BT-Drucksache 18/5695

Mängel im Schweizer Atomkraftwerk Beznau

Vom 31. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5695
18. Wahlperiode 31.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Harald Ebner,
Matthias Gastel, Christian Kühn (Tübingen), Stephan Kühn (Dresden),
Steffi Lemke, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mängel im Schweizer Atomkraftwerk Beznau

Das Atomkraftwerk (AKW) Beznau ist das älteste noch laufende AKW der Welt
und liegt in unmittelbarer Grenznähe zu Deutschland. Es hat zahlreiche Mängel
und Schwächen. So gibt es laut der online zugänglichen Sachverständigen-Stel-
lungnahme des ehemaligen Unterabteilungsleiters RS I des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Dieter Majer,
„Risiko Altreaktoren Schweiz“ vom Februar 2014 Korrosionserscheinungen am
Containment des Reaktors und sind die Systeme zur Brennelementlagerbecken-
kühlung nicht gegen Erdbeben- und Überflutungsgefahr geschützt, obwohl nach
heutigem Stand von Wissenschaft und Technik die Gefährdung sogar zugenom-
men hat. Weiter hat der Reaktordruckbehälter in Beznau eine zu geringe Zähig-
keit. Die Schweißnähte liegen teilweise im Bereich hoher Spannungen und ihre
Prüfbarkeit ist eingeschränkt.
Am 16. Juli 2015 hat die Schweizer Atomaufsicht, das Eidgenössische Nuklear-
inspektorat (ENSI), bekanntgegeben, dass bei Ultraschallmessungen am Reak-
tordruckbehälter des Atomkraftwerks Beznau 1 bewertungspflichtige Anzeigen
festgestellt worden sind (vgl. auf der ENSI-Webseite den Artikel „Weitere Un-
tersuchungen am Reaktordruckbehälter von Beznau 1 notwendig“ vom 16. Juli
2015). Die Betreiberin Axpo hat einen entsprechenden Bericht übermittelt.
Die Untersuchungen wurden während der Jahreshauptrevision durchgeführt,
nachdem im Sommer 2012 in den belgischen AKW Doel 3 und Tihange 2 zahl-
reiche Materialfehler im Grundmaterial der geschmiedeten Reaktordruckbe-
hälter (RDB) festgestellt worden sind – sogenannte wasserstoffflockenbedingte
Defekte bzw. Risse. Die Western European Nuclear Regulatorsʼ Association
WENRA sprach daraufhin im Sommer 2013 die Empfehlung aus, alle geschmie-
deten Reaktordruckbehälter in Europa im Rahmen der regulären Schweißnaht-
prüfungen überprüfen zu lassen (vgl. das online zugängliche WENRA-Doku-
ment „Recommendation in connection with flaw indications found in Belgian
reactors“ vom 15. August 2013).
Der Reaktorblock Beznau 2 – obwohl baugleich zu Block 1 – soll erst Mitte
August 2015 überprüft werden (vgl. o. g. ENSI-Online-Artikel vom 16. Juli
2015). So lange bleibt er offensichtlich noch am Netz, obwohl die gleichen
Mängel zu befürchten sind. Aus Sicht der Fragesteller müssen beide Reaktoren
umgehend und endgültig abgeschaltet werden. Den Fragestellern ist bewusst,
dass der Bundesregierung nicht die Atomaufsicht über Beznau 1 und 2 obliegt,
gleichwohl besteht aufgrund der Grenznähe eine potenzielle Betroffenheit von

Drucksache 18/5695 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Menschen in Süddeutschland, die je nach Windverhältnissen bei einem Atom-
unfall in Beznau die Betroffenheit der Schweizerischen Bevölkerung sogar
übersteigen kann. Vor diesem Hintergrund besteht auch bei nicht unmittelbarer
Zuständigkeit für die Atomaufsicht über das AKW Beznau aus Sicht der Frage-
steller gleichwohl auch eine Verantwortung der Bundesregierung, möglichst viel
dafür zu tun, möglichen Schaden von der deutschen Bevölkerung abzuwenden.
Dass zum Zwecke der gegenseitigen Schadensvorsorge im Zusammenhang mit
grenznahen AKW in Deutschland und in der Schweiz auch seitens der Deut-
schen Bundesregierung und des Schweizer Bundesrats eine grundsätzliche Not-
wendigkeit zur Zusammenarbeit gesehen wird, belegt ein bilaterales Koopera-
tionsabkommen, auf dessen Basis seit vielen Jahren die sogenannte Deutsch-
Schweizerische Kommission, kurz DSK, arbeitet (vgl. hierzu die Informationen
auf der BMUB-Webseite).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche neu entdeckten Befunde liegen nach Kenntnis der Bundesregierung

in Beznau 1 vor, und wie bewertet sie
a) deren Gefährdungspotenzial für die Menschen in Süddeutschland und
b) das Gefährdungspotenzial einer aufgrund der Baugleichheit möglicher-

weise bestehenden vergleichbaren Befundsituation des Reaktors
Beznau 2, der nach Bekanntwerden der RDB-Befunde in Beznau 1 weiter
im Leistungsbetrieb fahren durfte, für die Menschen in Süddeutschland
(bitte mit ausführlicher Erläuterung)?

2. Ist der Bundesregierung bereits bekannt, ob die Befunde herstellungsbedingt
sind bzw. ob betriebsbedingte Veränderungen der Befunde ausgeschlossen
werden können?

3. Liegen der Bundesregierung zu den Befunden Erkenntnisse vor, die über all-
gemein zugängliche Informationen hinausgehen?
Falls ja, welche (soweit nicht schon in der Antwort zu Frage 1 angegeben)?
Falls nein, hat sie sich angesichts der Grenznähe des AKW Beznau zumindest
beim ENSI darum bemüht?

4. Sind diese Schäden nach Kenntnis der Bundesregierung mit den bekannten
Wasserstoffflocken-bedingten RDB-Defekten in den belgischen Reaktoren
Tihange 2 und Doel 3 vergleichbar, und wenn ja, welche Konsequenzen zieht
die Bundesregierung daraus für ihre bilaterale Zusammenarbeit mit der
Schweiz?

5. Von welchem Gefahrenpotenzial geht die Bundesregierung bei einem Atom-
unfall mit massiver Radioaktivitätsfreisetzung im AKW Beznau für die Bun-
desrepublik Deutschland aus, und auf Basis welcher fachlichen Grundlage
welchen Datums?

6. Ist nach den Kenntnissen der Bundesregierung im AKW Beznau ein ausrei-
chender anlageninterner Notfallschutz gewährleistet, um bei einem Unfall
eine erhebliche Freisetzung radioaktiver Stoffe über deutschem Bundes-
gebiet zu verhindern?

7. Welche konkreten Konsequenzen für die bilaterale Zusammenarbeit mit der
Schweiz will das BMUB aus der Forderung der Parlamentarischen Staats-
sekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-
torsicherheit, Rita Schwarzelühr-Sutter, ziehen, das AKW Beznau dauerhaft
bzw. endgültig stillzulegen (vgl. Südwest Presse „Schwarzelühr-Sutter for-
dert Aus für Schweizer AKW Beznau“ vom 17. Juli 2015 sowie ihre Presse-
mitteilung vom selben Tag)?

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8. Wurden zwischen der deutschen und der schweizerischen Regierung bereits
bilaterale Gespräche über das Abschalten des AKW Beznau geführt, und
wenn ja, mit welchem Ergebnis (bitte Personen, teilnehmende Referate und
Daten der Treffen bzw. Sitzungen angeben)?

9. Welche weiteren Untersuchungsergebnisse sind der Bundesregierung im
Zusammenhang mit der WENRA-Empfehlung, alle geschmiedeten Reak-
tordruckbehälter in Europa im Rahmen der regulären Schweißnahtprüfun-
gen überprüfen zu lassen, bekannt, und welche Konsequenzen zieht sie aus
diesen (bitte mit Auflistung pro Land und AKW)?

10. Hält das BMUB angesichts der neuen RDB-Befunde im AKW Beznau
und/oder den Entwicklungen bzw. Erkenntnissen in den betroffenen belgi-
schen AKW (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) seit dem Jahr 2013 die
WENRA-Empfehlungen aus dem Jahr 2013 noch für ausreichend, oder
inwiefern sollten aus Sicht des BMUB Anpassungen vorgenommen wer-
den, wie beispielsweise die schnellere Durchführung entsprechender Ultra-
schallprüfungen?

11. Wann finden die nächsten Arbeitsgruppensitzungen der DSK statt, und
inwiefern soll Beznau dort thematisiert werden (bitte mit Angabe der Tages-
ordnung)?

Berlin, den 31. Juli 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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