BT-Drucksache 18/5710

Entwicklung und Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung

Vom 30. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5710
18. Wahlperiode 30.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer, Annalena Baerbock,
Harald Ebner, Christian Kühn (Tübingen), Stephan Kühn (Dresden), Steffi Lemke,
Nicole Maisch, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklung und Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung

Energieerzeugungsanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die gleichzei-
tig sowohl Strom als auch Wärme produzieren, sind besonders energieeffizient
und damit ressourcen- und klimaschonend. Doch aufgrund der gesunkenen Bör-
senpreise am Strommarkt haben immer mehr KWK-Anlagen mit wirtschaft-
lichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Insbesondere erdgasbefeuerte Kraftwerke
sind von einer Abschaltung bedroht oder stehen bereits still. Daher ist eine An-
passung der Förderung dringend geboten, die mit einer Novelle des Kraft-
Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) umgesetzt werden muss.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat im März 2015
erste Eckpunkte für die Novellierung des KWKG vorgelegt. Diese Eckpunkte
finden sich weitgehend auch im Weißbuch Strommarkt der Bundesregierung
wieder. Inzwischen ist auch ein erster Referentenentwurf zum Gesetz aus dem
BMWi bekannt geworden (Stand: 7. Juli 2015). Nach den Beschlüssen des Ener-
giegipfels vom 1. Juli 2015 soll außerdem der Umstieg von Kohle- auf Gasbe-
feuerung bei der KWK geringere CO2-Einsparungen im Bereich der Kohlekraft-
werke kompensieren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele KWK-Anlagen sind nach Erkenntnis der Bundesregierung im

Laufe des Jahres 2014 und im ersten Halbjahr 2015 wegen mangelnder Wirt-
schaftlichkeit vorübergehend oder dauerhaft stillgelegt worden (bitte nach
Betreiber, Leistung, Brennstoff sowie Zeitpunkt und Dauer der Stilllegung
aufschlüsseln), und wie viele Arbeitsplätze waren davon durch Abbau, Kurz-
arbeit oder sonstige Einschränkungen betroffen?

2. In welcher Relation stehen diese Zahlen nach Kenntnis der Bundesregierung
zum gesamten KWK-Anlagenbestand (bitte nach Betreiber, Leistung und
Brennstoff aufschlüsseln)?

3. Von wie viel bedrohten Anlagen und von wie viel bedrohten Arbeitsplätzen
geht die Bundesregierung bei der Formulierung „Aktuell droht einem Teil der
bestehenden KWK-Anlagen wegen der gesunkenen Strompreise die Still-
legung“ (Weißbuch Strommarkt, Seite 77) aus?

4. Warum hat die Bundesregierung bei der Änderung der Bezugsgröße für das
Ausbauziel der KWK auf die thermische Stromerzeugung die Höhe des
KWK-Anteils nicht entsprechend nach oben angepasst, sondern stattdessen
das KWK-Ziel nach Auffassung der Fragesteller faktisch gekürzt?

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5. In welchem Jahr rechnet die Bundesregierung unter Berücksichtigung des
aktuellen Ausbaus erneuerbarer Energien, aktueller Kraftwerksprojekte so-
wie der in der Koalition verabredeten Einrichtung einer Braunkohlereserve
in Höhe von 2,7 Gigawatt mit dem Erreichen des KWK-Ziels von 25 Pro-
zent Anteil an der Stromerzeugung aus thermischen Kraftwerken?

6. Welche Konsequenz hätte nach Auffassung der Bundesregierung ein Errei-
chen des KWK-Ziels von 25 Prozent an der Stromversorgung aus thermi-
schen Kraftwerken noch vor dem Jahr 2020 hinsichtlich der KWK-Förde-
rung für darüber hinaus gehende KWK-Projekte?

7. Mit welcher Begründung will die Bundesregierung die Gültigkeit des neuen
KWKG auf den 31. Dezember 2020 befristen, und mit welchen Instrumen-
ten will sie anschließend den Ausbau bzw. Erhalt der KWK sicherstellen?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass langfristig möglichst die ge-
samte verbleibende thermische Stromerzeugung in Form der effizienten
KWK erfolgen soll?
Wenn ja, von welchem Zeithorizont geht sie dabei aus, und falls nicht,
warum nicht?

9. Welchen Anteil der KWK an der thermischen Stromerzeugung strebt die
Bundesregierung bis zum Jahr 2030, 2040 und 2050 an, und auf welchen
Annahmen beruhen die Kalkulationen jeweils?

10. Wieso beschränkt sich die Bundesregierung mit dem KWKG darauf, das
Ausbauziel für KWK als Anteil an der Stromerzeugung zu definieren, und
warum stellt sie kein entsprechendes Ziel für den KWK-Anteil an der Wär-
meversorgung auf, die immerhin mehr als 50 Prozent des Energiever-
brauchs in Deutschland ausmacht?

11. Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung zur Erhöhung des KWK-
Anteils am Wärmemarkt über das KWKG hinaus?

12. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung zur Absicherung der Wär-
meinfrastruktur in Form von Wärmenetzen und -speichern, und welche
Instrumente hält sie jenseits der Förderung über das KWKG dafür für ge-
eignet?

13. Wie passt nach Ansicht der Bundesregierung die Verringerung des ange-
strebten KWK-Zubaus (Referentenentwurf zum KWKG) zu den Beschlüs-
sen der Koalition vom 1. Juli 2015, nach denen die prognostizierte Ein-
sparlücke für CO2 im Bereich der Kohlekraftwerke durch einen stärkeren
Ausbau der KWK kompensiert werden soll?

14. Wie viele neue bzw. modernisierte KWK-Anlagen sind nach Berechnungen
der Bundesregierung notwendig, um den in den Energiebeschlüssen vom
1. Juli 2015 angestrebten zusätzlichen CO2-Minderungsbeitrag von 4 Mil-
lionen Tonnen durch die KWK-Förderung zu erreichen (bitte Berechnungs-
basis, Bezugnahme auf den Projektionsbericht 2015 sowie Prämissen an-
geben)?

15. Wie viele Kraftwerke können nach Berechnungen der Bundesregierung mit-
hilfe der vorgesehenen Förderung i. H. v. 500 Mio. Euro pro Jahr von
Kohle- auf Gasbefeuerung umgestellt werden (bitte Anzahl und Leistung
angeben), und bis wann sollen diese Umstellungen erfolgen?

16. In welcher Höhe wird sich nach Berechnungen der Bundesregierung die zur
Strom- und Wärmeerzeugung verbrauchte Menge an Kohle durch die Um-
stellung von Kohle- auf Gasbefeuerung reduzieren, und mit welcher CO2-
Einsparung rechnet sie durch die dafür veranschlagten max. 500 Mio. Euro
pro Jahr?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5710
17. Bis wann bzw. für welche Anzahl von Vollbenutzungsstunden soll der Zu-
schlag für die Umstellung einer Anlage von Kohle- auf Gasbefeuerung nach
den Plänen der Bundesregierung gezahlt werden?

18. Wie viele KWK-Anlagen können insgesamt nach Berechnungen der Bun-
desregierung mithilfe der künftig vorgesehenen Förderung modernisiert und
wie viele neu errichtet werden (bitte Anzahl und Leistungsklassen sowie
Prämissen angeben)?

19. Wie definiert und misst die Bundesregierung die Maßgabe „Abbau von
Überkapazitäten am Strommarkt“ (Weißbuch Strommarkt, Seite 78), an die
sie die vorübergehende Förderung für gasbetriebenen KWK-Anlagen des
Bestandes knüpft, und wann ist dieser Abbau nach den Projektionen der
Bundesregierung voraussichtlich erreicht?

20. Nach welchen Kriterien stellt die Bundesregierung die „Existenzgefähr-
dung“ eines Kraftwerks fest, und wie werden die dafür notwendigen Daten
erhoben?

21. Welches Finanzvolumen soll nach Plänen der Bundesregierung die zeitlich
begrenzte Förderung für hocheffiziente gasbefeuerte KWK-Bestandsanla-
gen, die in ihrer Existenz gefährdet sind, insgesamt haben?

22. Wie viele KWK-Anlagen mit einer Leistung unter 10 Megawatt sind nach
Kenntnis der Bundesregierung in kleineren und mittleren Stadtwerken bun-
desweit für die öffentlichen Versorgung im Einsatz, und warum will die
Bundesregierung diese Anlagen von der vorübergehenden Förderung für
gasbefeuerte KWK-Bestandsanlagen ausschließen (Referentenentwurf zum
KWKG), obwohl sich deren wirtschaftliche Lage ebenfalls verschlechtert
hat?

23. Warum will die Bundesregierung Bestandsanlagen auf Erdgasbasis, die
durch das bisherige KWKG gefördert werden, von der vorübergehenden
zusätzlichen Förderung für gasbetriebene KWK-Anlagen ausschließen, ob-
wohl sich deren wirtschaftliche Lage ebenfalls verschlechtert und sich ein
wirtschaftlicher Betrieb nach Analyse von der Prognos AG u. a. in der zwei-
ten Hälfte des Jahrzehnts mit der bisherigen Förderung nicht mehr darstel-
len lässt (vgl. Bericht zur Evaluierung des KWKG im Jahr 2014 im Auftrag
des BMWi, Seiten 189 ff.)?

24. Liegen der Bundesregierung inzwischen Erkenntnisse vor, die über die Er-
gebnisse des in Frage 23 genannten Gutachtens der Prognos AG hinausge-
hen und die eine abweichende Bewertung der voraussichtlichen Wirtschaft-
lichkeit von Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken begründen?

25. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, ob als Alternative zu unwirt-
schaftlich gewordenen KWK-Anlagen Spitzenheizwerke eingesetzt werden
müssen, und wie würde sich ein solcher Einsatz nach Berechnungen der
Bundesregierung auf die CO2-Bilanz der Strom- und Wärmeversorgung nie-
derschlagen?

26. Welche Nutzungsgrade im Hinblick auf die gleichzeitige Produktion von
Strom und Wärme müssen die KWK-Anlagen nach den Vorhaben der Bun-
desregierung mindestens aufweisen, um die KWK-Förderung in Anspruch
zu nehmen, und wie werden die Nutzungsgrade nachgewiesen?

27. Wird die flexible und strommarktgeführte Fahrweise der zu fördernden
Kraftwerke nach den bisherigen Überlegungen der Bundesregierung eine
Voraussetzung für die Zuteilung der Förderung sein?
Falls ja, nach welchen Kriterien wird eine flexible Fahrweise definiert, und
falls nein, warum nicht?

Drucksache 18/5710 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
28. Will die Bundesregierung mit der Neufassung des KWKG den Einsatz
erneuerbarer Energien in KWK-Anlagen stärker anreizen als bisher?
Wenn ja, in welcher Form, und wenn nein, warum nicht?

29. Welche Erwartungen hat die Bundesregierung in Bezug auf den Ausbau
hocheffizienter KWK im gewerblichen und industriellen Bereich angesichts
der geplanten Streichung der Förderung industrieller KWK (mit Ausnahme
der energieintensiven Unternehmen; Referentenentwurf zum KWKG) und
angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren ein KWK-Zubau nach
Beobachtung der Fragesteller im Wesentlichen nur noch im industriellen
Sektor stattgefunden hat?

30. Warum unterscheidet die Bundesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf
bei der Eigenstromerzeugung nicht zwischen primärer Stromerzeugung in
brennstoffbefeuerten KWK-Anlagen und der nachgelagerten Stromerzeu-
gung aus industrieller Abwärme, die wesentlich zur Erhöhung der Ge-
samteffizienz industrieller Herstellungsprozesse beitragen und den Energie-
verbrauch und CO2-Ausstoß absolut senken kann?

31. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Potenzial für die Stromerzeu-
gung aus industrieller Abwärme ein, und welcher Beitrag zu den Energie-
einspar- und Treibhausgasminderungszielen könnte durch die konsequente
Abwärmenutzung geleistet werden?

32. Von welchen Auswirkungen auf sogenannte Mieterstrommodelle geht die
Bundesregierung aus, wenn oberhalb einer Anlagenleistung von 50 Kilo-
watt ein Zuschlag nur noch für Strom gewährt wird, der in ein Netz der all-
gemeinen Versorgung eingespeist wird, und warum ist die Belieferung einer
Wohnanlage durch Dritte in diesem Fall nicht mit der Eigenversorgung
einer Wohnanlage gleichgestellt (Referentenentwurf zum KWKG)?

33. Mit welchen Instrumenten will die Bundesregierung den Einsatz von KWK
in der Wohnungswirtschaft vorantreiben, wenn Anlagen mit einer Leistung
über 50 Kilowatt zum Einsatz kommen, die nach dem derzeitigen Entwurf
des KWKG künftig von der Förderung über das KWKG ausgeschlossen
wären?

34. Wann will die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf für die Novelle des
KWKG ins Kabinett und in die parlamentarische Beratung einbringen, und
bis wann soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Beratung ab-
geschlossen sein?

Berlin, den 30. Juli 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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