vor einigen Jah-
ren das Angebot und die Lieferung von „grüner“ Fernwärme eingeführt. Nach
Angaben der VWH wird diese als „Fernwärme Natur Mix“ vermarktete Wärme
seit dem Jahr 2012 in einer Altholzverbrennungsanlage erzeugt. Für die
Fernwärmeversorgung des neuen großen städtebaulichen Projekts „Mitte Altona“
wurde nun vertraglich eine Mischung aus 60 Prozent „Fernwärme Natur Mix“
und 40 Prozent normaler Vattenfall Fernwärme vereinbart. Im diesem Projekt
sollen durch bilanzielle Zuordnung der „Fernwärme Natur Mix“ Forderungen
des einschlägigen städtebaulichen Vertrags und des geltenden Bebauungsplans
Altona-Nord 26 erfüllt werden, nach denen mindestens die Hälfte der gelieferten
Fernwärme aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden soll. Die in der
Altholzverbrennungsanlage erzeugte Wärme wird allerdings durch die VWH
bereits seit dem Jahr 2012 vollständig in das allgemeine Fernwärmenetz der
VWH eingespeist. Eine Erhöhung der Produktion von Fernwärme aus erneuer-
baren Energien für die Wärmeversorgung der „Mitte Altona“ ist nicht vorgese-
hen. Laut Preisblatt verlangt die VWH von den Endkunden für den Tarif „Fern-

Drucksache 18/5875 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
wärme Natur Mix“ erheblich höhere Preise als für den regulären Fernwärme-Ta-
rif.
Im Juli 2015 wurde in einem Gutachten des Hamburg Instituts Consulting
GmbH (HIC) (C. Maaß, M. Sandrock: Rechtsfragen zur bilanziellen Wärmever-
sorgung mit Erneuerbaren Energien im Baugebiet „Mitte Altona“, 6. Juli 2015)
festgestellt, dass es sich beim Verkauf der Wärme aus einer Altholzverbren-
nungsanlage unter der Bezeichnung „Fernwärme Natur Mix“ um eine Vermark-
tung der „grünen Eigenschaft“ von erneuerbarer Fernwärme handelt und dabei
ein Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot in Artikel 15 der EU-Richt-
linie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und da-
neben auch gegen § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
zu befürchten ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung eines Herkunftsnachweis-

systems im Wärmebereich?
2. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung im oben zitierten Gutachten

(Klinski), dass der mit der Einführung eines Herkunftsnachweissystems im
Wärmebereich mögliche Nutzen nicht so groß ist, dass sich darüber der
Transaktionsaufwand, der mit der Systemimplementierung verbunden wäre,
rechtfertigen würde?
Wenn nein, welchen Standpunkt vertritt die Bundesregierung?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtskonformität der Vermarktung
von „grüner Fernwärme“ durch die Vattenfall Wärme Hamburg GmbH in
Hamburg unter Berücksichtigung der Analyse des oben genannten Gutach-
tens des Hamburg Instituts?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des HIC, dass im Zusammen-
hang mit der Vermarktung von „Fernwärme Natur Mix“ durch Vattenfall in
Hamburg ein Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot der EE-Richt-
linie und daneben auch gegen § 5 UWG zu befürchten ist?

5. Steht es nach Auffassung der Bundesregierung im Einklang mit wettbe-
werbsrechtlichen Regelungen zum Schutz von Verbrauchern, wenn die
„grüne Eigenschaft“ von Wärme aus einem bestehenden Altholzheizkraft-
werk einzelnen Wärmekunden in der „Mitte Altona“ zugerechnet würde,
diese „grüne Eigenschaft“ jedoch gleichzeitig als mindernder Faktor in den
Primärenergiefaktor der Vattenfall-Fernwärme gemäß der Energieeinspar-
verordnung (EnEv) eingehen könnte?

6. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung eine Doppelvermarktung von
„grüner“ Fernwärme unter den gegenwärtigen Bedingungen unterbunden
werden?
Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, auf welche Art und Weise?

Berlin, den 25. August 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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