BT-Drucksache 18/5813

Polizisten mit Kontakten zu den Neonazinetzwerken "Blood & Honour" und "Hammerskins"

Vom 18. August 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5813
18. Wahlperiode 18.08.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Petra Pau, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Kersten Steinke, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Polizisten mit Kontakten zu den Neonazinetzwerken „Blood & Honour“ und
„Hammerskins“

Laut einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ vom 24. Juli 2015 (Hanning
Voigts „Polizisten mit Kontakt zu Neonazi-Netzwerk“) liegen Hinweise vor,
dass zwei Polizisten aus Nordhessen im Jahr 2000 und möglicherweise schon
vorher Kontakte zum Neonazinetzwerk „Blood & Honour“ unterhalten haben,
das im September 2000 vom damaligen Bundesminister des Innern Otto Schily
(SPD) verboten wurde. Einer der beiden Beamten sei inzwischen pensioniert,
der andere sei nach wie vor in Kassel im Dienst. An den Ermittlungen zu dem
Fall der beiden Polizisten sei auch der frühere Verfassungsschützer Andreas
Temme beteiligt gewesen. Andreas Temme war seit dem Jahr 1994 beim hessi-
schen Landesamt für Verfassungsschutz angestellt (vgl. Bundestagsdrucksache
17/14600). Im Rahmen seiner Tätigkeit als V-Mann-Führer führte er unter ande-
rem eine neonazistische Quelle, Benjamin Gärtner, mit dem Decknamen „Ge-
müse“, der in Kassel enge Kontakte zum „Blood & Honour-Netzwerk“ hatte,
weil sein Bruder Aktivist des neonazistischen Netzwerks war (vgl. Aust/Laabs
„Der NSU-Komplex“ in DIE WELT am SONNTAG vom 22. Februar 2015,
www.welt.de/print/wams/article137697123/Der-NSU-Komplex.html). Andreas
Temme hielt sich zum Tatzeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006
in Kassel am Tatort auf und führte am Tattag sowohl vor dem Mord an Halit
Yozgat als auch nach dem Mord jeweils ein Telefonat mit seiner Quelle aus dem
rechten Spektrum. Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des
Deutschen Bundestages zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) heißt es
dazu: „Ein Telefonat wurde um 13.06 Uhr mit der Quelle aus dem rechten Spek-
trum geführt. Es dauerte 17 Sekunden. Hinsichtlich dieser Quelle bemerkte die
Polizei anhand des Terminkalenders von Andreas Temme, dass zwischen ihr und
Andreas Temme am 9. Juni 2005 (dritter Mord in Nürnberg) und 15. Juni 2005
(zweiter Mord in München) Telefonate geplant waren bzw. stattgefunden haben.
Für den 10. April 2006 war ein Treffen vereinbart. […] Nach dem 4. November
2011 führte die Polizei einen Abgleich der Telekommunikationsverbindungsda-
ten der Quelle aus dem rechten Spektrum durch. Hierbei wurde festgestellt, dass
um 16.11 Uhr ein Telefonat zwischen der Außenstelle des LfV Hessen in Kassel
(vermutlich von Andreas Temme) und dieser Quelle stattgefunden hat. Nach
den Angaben der Staatsanwaltschaft Kassel im Abgabebericht vom 4. Januar
2012 sei dieser Abgleich zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens gegen
Andreas Temme am 18. Januar 2007 noch nicht möglich gewesen, da die Mas-
sendaten zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung gestanden hätten.“
(Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 623).

Drucksache 18/5813 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Auch aus anderen Bundesländern sind Vorfälle bekannt geworden, bei denen
Polizisten enge Kontakte zum Neonazinetzwerk „Blood & Honour“ und zum in-
ternationalen Netzwerk der „Hammerskins“ hatten. In Berlin wurde ein 36-jäh-
riger Polizeihauptmeister im Jahr 2007 vom Dienst suspendiert, weil er am Ver-
trieb der Neonazi-CDs „Gift für die Ohren“ und „Die Antwort aufs System“ der
neonazistischen Bands „Deutsch Stolz Treue“ und „Burn Down“ beteiligt gewe-
sen sein soll (vgl. Mirjam Schmitt „Rechtsextreme dürfen weiter Anne Frank
verhöhnen“, taz.die tageszeitung vom 22. März 2011, www.taz.de/1/archiv/
digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F03%2F22%2Fa0132&cHash=
f358dfd256) „Deutsch Stolz Treue“ (DST) ist eine der wichtigsten Bands des in-
ternationalen Neonazinetzwerks der Hammerskins (vgl. „Die Berliner Rechts-
Rock-Szene am Beispiel der Band „Deutsch, Stolz, Treue“ in Antifaschistisches
Infoblatt Nr. 83, 2/2009, www.antifainfoblatt.de/artikel/die-berliner-rechtsrock-
szene).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Vorfälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Polizisten und

Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter seit Januar 1998 bis heute enge
Kontakte zum Neonazinetzwerk Blood & Honour unterhielten (bitte nach
Jahr, Bundesland und Ort auflisten)?

2. Wie viele Vorfälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Polizisten und
Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter seit Januar 1998 bis heute enge
Kontakte zum Neonazinetzwerk Hammerskins unterhielten (bitte nach Jahr,
Bundesland und Ort auflisten)?

3. Bei wie vielen Vorfällen, die der Bundesregierung bekannt sind, in denen
Polizisten und Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter seit Januar 1998 bis
heute enge Kontakte zum Neonazinetzwerk Blood & Honour unterhielten,
kam es zu welchen dienstrechtlichen Konsequenzen (bitte nach Jahr, Bundes-
land, Ort und dienstrechtlichen Konsequenzen auflisten)?

4. Bei wie vielen Vorfällen, die der Bundesregierung bekannt sind, in denen
Polizisten und Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter seit Januar 1998 bis
heute enge Kontakte zum Neonazinetzwerk Hammerskins unterhielten, kam
es zu welchen dienstrechtlichen Konsequenzen (bitte nach Jahr, Bundesland,
Ort und dienstrechtlichen Konsequenzen auflisten)?

5. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass zwei Polizisten aus
Nordhessen im Jahr 2000 enge Kontakte zum Blood & Honour-Netzwerk
hatten (bitte unter Angabe des Monats bzw. des Jahrs)?

6. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass Andreas Temme an
den Vorgängen zu den Ermittlungen des Sachverhalts der engen Kontakte
von zwei Polizeibeamten aus Nordhessen zum Neonazinetzwerk Blood &
Honour beteiligt war (bitte unter Angabe des Monats bzw. des Jahrs)?

7. Wann und ggf. durch welche Behörde wurden dem Bundestagsuntersuchungs-
ausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund der 17. Wahlperiode In-
formationen vorgelegt zu den engen Kontakten von zwei Polizisten aus Nord-
hessen zum Neonazinetzwerk Blood & Honour (bitte übermittelnde Be-
hörde(n) und Zeitraum der Aktenvorlage angeben)?

8. Wann und ggf. durch welche Behörde wurden dem Bundestagsuntersuchungs-
ausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund der 17. Wahlperiode In-
formationen vorgelegt zu der Tatsache, dass Andreas Temme an den Vorgän-
gen zu den Ermittlungen des Sachverhalts der engen Kontakte von zwei
Polizisten aus Nordhessen zum Neonazinetzwerk Blood & Honour (bitte
übermittelnde Behörde(n) und Zeitraum der Aktenvorlage angeben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5813
9. Wenn die Fragen 7 und 8 verneint werden, aus welchen rechtlichen und tat-
sächlichen Gründen wurden dem Bundestagsuntersuchungsausschuss zum
Nationalsozialistischen Untergrund der 17. Wahlperiode die Vorgänge rings
um die Polizisten aus Nordhessen mit den engen Kontakten zum Neonazi-
netzwerk Blood & Honour nicht vorgelegt?

10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Kontakte von Poli-
zisten und Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter zum Neonazinetzwerk
Blood & Honour aus dem Verbotsverfahren gegen Blood & Honour und aus
Strafverfahren gegen Blood & Honour-Aktivistinnen und -aktivisten vor
(bitte nach Jahr, Monat, Bundesland und Ermittlungsbehörde auflisten)?

11. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Kontakte von Poli-
zisten und Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter zum Neonazinetzwerk
Blood & Honour aus den zehn Ermittlungsverfahren des Generalbundesan-
walts gegen neun namentlich bekannte Unterstützer und Unterstützerinnen
des NSU und gegen Unbekannt sowie aus den Ermittlungen gegen Beate
Zschäpe, Ralf W., Andre E. und Holger G. und Carsten S. vor?

Berlin, den 12. August 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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