BT-Drucksache 18/5690

Probleme beim Familiennachzug zu anerkannten syrischen Flüchtlingen

Vom 29. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5690
18. Wahlperiode 29.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth, Katrin Kunert, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Probleme beim Familiennachzug zu anerkannten syrischen Flüchtlingen

In Deutschland anerkannte Flüchtlinge haben einen Anspruch auf Nachzug ihrer
Kernfamilienangehörigen, ohne dass dies – wie sonst üblich – von einer Prüfung
der konkreten Wohnraum- und Einkommenssituation abhängig ist, wenn sie
einen entsprechenden Antrag innerhalb von drei Monaten nach ihrer Aner-
kennung in Deutschland stellen (vgl. § 29 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes –
AufenthG). Bei Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen gelten zudem ge-
ringere Anforderungen an Nachweise der Identität und der Familienbeziehung
(vgl. Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2003/86/EG vom 22. September 2003),
denn häufig fehlen kriegs- und fluchtbedingt entsprechende amtliche Doku-
mente oder sie können in der besonderen Situation nicht in zumutbarer Weise
beschafft werden.
Trotz dieses klaren Rechtsanspruchs kommt es beim Familiennachzug insbeson-
dere zu syrischen Flüchtlingen zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen. So
müssen Betroffene in der Türkei derzeit bis zu ein Jahr darauf warten, überhaupt
einen entsprechenden Visumantrag stellen zu können (Auskunft von Staatsmi-
nisterin Prof. Dr. Maria Böhmer an die Abgeordnete Ulla Jelpke vom 23. Juni
2015). Dies ist angesichts der höchst prekären und oft auch lebensgefährlichen
Situation, in der sich viele Angehörige in Krisengebieten und Flüchtlingslagern
befinden, nach Ansicht der Fragesteller nicht akzeptabel, zumal es hier um einen
der wenigen legalen und sicheren Einreisewege für Flüchtlinge nach Deutsch-
land geht.
Die Bundesregierung verweist zwar zu Recht auf sehr viele Anerkennungen
syrischer Flüchtlinge in einem kurzen Zeitraum, wodurch sich die Zahl der in
der Region zu bearbeitenden Visumanträge erheblich gesteigert hat. Dennoch
werden nach Auffassung der Fragesteller mögliche und erforderliche Verfah-
renserleichterungen und andere Maßnahmen zur Beschleunigung der Visum-
erteilung gar nicht, zu spät oder nur unzureichend ergriffen.
Die Fraktion DIE LINKE. hatte für die Sitzung des Innenausschusses des Deut-
schen Bundestages am 25. März 2015 einen Bericht zu den Problemen beim
Familiennachzug zu syrischen Flüchtlingen angefordert und auf schnelle Ab-
hilfe gedrängt. Erst mit einem Schreiben vom 4. Mai 2015 haben das Auswärtige
Amt (AA) und das Bundesministerium des Innern (BMI) an die Landesinnen-
behörden appelliert, zur Erleichterung des Familiennachzugs die erforderliche
interne Zustimmung der Ausländerbehörden zur Visumerteilung in Form einer
Globalzustimmung zu erteilen bzw. großzügig vom Mittel der Vorabzustim-

Drucksache 18/5690 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
mung Gebrauch zu machen und erleichterte Glaubhaftmachungen der Familien-
verhältnisse zu akzeptieren. Gegenüber den Auslandsvertretungen geschah
Letzteres mit Erlass vom 30. April 2015 (vgl. Bundestagsdrucksache 18/4993,
Antwort auf die Schriftliche Frage 27).
Eine Maßnahme der Verfahrensbeschleunigung bzw. -vereinfachung ist die
Möglichkeit einer Antragstellung bzw. Terminbeantragung per E-Mail, wie dies
seit Mai 2015 im Libanon praktiziert wird (vgl. Bundestagsdrucksache 18/4993,
Antwort auf die Schriftliche Frage 13). Obwohl das Verfahren seitens der Bun-
desregierung und auch von Beratungsstellen positiv bewertet wird, ist nicht
geplant, es z. B. auch in der Türkei einzuführen (vgl. ebd.), ohne dass dies von
der Bundesregierung – auch auf Nachfragen hin – nachvollziehbar begründet
wurde: So würden bei der Terminvergabe durch den privaten Dienstleister
iDATA in der Türkei die „Ressourcen effizient“ genutzt und das Terminangebot
entspreche den „für die Bearbeitung von Visumanträgen zur Verfügung stehen-
den Kapazitäten“ (Bundestagsdrucksache 18/5161, Antwort auf die Schriftliche
Frage 29). Bei iDATA könnten Termine zudem „ohne zeitliche Begrenzung“
vereinbart werden, was im Libanon nicht möglich sei (Plenarprotokoll 18/114,
S. 11033, Anlage 39) – doch der Verweis auf die Möglichkeit einer Termin-
vereinbarung erst in einem Jahr hilft den Betroffenen nicht weiter. In Bezug auf
den Libanon hatte die Bundesregierung erklärt, das E-Mail-Verfahren führe zu
einem „zeitlichen Gewinn bei der Bearbeitung am Schalter, wodurch weitere
Annahmekapazitäten gewonnen werden können“, „gleichzeitig ermöglicht es
dieses Verfahren, der unrichtigen Vorstellung entgegenzutreten, dass Termine
nur gegen Bezahlung gebucht werden könnten, und vermag so unseriöse Ange-
bote von Agenturen zu diskreditieren“ (Bundestagsdrucksache 18/4993, Ant-
wort auf die Schriftliche Frage 13, S. 10). Warum diese Vorteile für die Türkei
nicht genutzt werden sollen, wo die Wartezeiten besonders lang sind und eben-
falls Terminhändler Geschäfte machen, bleibt unverständlich. Schließlich könn-
ten per E-Mail eingereichte Anträge und Unterlagen auch durch Mitarbeiter in
Deutschland oder anderswo bearbeitet werden, um das Personal vor Ort zu ent-
lasten.
Ein weiteres Problem ist, dass in den Auslandsvertretungen im Irak (Erbil) „nur
in Ausnahmefällen“ Visaanträge zur Familienzusammenführung angenommen
werden – „in der Regel“ werden die Antragsteller „nach Ankara verwiesen“
(Brief der Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer vom 23. Juni 2015 an die
Abgeordnete Ulla Jelpke). In der ARD-Sendung „Kontraste“ vom 18. Juni 2015
hatte der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, noch
erklärt, dass er sich nicht vorstellen könne, dass dies „der Wahrheit entspricht“.
Allerdings arbeitet das AA nach eigenen Angaben derzeit daran, die Visumstelle
in Erbil auszubauen und sie durch eine Personalaufstockung in die Lage zu ver-
setzen, weitere Aufgaben zu übernehmen (ebd.).
In der Medienberichterstattung wurden in der letzten Zeit sowohl die langen
Wartezeiten als auch Missstände bei der Terminvergabe und ein Schwarzhandel
mit Terminen zur Vorsprache in Visaangelegenheiten mehrfach thematisiert
(vgl. den Bericht des Magazins „Kontraste“ vom 18. Juni 2015 „Auswärtiges
Amt lässt syrische Ehefrauen mit Kindern im Stich“, und des Magazins „Moni-
tor“ vom 2. Juli 2015 „Botschaftstermine gegen Bares – Geschäftemacherei mit
syrischen Flüchtlingen“). Die Bundesregierung hält den zahlreichen überein-
stimmenden Betroffenenberichten entgegen, ein betrügerischer Terminhandel
sei technisch gar nicht möglich, bisher habe sich auch kein Verdacht gegen Mit-
arbeiter des AA erhärtet (Stellungnahme des AA vom 9. Juli 2015).
Auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 17. Juni 2015 nach
den aktuellen Wartezeiten für die Beantragung eines Visums zur Familienzu-
sammenführung mit in Deutschland anerkannten syrischen Flüchtlingen bei den
deutschen Visastellen in der Region um Syrien fehlte in der Antwort von Staats-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5690
ministerin Prof. Dr. Maria Böhmer jede konkrete Aussage hierzu. Zwar wurde
ein starker Anstieg der Antragszahlen eingeräumt; die Wartezeiten hätten „seit
Anfang 2015 jedoch wieder verringert“ werden können, hieß es. Die Fragestel-
ler werten diese Auskunft als Täuschung des Parlaments. Nach einer Be-
schwerde über die teilweise Nicht-Beantwortung der Frage lieferte die Staats-
ministerin Prof. Dr. Maria Böhmer am 23. Juni 2015 dann die zunächst zurück-
gehaltenen Zahlen nach: Die Wartezeit beim Nachzug zu syrischen Flüchtlingen
hatte sich in der Türkei zuletzt nicht etwa verringert, wie zunächst behauptet,
sondern sogar noch verlängert: In Istanbul betrug sie Ende April 2015 beispiels-
weise neun Monate (vgl. Bundestagsdrucksache 18/4765), nunmehr hieß es, ent-
sprechende Termine seien in der Türkei erst wieder ab April bzw. Juni 2016 ver-
fügbar – das bedeutet eine Wartezeit von bis zu einem Jahr, um überhaupt einen
Visumantrag stellen zu können. Auch in Kairo und Riad sind die Wartezeiten mit
bis zu sechs Monaten sehr lang, in Erbil können Betroffene, wie dargelegt, im
Regelfall gar keinen Antrag stellen.
Zudem gibt es Informationen, dass in den deutschen Auslandvertretungen in der
Türkei derzeit keine Reisedokumente mehr ausgestellt werden, da diese von den
türkischen Behörden nicht mehr anerkannt würden (Auskunft eines Mitarbeiters
des Generalkonsulats Istanbul vom 9. Juni 2015, die den Fragestellern vorliegt).
Die deutschen Auslandsvertretungen können einen „Reiseausweis für Auslän-
der“ als Passersatz ausstellen, wenn keine originären Reisedokumente vorliegen
und die Identität der Betroffenen anders glaubhaft gemacht werden kann.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat das AA darüber, dass derzeit in den deutschen Aus-

landsvertretungen in der Türkei keine neuen Reiseausweise für syrische
Flüchtlinge bzw. deren Familienangehörige mehr ausgestellt werden, weil
die türkischen Behörden deutsche Reiseausweise trotz gültiger Visa für die
Ausreise angeblich nicht mehr akzeptierten, und was unternimmt sie diesbe-
züglich?
a) Worauf beruht nach Kenntnis der Bundesregierung die gegebenenfalls ge-

änderte Praxis der türkischen Behörden, und wie wurde dies gegenüber
der Bundesregierung bzw. gegenüber deutschen Behörden begründet?

b) Wie haben das AA bzw. deutsche Behörden hierauf reagiert, und ist ein
solches Vorgehen der Türkei rechtlich überhaupt zulässig?

c) Welche Möglichkeiten gibt es, Einfluss bzw. Druck auf die Türkei bzw.
die türkischen Behörden auszuüben, damit deutsche Reiseausweise im
Rahmen der Familienzusammenführung wieder akzeptiert werden oder
damit die Türkei entsprechende Ersatzdokumente für syrische Staatsange-
hörige in diesen Fällen ausstellt (bitte darlegen, welche Anstrengungen
bereits unternommen wurden bzw. geplant sind)?

d) Wie viele Reiseausweise wurden seit Januar 2015 von den deutschen Aus-
landsvertretungen in der Türkei für syrische Flüchtlinge bzw. deren Fami-
lienangehörigen ausgestellt (bitte ausführen, in wie vielen Fällen von
jeweils welchen Auslandsvertretungen neue Reisedokumente ausgestellt
wurden, und falls möglich unter Angabe des Monats der Ausstellung)?

e) Warum stellen die deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei in diesen
Fällen keine deutschen Reiseausweise mehr aus, obwohl dies den Betrof-
fenen und den deutschen Behörden im jeweiligen Einzelfall die Möglich-
keit eröffnen würde, gegenüber den türkischen Behörden auf eine Ausrei-
semöglichkeit der Inhaber der Reiseausweise hinzuwirken?

f) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung vergleichbare Probleme in an-
deren Ländern (bitte darlegen)?

Drucksache 18/5690 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele der syrischen Antragsteller, die bei den deutschen Vertretungen in
der Türkei im Zeitraum seit Januar 2015 ein Visum zur Familienzusammen-
führung mit in Deutschland anerkannten Flüchtlingen beantragt haben, ver-
fügten zu diesem Zeitpunkt über einen gültigen syrischen Reisepass, bzw.
wie viele entsprechende Visa wurden in einen gültigen syrischen Reisepass
bzw. in deutsche Reiseausweise eingetragen (bitte Anzahl in Prozent im Ver-
hältnis zu der Gesamtzahl der Antragsteller sowie absolute Zahlen angeben)?

3. Welche Kenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu der
Frage vor, ob und unter welchen Bedingungen von den zuständigen syrischen
Stellen neue syrische Reisepässe ausgestellt werden, oder ob lediglich bereits
vorliegende Reisepässe verlängert werden?

4. Welche Informationen liegen dem AA zu möglichen Ausreiseschwierigkei-
ten aus der Türkei bei Vorlage neu ausgestellter syrischer Reisedokumente
vor, und worauf sind solche Schwierigkeiten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung zurückzuführen?

5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den anfallenden Kosten für
die Ausstellung neuer Reisedokumente bei den zuständigen Stellen in Syrien
bzw. in syrischen Botschaften (insbesondere Höhe, Variabilität und Ange-
messenheit der Kosten)?
a) Welche Kenntnisse oder Hinweise hat die Bundesregierung dazu, inwie-

fern die für die Ausstellung neuer syrischer Reisedokumente eingenom-
menen Gebühren dazu verwendet werden, die syrische Regierung und
damit eine Kampfpartei im syrischen Bürgerkrieg zu finanzieren, und
inwieweit wird von deutschen Auslandsvertretungen bei der Frage, ob die
Beschaffung syrischer Reisedokumente zumutbar ist, berücksichtigt, dass
Regimegegner befürchten, entsprechende Gebühren könnten das Regime
bzw. den Krieg direkt oder indirekt unterstützen oder fördern (bitte aus-
führen)?

b) Inwieweit kann die Bundesregierung Berichte von syrischen Betroffenen
(entsprechende Hinweise liegen den Fragestellern vor) bestätigen, dass
pro Ausstellung eines syrischen Reisepasses zwischen 400 und 800 Dollar
bezahlt werden müssen, und inwieweit ist es vorstellbar, dass die in der
Praxis gezahlten Gebühren aufgrund von Korruption oder anderer Miss-
stände über den offiziellen Gebühren liegen (bitte darlegen)?

c) Inwieweit wurde die in einer E-Mail vom 15. Juli 2015 vom Parlaments-
und Kabinettsreferat an die Fragesteller wiedergegebene Auskunft der
syrischen Botschaft in Beirut, wonach die Gebühren der Ausstellung eines
Reisepasses in Syrien etwa 72 Dollar betrügen, in syrischen Auslandsver-
tretungen jedoch höher sein können, vom AA unabhängig überprüft, und
wie hoch sind die höheren Gebühren in syrischen Auslandsvertretungen in
den Anrainerstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte darlegen)?

d) Ab welcher Geldsumme bzw. bei Vorliegen welcher Umstände gehen die
deutschen Auslandsvertretungen davon aus, dass die Gebühren für die
Ausstellung syrischer Reisepässe unzumutbar hoch sind, so dass deutsche
Reiseausweise ausgestellt werden, und inwieweit wird dabei die konkrete
Lebens- und Einkommenssituation der Betroffenen berücksichtigt (etwa,
wenn diese aufgrund ihrer Notlage auch Gebühren von wenigen Hundert
Dollar nicht aufbringen können)?
Inwieweit werden dabei auch Kosten berücksichtigt, die im Zusammen-
hang der Passausstellung stehen und z. B. für Rechtsanwälte und Kurier-
dienste aufgewandt werden müssen (bitte darlegen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5690
e) Inwieweit wird bei der Frage einer Zumutbarkeit der Beschaffung eines
syrischen Reisedokuments berücksichtigt, dass von anerkannten Flücht-
lingen nicht verlangt werden darf, dass diese sich an die Botschaften
ihres Herkunftsstaates wenden, und inwieweit darf dies von Angehöri-
gen anerkannter Flüchtlinge verlangt werden (bitte darlegen)?

6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus vorliegenden Berichten dazu (vgl. www.dw.com/de/der-kampf-der-
syrer-um-p%C3%A4sse/a-18310477), dass bei konsularischen Diensten
syrischer Botschaften, etwa der Ausgabe syrischer Reisedokumente, zwi-
schen regimekritischen und regimekonformen syrischen Bürgerinnen und
Bürgern unterschieden wird und keine Angaben zur Bearbeitungsdauer bei
der Passerteilung gemacht werden können, und inwieweit werden solche
Hinweise bei der Frage berücksichtigt, ob es zumutbar ist, Angehörige von
in Deutschland anerkannten syrischen Flüchtlingen auf syrische Botschaf-
ten zur Passbeantragung zu verweisen, statt deutsche Reiseausweise auszu-
stellen (bitte ausführen)?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung dazu vor, wie lange die
Ausstellung eines syrischen Reisepasses derzeit dauern kann (in Syrien und
in syrischen Botschaften und Konsulaten sowie im Durchschnitt bzw. in
problematischen Fällen)?

8. Wie soll nach Kenntnis der Bundesregierung der angekündigte Ausbau der
Visastelle des Generalkonsulates in Erbil gestaltet werden, welche konkre-
ten Maßnahmen sind für welchen Zeitraum geplant (bitte genau mit Datum
auflisten), wie soll insbesondere die Visabeantragung zur Familienzusam-
menführung mit in Deutschland anerkannten syrischen Flüchtlingen ermög-
licht werden, und ist diesbezüglich die Einführung eines Terminvergabesys-
tems per E-Mail, wie im Libanon praktiziert, vorgesehen (bitte ausführen)?

9. Wann betrug nach Kenntnis der Bundesregierung die Wartezeit für einen
Termin zur Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung mit
syrischen Flüchtlingen in einzelnen Visastellen (welchen) der Türkei oder
in Beirut erstmals über drei Monate, was wurde daraufhin wann konkret zur
Reduzierung der Wartezeit unternommen (bitte auflisten), und welche wei-
teren Maßnahmen sind geplant, um die Wartezeiten zukünftig deutlich zu
verkürzen (bitte auflisten und ausführen)?

10. Stimmt die Bundesregierung zu, dass nach Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie
2003/86/EG vom 22. September 2003 insgesamt nur eine maximal neun-
monatige Bearbeitungszeit in Familienzusammenführungsverfahren zuläs-
sig ist (wenn nein, bitte darlegen und begründen)?
a) Stimmt sie weiter zu, dass bei der Berechnung dieser Frist auch die War-

tezeit bis zur Vorsprache zur Antragstellung berücksichtigt werden muss
(wenn nein, bitte darlegen und begründen)?

b) Stimmt sie weiter zu, dass eine Verlängerung dieser Frist nur in Ausnah-
mefällen aufgrund von Schwierigkeiten bei der Antragsprüfung zulässig
ist (Artikel 5 Absatz 4 Satz 2 der Richtlinie) und dies im Regelfall bei
den Nachzugsverfahren zu syrischen Flüchtlingen in den deutschen Vi-
sastellen in der Türkei oder dem Libanon nicht der Fall ist, sondern sich
die lange Wartezeiten vielmehr vor allem aus fehlenden Arbeitskapazi-
täten und der der Vielzahl der Fälle ergeben (wenn nein, bitte darlegen
und begründen)?

Drucksache 18/5690 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Stimmt sie zu, dass die Praxis der deutschen Auslandsvertretungen in der
Türkei aufgrund von Wartezeiten von bis zu einem Jahr bis zur Vorspra-
che gegen die EU-Familienzusammenführungsrichtlinie verstößt (wenn
nein, bitte darlegen und begründen), und was unternimmt die Bundes-
regierung, um diesen möglichen Verstoß gegen EU-Recht schnellstmög-
lich zu beenden?

11. Wie lang sind derzeit in den deutschen Auslandsvertretungen in der Region
um Syrien die Wartezeiten auf einen Termin zur Vorsprache zur Beantra-
gung eines Visums zur Familienzusammenführung mit in Deutschland le-
benden, anerkannten syrischen Flüchtlingen (bitte nach Visastellen diffe-
renzieren), und wie lang sind die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten
entsprechender Anträge bis zur Visumerteilung (falls zu Letzterem keine
konkreten Daten vorliegen sollten, bitte Einschätzungen fachkundiger Be-
diensteter angeben)?

12. In welcher Weise wird in Deutschland Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie
2003/86/ EG vom 22. September 2003 umgesetzt (bitte entsprechende Ver-
waltungshinweise, Erlasse, Rechtsprechung usw. angeben), was beinhaltet
diese Vorschrift nach Ansicht der Bundesregierung genau, und was folgt
aus ihr (bitte darlegen)?
a) Stimmt die Bundesregierung zu, dass es Ziel dieser Vorschrift ist, den

Familiennachzug zu Flüchtlingen zu erleichtern aufgrund der Besonder-
heiten der Situation, in der sich Flüchtlinge und ihre Angehörigen zu-
meist befinden (problematischer Kontakt für Flüchtlinge zu Behörden
des Herkunftslands bzw. des Verfolgerstaats, bürgerkriegsbedingte Be-
einträchtigungen des staatlichen Dokumentenwesens, Auslandsaufent-
halt usw.) und in der keine überhöhten Anforderungen an den Nachweis
der Familienzugehörigkeit bzw. an vorzulegende Dokumente im Allge-
meinen gestellt werden sollten (wenn nein, bitte darlegen und begrün-
den)?

b) Warum wurde erst Ende April bzw. Anfang Mai 2015 seitens der Bun-
desregierung gegenüber den deutschen Auslandsvertretungen bzw. den
Innen- und Ausländerbehörden der Länder die Vorgabe gemacht bzw.
angeregt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/4993, Antwort auf die Schrift-
liche Frage 27), dass eine qualifizierte Glaubhaftmachung der Familien-
verhältnisse beim Nachzug zu syrischen Flüchtlingen genügen soll,
wenn keine legalisierten Personenstandsurkunden vorliegen trotz der
Regelung in Artikel 11 Absatz 2 der Familienzusammenführungsricht-
linie (bitte darlegen)?

c) In Bezug auf welche weiteren Herkunftsländer gilt der Grundsatz, dass
beim Familiennachzug gegebenenfalls eine qualifizierte Glaubhaftma-
chung der Familienverhältnisse zu anerkannten Flüchtlingen genügen
soll oder gilt dies allgemein (bitte darlegen)?
Falls dieser Grundsatz nicht generell gelten sollte, wie ist dies mit Arti-
kel 11 Absatz 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie zu verein-
baren, um eine Erleichterung beim Nachzug zu syrischen Flüchtlingen
zu begründen (bitte darlegen)?

d) Was hat die Bundesregierung bislang unternommen, damit die Regelung
des Artikels 11 Absatz 2 auch beim Familiennachzug zu anderen als
syrischen Flüchtlingen beachtet und in die Praxis umgesetzt wird (bitte
konkret darlegen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5690
13. Was genau sind nach Kenntnis der Bundesregierung mögliche Probleme
und warum dauert es bis Ende August 2015 (vgl. Plenarprotokoll 18/114,
Anlage 39), einen automatisierten Datenabgleich im Ausländerzentralregis-
ter (AZR) zur Klärung des Flüchtlingsstatus einzurichten, der von einigen
Bundesländern zur Bedingung einer Globalzustimmung im Visumverfah-
ren gemacht wird (ebd.); welche Bundesländer stellen diese Bedingung,
und warum sind andere Bundesländer zur Globalzustimmung auch ohne
entsprechende Änderung des AZR bereit (bitte ausführen)?

14. Welche Bundesländer haben inzwischen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung erklärt, beim Familiennachzug zu syrischen Flüchtlingen Globalzu-
stimmungen zu erteilen und/oder andere Erleichterungen zu ergreifen (bitte
aufführen), welche Begründungen nennen die Bundesländer, die nicht zu
entsprechenden Erleichterungen bereit sind für ihre Entscheidung, und in
welcher Weise wirkt die Bundesregierung auf diese Bundesländer ein, vor
dem Hintergrund der Vorschrift in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2003/
86/EG vom 22. September 2003, die Erleichterungen des Nachweises fami-
liärer Bindungen beim Nachzug zu Flüchtlingen vorsieht (bitte ausführen)?

15. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus Berichten von Beratungsstellen, die den Fragestellern vorliegen, wo-
nach
a) mit dem E-Mail-Verfahren im Libanon gute Erfahrungen gemacht wer-

den (so würden etwa zeitnah Termine nach einer Antragstellung ver-
geben – sechs bis acht Wochen, in Einzelfällen bereits nach einer Wo-
che), woran liegt es, wenn in Einzelfällen auch nach vielen Wochen noch
keine Rückmeldung vorliegt, und wie sollen sich Betroffene in solchen
Fällen verhalten (gibt es Eingangsbestätigungen, Zwischenmeldungen,
Rückfragen, Hinweise durch die Visastellen),

b) in Fällen, in denen das E-Mail-Verfahren nicht anwendbar ist (etwa,
wenn keine Pässe oder kein Familienbuch vorliegen), über das Online-
terminsystem im Libanon faktisch nach wie vor keine Termine online
buchbar sind, d. h. ohne die Hilfe von Terminhändlern,

c) es eine uneinheitliche Praxis der Visavergabe gibt, weil teilweise Aus-
nahmen von der Passpflicht gemacht werden, teilweise jedoch nicht, und
in letzteren Fällen dann auch kein Visum erteilt wird,

d) von der Auslandsvertretung in Beirut in zumindest einem Fall geltend
gemacht wurde, der Zivilregisterauszug sei nur drei Monate lang gültig,

e) die Visavergabe von dem vorherigen Abschluss einer Krankenversiche-
rung abhängig gemacht wird (Beirut und Izmir), und wäre dies überhaupt
rechtens?

16. Warum wird in der Türkei beim Familiennachzug zu syrischen Schutzbe-
rechtigten nicht ein Antragsverfahren per E-Mail ermöglicht, wie dies seit
Mai 2015 im Libanon praktiziert wird (vgl. Bundestagsdrucksache 18/
4993, Antwort auf die Schriftliche Frage 13), obwohl die Wartezeiten in der
Türkei lang sind und die von der Bundesregierung benannten Vorteile nach
Auffassung der Fragesteller auch für die Türkei gelten würden (bitte nach-
vollziehbar begründen, alle bisherigen Antworten der Bundesregierung zu
dieser Frage waren nach Ansicht der Fragesteller nicht nachvollziehbar,
siehe Vorbemerkung der Fragesteller)?

17. Erwägt oder praktiziert die Bundesregierung die Möglichkeit, per E-Mail
eingereichte Visumanträge durch Mitarbeiterkapazitäten in Deutschland
prüfen und bearbeiten zu lassen, um die Kräfte vor Ort zu entlasten, und
wenn nein, warum nicht (bitte ausführen)?

Drucksache 18/5690 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht das AA aus einer den
Fragestellern vorliegenden E-Mail-Auskunft des Generalkonsulats in Istan-
bul vom 18. Juni 2015 an einen Betroffenen, wonach Personenstandsurkun-
den weiter legalisiert werden müssten und diese zu diesem Zweck nach Bei-
rut geschickt worden seien, „da nicht abzusehen ist, wann und ob Legali-
sierungen künftig auch in Istanbul durchgeführt werden können“, obwohl
die Botschaft in Ankara sowie die Generalkonsulate in Izmir und Istanbul
bereits mit Schreiben vom 30. April 2015 vom AA ermächtigt wurden, Le-
galisationen syrischer Urkunden zur Vereinfachung des Familiennachzugs
zu syrischen Schutzberechtigten vorzunehmen; wie ist der aktuelle Stand,
und was unternimmt das AA, um die Ermächtigung vom 30. April 2015
auch in die Praxis umzusetzen?

19. Wie ist die personelle Besetzung der deutschen Visastellen in der Türkei
und in den Anrainerstaaten Syriens seit dem Jahr 2010 (bitte nach Visastel-
len, eingesetzten Personal – Ortskräfte bzw. Entsandte – Qualifikation und
Jahr differenzieren)?
a) Ist die personelle Besetzung der Auslandsvertretungen in der Türkei und

im Irak bzw. in der Region Irak/Kurdistan nach Auffassung der Bundes-
regierung ausreichend oder bedarf sie einer Aufstockung (bitte begrün-
den)?

b) Nach welchen Kriterien wird nach Kenntnis der Bundesregierung über
den Personalbedarf an den jeweiligen Auslandsvertretungen entschie-
den, und warum wurde die möglicherweise erforderliche Personalaufsto-
ckung angesichts von zehntausenden Anerkennungen syrischer Flücht-
linge in Deutschland nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erkannt
und umgesetzt?

Berlin, den 29. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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