BT-Drucksache 18/5750

Luftangriffe der Türkei

Vom 5. August 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5750
18. Wahlperiode 05.08.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Andrej Hunko, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Luftangriffe der Türkei

Am 28. Juli 2015 tagte in Brüssel der NATO-Rat in einer Sondersitzung. Diese
Sondersitzung war auf Verlangen des NATO-Mitglieds Türkei auf Grundlage
von Artikel 4 des NATO-Vertrages einberufen worden. Nach Artikel 4 des
NATO-Vertrages treten die Mitglieder in Konsultationen ein, wenn ein oder
mehrere NATO-Mitglieder die Unversehrtheit ihrer territorialen Integrität, ihre
Sicherheit oder ihre politische Unabhängigkeit bedroht sehen.
Der NATO-Rat veröffentlichte anschließend eine Erklärung (www.nato.int/cps/
en/natohq/official_texts_121926.htm), in der es heißt:
“Turkey requested the meeting in view of the seriousness of the situation after
the recent terrorist attacks, and to inform Allies of the measures it is taking. At
its meeting today, the North Atlantic Council discussed the threats against
Turkey. We strongly condemn the terrorist attacks against Turkey, and express
our condolences to the Turkish government and the families of the victims in
Suruç and other attacks against police and military officers. Terrorism poses a
direct threat to the security of NATO countries and to international stability and
prosperity. It is a global threat that knows no border, nationality, or religion – a
challenge that the international community must fight and tackle together. Ter-
rorism in all its forms and manifestations can never be tolerated or justified. The
security of the Alliance is indivisible, and we stand in strong solidarity with
Turkey. We will continue to follow the developments on the South-Eastern bor-
der of NATO very closelyˮ.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass der IS-Anschlag von Suruc

ein legitimer Grund für die türkische Regierung ist, gerade gegen die Kräfte,
die gegen den IS am effektivsten kämpfen, also kurdische Kämpfer und
Kämpferinnen, militärisch vorzugehen?

2. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die militärischen Maßnah-
men der Türkei gegen kurdische Kräfte auf syrischem und irakischem Staats-
gebiet gegen den Willen der jeweiligen Regierung mit dem Völkerrecht ver-
einbar sind (wenn ja, bitte konkret und unter Angabe der in Bezug genomme-
nen Rechtsgrundlage erläutern und begründen, und wenn nein, bitte erläu-
tern, warum die Bundesregierung sich bei der Beschlussfassung über die
Erklärung des NATO-Rates nicht zumindest enthalten hat)?

Drucksache 18/5750 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Hat der türkische Vertreter im NATO-Rat in irgendeiner Weise erkennen las-
sen, dass die Türkei auch Artikel 5 des NATO-Vertrages ggf. nutzen wolle?
Wenn ja, wie hat die Bundesregierung bzw. der deutsche NATO-Vertreter
darauf reagiert?
Kam es in diesem Zusammenhang zu einer informellen Verständigung, wo-
nach die türkische Seite auf die Nutzung von Artikel 5 verzichtet, wenn im
Gegenzug der NATO-Rat seine „starke Solidarität“ gegenüber der Türkei er-
klärt?

4. a) Ist die Einrichtung der „Schutzzone“, deren Einrichtung die USA und die
Türkei laut diverser Quellen (z. B. www.tagesschau.de/ausland/nato-
tuerkei-107.html und u. a. auch als „Pufferzone“, „Sicherheitszone“ be-
zeichnet) auf syrischem Staatsgebiet planen, Bestandteil der „starken So-
lidarität“ der NATO mit der Türkei?

b) Wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorhaben unter völkerrechtli-
chen Gesichtspunkten?

c) Ist der syrische Staat nach Auffassung der Bundesregierung und der
NATO-Verbündeten als Völkerrechtssubjekt mit allen Rechten und Pflich-
ten zu betrachten, sodass das Recht Syriens auf territoriale Integrität und
Souveränität zu beachten ist?

d) Würde die Bundesregierung die militärisch gestützte Einrichtung einer
„Schutzzone“ auf türkischem Territorium durch das syrische Militär als
völkerrechtskonform betrachten?
Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und unter Zugrundelegung wel-
cher Rechtsauffassung?

e) Würde die Bundesregierung die militärisch gestützte Einrichtung einer
„Schutzzone“ in der Ostukraine, in der nahezu täglich Zivilistinnen und
Zivilisten durch ukrainische und faschistische Kräfte getötet werden,
durch das russische Militär als völkerrechtskonform betrachten?
Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und unter Zugrundelegung wel-
cher Rechtsauffassung?

5. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung bezüglich der in der Türkei
stationierten Patrioteinheiten?
a) Sollen die Patrioteinheiten für den „Luftraumschutz“ der „Schutzzone“

integriert werden?
b) Beabsichtigt die Bundesregierung, die Patrioteinheiten der Bundeswehr

im Falle der Einrichtung einer „Schutzzone“ abzuziehen?
c) Wie begründet die Bundesregierung dies jeweils?

6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den diversen Berichten über eine Unterstützung des IS und anderer
islamistischer Gruppen, die in Syrien operieren (www.jungewelt.de/2015/
06-26/048.php; www.jungewelt.de/2015/06-29/033.php; www.dw.com/de/
yüksekdağ-die-türkei-unterstützt-den-is/a-18636104; www.tagesschau.de/
inland/tuerkei-reaktionen-101.html), durch die türkische Regierung vor dem
Hintergrund der NATO-Erklärung gegen den Terrorismus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5750
7. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Türkei den IS und andere isla-
mistische Gruppen, die in Syrien operieren, unterstützt?
Wenn ja, wie passt dies mit der NATO-Erklärung vom 28. Juli 2015 zusam-
men?
Wenn nein, was sonst folgert die Bundesregierung aus der durch Medienbe-
richte dargelegten türkischen Unterstützung für den IS und andere islamisti-
sche Gruppen, die in Syrien operieren?

Berlin, den 5. August 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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