BT-Drucksache 18/5708

Per- und polyfluorierte Chemikalien in der Umwelt

Vom 3. August 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5708
18. Wahlperiode 03.08.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordnete Peter Meiwald, Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Harald Ebner, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Per- und polyfluorierte Chemikalien in der Umwelt

Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) sind organische oberflächenaktive
Verbindungen, die keine natürlichen Quellen haben, sondern industriell produ-
ziert werden. Ihre Anwendungsbereiche sind vielfältig, denn sie weisen eine ex-
trem hohe thermische und chemische Stabilität auf und sind wasser-, fett-, sowie
schmutzabweisend. PFC finden Verwendung in der Produktion von Outdoor-
und Arbeitskleidung (z. B. „Gore Tex“), Kochgeschirr, Pestiziden, Baustoffen
oder Feuerlöschmitteln. Besonders bedenklich ist die Verwendung in Lebens-
mittelverpackungen, die unmittelbar mit Lebensmitteln in Berührung kommen,
z. B. Pappbecher oder Pizzakartons. PFC können bei der Herstellung, dem Ge-
brauch und der Entsorgung eines Produktes freigesetzt werden. Die Behandlung
in Kläranlagen lässt sogar noch mehr dieser Stoffe entstehen, die anschließend
über Flüsse und Meere sowie durch Ausbringung von Klärschlämmen als Dün-
gemittel auf der ganzen Welt und auch ins Grundwasser verteilt werden. Über
Luftströmungen gelangen flüchtige PFC auch in die Atmosphäre.
PFC weisen durch Langzeitbelastungen eine hohe Toxizität für Menschen und
Tiere auf und reichern sich, ähnlich wie etwa Quecksilber aus Kohlekraftwer-
ken, im Körper an. Der Abbauprozess gestaltet sich nur sehr langsam; in der Na-
tur wird PFC fast gar nicht abgebaut. Es handelt sich um sehr langlebige organi-
sche Schadstoffe, die im Verdacht stehen, fortpflanzungsgefährdend und krebs-
erregend zu sein. Diese Tatsachen gaben aus Sicht des Umweltbundesamtes
(UBA) bereits im Jahr 2009 Anlass, Grenzwerte für sechs PFC einzuführen und
in die Liste besonders besorgniserregende Stoffe gemäß der Europäischen Che-
mikalienverordnung (REACH) aufzunehmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Befunde von PFC in Böden sowie in Oberflächen-, Grund- und

Trinkwasser sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2006 in
Deutschland festgestellt worden, und was wird im Einzelfall nach Kenntnis
der Bundesregierung gegen diese Befunde unternommen (bitte nach Jahr,
Ort, verunreinigtem Medium, einzelnen Chemikalien der PFC-Gruppe und
Gegenmaßnahme im Einzelfall aufschlüsseln)?

2. Bis wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Untersuchung der 22,
auf Bundestagsdrucksache 18/4570, angesprochenen Liegenschaften abge-
schlossen, wie werden diese Untersuchungen finanziert, und wo befinden
sich diese Liegenschaften konkret?

Drucksache 18/5708 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Bis wann liegen nach Kenntnis der Bundesregierung die auf Bundestags-
drucksache 18/4570 angesprochenen Geringfügigkeits-Schwellenwerte vor,
für welche PFC sollen diese eingeführt, und in welchem gesetzlichen Regel-
werk sollen diese verankert werden?

4. Auf welchen Wegen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die in
Frage 1 abgefragten PFC-Verunreinigungen in die Umwelt ausgebracht?

5. Auf welchem Wege kann es aus Sicht der Bundesregierung zu einer PFC-
Anreicherung in der menschlichen Nahrungskette kommen?

6. In welchen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung PFC gefunden (bitte nach Lebensmittel,
Jahr, PFC und gemessenem Wert aufschlüsseln)?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Belastung von
Meereslebewesen durch PFC?

8. Welche Gefahren gehen nach Kenntnis der Bundesregierung von kurzketti-
gen PFC für den Menschen und die Umwelt aus?
Welche Gefahren gehen nach Kenntnis der Bundesregierung von langketti-
gen PFC für den Menschen und die Umwelt aus (bitte nach PFC aufschlüs-
seln)?

9. Welche Forschungsprojekte gibt es aktuell nach Kenntnis der Bundesregie-
rung zur Erforschung der Gefahren von PFC für Mensch und Umwelt, und
in welchem Umfang stellt die Bundesregierung seit dem Jahr 2013 jährlich
Finanzmittel dafür zur Verfügung?

10. In welchen Gesetzen finden sich Grenz-, Schwellenwerte etc. für PFC (bitte
nach Wert und Regelwerk aufschlüsseln)?

11. An welchen Messstellen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die
vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) zusammengestellten
Schwellenwerte für PFC im Grundwasser in den vergangenen Jahren über-
schritten, und wie hoch waren die jeweiligen Werte?

12. Hält die Bundesregierung eine Implementierung entsprechender Schwellen-
werte auf nationaler Ebene für sinnvoll?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, bis wann sollte eine Implementierung sinnvollerweise abgeschlos-
sen sein?

13. An welchen Messstellen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die in
Anhang 2 der Richtlinie 2013/39/EU formulierten Werte für Perfluoroctan-
sulfonat (PFOS) in Oberflächengewässern seit dem Jahr 2013 überschritten,
und wie hoch waren die jeweiligen Werte?

14. An welchen Messstellen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die in
Anhang 2 der Richtlinie 2013/39/EU formulierten Werte für PFOS in Biota
überschritten, und wie hoch waren die jeweiligen Werte?

15. Für welchen Zeitpunkt ist eine Umsetzung dieser Werte durch die Bundes-
regierung in nationales Recht in der Oberflächengewässerverordnung vor-
gesehen?

16. An welchen Messstellen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die
vom bayerischen LfU zusammengestellten Stufenwerte für PFC für den
Pfad Boden-Grundwasser in den vergangenen Jahren überschritten, und wie
hoch waren die jeweiligen Werte?

17. Inwieweit hält die Bundesregierung eine Implementierung entsprechender
Stufenwerte auf nationaler Ebene umweltpolitisch für geboten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5708
Wenn sie eine Implementierung nicht für geboten hält, warum nicht?
18. Welchen Anteil am Gesamtabfallaufkommen haben nach Kenntnis der Bun-

desregierung Abfälle mit einer PFOS-Konzentration von mehr als 50 mg
pro kg?
Zu welchem Teil (in Prozent) werden diese Abfälle obertägig abgelagert?

19. Was sollte nach Auffassung der Bundesregierung unternommen werden, um
die Ausbringung von PFC in die Umwelt, beispielsweise mittels Klär-
schlämmen aus Industrie- und kommunalen Kläranlagen, zu unterbinden?

20. Was unternimmt die Bundesregierung gegenüber den zuständigen Stellen,
um die Ausbringung in die Umwelt, beispielsweise mittels Klärschlämmen
aus Industrie- und kommunalen Kläranlagen, zu unterbinden?

21. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, mit PFC verunreinigte
Böden, insbesondere großflächige Verunreinigungen, die durch die Nutzung
von PFC-haltigen Löschschäumen oder Klärschlamm entstanden sind,
nachträglich zu sanieren, und welche dieser Möglichkeiten werden nach
Kenntnis der Bundesregierung aktuell umgesetzt?

22. Welche konkreten Sanierungsprojekte sind der Bundesregierung bekannt,
und wie schätzt sie den Kostenaufwand ein?

23. Wer hat nach Ansicht der Bundesregierung diese Kosten der Sanierung
grundsätzlich zu tragen, und welchen Anteil trägt der Bund bzw. plant der
Bund zu tragen?
Wer übernimmt nach Kenntnis der Bundesregierung den Rest der Kosten?

24. Wie viele PFC wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr
2006 in Deutschland produziert (bitte nach Jahr und Menge aufschlüsseln)?

25. Wie viele PFC wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr
2006 nach Deutschland importiert (bitte nach Jahr, Menge und Industriesek-
tor bzw. Produktgruppe aufschlüsseln)?

26. Wie viele PFC wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr
2006 in Deutschland in der Produktion verbraucht (bitte nach Jahr, Menge
und Industriesektor bzw. Produktgruppe aufschlüsseln)?

27. Wie viele PFC werden nach Kenntnis der Bundesregierung über die in Ver-
ordnung 850/2004/EG („POP“-Verordnung) aufgeführten Ausnahmen für
PFOS in Deutschland in der Produktion verwendet und in Verkehr ge-
bracht?

28. Gibt es Bestrebungen der Bundesregierung auf europäischer Ebene, auf eine
Reduktion der in Frage 27 genannten Ausnahmeregelungen hinzuwirken?
Wenn nein, aus welchen Gründen?

29. Welche Ersatzstoffe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für PFC
(bitte in gesundheitlich verdächtige und unverdächtige Ersatzstoffe auf-
schlüsseln)?

30. Inwiefern und mit welchem Betrag fördert die Bundesregierung die Erfor-
schung von Ersatzstoffen für PFC?

31. Welche Ersatzstoffe werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Lösch-
schäumen verwendet (bitte nach Stoff und Häufigkeit der Verwendung in
Prozent aufschlüsseln)?

32. Inwiefern sieht die Bundesregierung aus umweltschutzfachlicher Sicht die
Notwendigkeit, Grenzwerte für PFC in die Trinkwasserverordnung
(TrinkwV 2001) aufzunehmen?

Drucksache 18/5708 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
33. Inwiefern sieht die Bundesregierung aus gesundheitsschutzfachlicher Sicht
die Notwendigkeit, Grenzwerte für PFC in die TrinkwV 2001 aufzuneh-
men?
Wenn keine Notwendigkeit gesehen wird, mit welcher Begründung?
Wenn die Notwendigkeit gesehen wird, ab wann ist mit den neuen Regelun-
gen zu rechnen?

34. Inwiefern sieht die Bundesregierung aus umweltschutzfachlicher Sicht die
Notwendigkeit, den Grenzwert für PFAO und PFOS in der Düngemittelver-
ordnung zu verschärfen und Grenzwerte für andere PFC einzuführen?
Wenn keine Notwendigkeit gesehen wird, mit welcher Begründung?
Wenn die Notwendigkeit gesehen wird, ab wann ist mit den neuen Regelun-
gen zu rechnen?

35. Inwiefern sieht die Bundesregierung aus umweltschutzfachlicher Sicht die
Notwendigkeit, einen Grenzwert für andere PFC als PFOS und PFOA in die
Klärschlammverordnung (AbfKlärV) zu integrieren?
Wenn keine Notwendigkeit gesehen wird, mit welcher Begründung?
Wenn die Notwendigkeit gesehen wird, ab wann ist mit den neuen Regelun-
gen zu rechnen?

36. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher auf eine Normierung
von Überwachungs- und Grenzwerten für PFC in der Abwasserverordnung
verzichtet?
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Normierung von Über-
wachungs- oder Grenzwerten für PFC in der Abwasserverordnung?
Wenn nein, warum nicht?

37. Wurden nach Erkenntnissen der Bundesregierung weitere, als die mittler-
weile im Anhang der REACH als besonders bedenkliche Stoffe ausgewie-
senen PFC als umwelt- oder gesundheitsgefährdend identifiziert?
Wenn ja, welche?

38. Warum wurden die vom UBA empfohlenen Werte für ausgewählte PFC
noch nicht als Grenzwerte in die TrinkwV 2001 aufgenommen?

39. Gibt es Planungen, die vom UBA empfohlenen Werte als Grenzwerte in die
TrinkwV 2001 aufzunehmen?
Wenn nein, warum nicht?

40. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Kennzeichnungspflicht für
PFC-haltige Produkte?
Wenn ja, wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die aktuelle Ausge-
staltung einer Kennzeichnungspflicht für PFC-haltige Produkte aus, und ist
der Bundesregierung bekannt, ob eine Änderung geplant ist?
Wenn nein, warum ist die Einführung einer solchen Pflicht aus Sicht der
Bundesregierung nicht notwendig?

41. Wie geht die Bundesregierung ihrem erklärten Ziel nach, neue persistente
organische Schadstoffe zu identifizieren und für eine Aufnahme im POPs-
Protokoll sowie im Stockholmer Übereinkommen zu sorgen?
Welche neuen persistenten organischen Schadstoffe wurden seit der sechs-
ten Vertragsstaatenkonferenz (COP6) von der Bundesregierung identifi-
ziert, und wie plant die Bundesregierung, damit weiter umzugehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5708
42. Wann findet nach Kenntnis der Bundesregierung die siebte Vertragsstaaten-
konferenz statt, und was ist nach Kenntnis der Bundesregierung konkreter
Gegenstand dieser Konferenz?

43. In welchen Fällen hat die Bundesrepublik Deutschland von ihrem in
Artikel 8 des Stockholmer Übereinkommens angelegten Vorschlagsrecht
Gebrauch gemacht?
In welchen Fällen folgte auf einen solchen Vorschlag eine erfolgreiche Auf-
nahme in einen der Anhänge des Stockholmer Übereinkommens?

Berlin, den 30. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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