BT-Drucksache 18/5670

Autobahn A 100 im Zuge des neuen Bundesverkehrswegeplans 2015

Vom 24. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5670
18. Wahlperiode 24.07.2015
Kleine Anfrage

der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel,
Tabea Rößner, Markus Tressel, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Oliver Krischer,
Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Nicole Maisch, Peter Meiwald und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Autobahn 100 im Zuge des neuen Bundesverkehrswegeplans 2015

Mit Kosten in Höhe von mindestens 473 Mio. Euro ist der im Bau befindliche
16. Bauabschnitt (BA) der Stadtautobahn 100 vom Autobahndreieck Neukölln
bis zur Anschlussstelle „Am Treptower Park“ mit einer Länge von 3,2 km einer
der bisher teuersten Autobahnabschnitte Deutschlands (je Kilometer).
Nach den Vorstellungen der Berliner Landesregierung soll dieser Abschnitt
durch einen 17. BA von der Anschlussstelle „Am Treptower Park“ bis zur Stor-
kower Straße ergänzt werden. Der entsprechende Abschnitt wurde vom Land
Berlin im Zuge der Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP)
2015 an den Bund gemeldet.
Gemäß der Grundkonzeption für den BVWP 2015 („Alles kommt auf den Prüf-
stand“) sollen Vorhaben, die noch nicht begonnen wurden bzw. nicht bis zum
Jahr 2015 in Bau gehen, erneut bewertet werden (www.bmvi.de/SharedDocs/
DE/Artikel/G/bundesverkehrswegeplan-2015-grundkonzeption.html).
Im BVWP 2003 ist der 17. BA der unteren Dringlichkeitsstufe „Weiterer Be-
darf“ zugeordnet. Wie aus der Antwort des Senats von Berlin auf eine Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus von Berlin
hervorgeht, fanden erst kürzlich Umplanungen bezüglich der ursprünglich ge-
planten Anschlussstelle Frankfurter Allee statt (Drucksache 17/16317 des Ab-
geordnetenhauses Berlin). Konkrete Aussagen zur Spreequerung, zu vorgesehe-
nen Anschlussstellen, zur Bautechnologie des Doppelstocktunnels oder zu den
städtebaulichen Auswirkungen, wie zum Beispiel der Anzahl abzureißender
Wohnhäuser, konnten durch den Senat bisher nicht getroffen werden.
Trotz dieses frühen Planungsstadiums betrachtet die Bundesregierung den
17. BA zusammen mit dem 16. BA jedoch als ein laufendes Vorhaben („in Bau“)
und ist daher als sogenannter Bezugsfall in der Projektliste des neuen BVWP
2015 enthalten. Dadurch werden weder eine Überprüfung noch ein aktueller
Nachweis durch den Bund erforderlich, dass das Projekt gesamtwirtschaftlich
sinnvoll und notwendig ist.

Drucksache 18/5670 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründet wird die Aufnahme des 17. BA trotz des frühen Planungsstandes
damit, dass der volle verkehrliche Nutzen nur durch die Fertigstellung des kom-
pletten zweiteiligen A-100-Projektes erreicht werde (Drucksache 17/16317 des
Abgeordnetenhauses Berlin).
Generell erfordert eine korrekte Abschnittsbildung, dass der jeweilige Teilab-
schnitt eine selbstständige Verkehrsfunktion besitzt (vgl. BVerwG, Urteil vom
10. Oktober 2012 – 9 A 19.11).
Auch das Land Berlin betont den eigenständigen Verkehrsnutzen des 16. BA
und bestätigt, dass „die Funktionsfähigkeit der Straße auch ohne späteren Wei-
terbau auf Dauer gegeben wäre“ (www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/
politik_planung/strassen_kfz/a100/de/diskussion.shtml). Diese Aussage steht
im Widerspruch zur ungeprüften Aufnahme des 17. BA als Bezugsfall in den
neuen BVWP 2015.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Befindet sich der 17. BA der A 100 nach Auffassung der Bundesregierung

„im Bau“?
Wenn ja, inwiefern
a) ist diese Einstufung vereinbar damit, dass bisher kein Planfeststellungsbe-

schluss vorliegt,
b) ist diese Einstufung vereinbar damit, dass eine vorgenommene Zusatzun-

tersuchung der Auftragsverwaltung des Landes Berlin Probleme bei der
verkehrlichen und städtebaulichen Integrierung der Anschlussstelle
Frankfurter Allee aufgezeigt hat,

c) ist diese Einstufung vereinbar damit, dass bisher keine konkreten Aus-
sagen zur Lage der Anschlussstellen, zur Spreequerung, dem Bau des
Doppelstocktunnels und der Inanspruchnahme von Grundstücken getätigt
werden konnten,

d) ist diese Einstufung vereinbar damit, dass bei der Planfeststellung der Vor-
sorgemaßnahmen unter dem Bahnhof Ostkreuz vom Vorhabenträger aus-
drücklich bestätigt wurde, dass dadurch keine Vorfestlegung zum Bau der
Autobahn getroffen wird (Planfeststellungsbeschluss Umbaumaßnahmen
Bahnhof Ostkreuz aus dem Jahr 2006, S. 101)?

Wenn nein, warum nicht, und welche Konsequenzen hat das für die Bewer-
tung dieses Abschnitts im Rahmen des neuen BVWP 2015?

2. In welchem Planungsstadium befindet sich der 17. BA nach Kenntnis der
Bundesregierung, und bis wann rechnet sie mit einem Planfeststellungsbe-
schluss des 17. BA?

3. Wird der 17. BA der A 100 im Zuge der Aufstellung des neuen Bundesver-
kehrswegeplans zurzeit einer Bewertung unterzogen?
Wenn ja, inwiefern
Wenn nein,
a) warum nicht,
b) inwiefern sieht die Bundesregierung diesen Sachverhalt vereinbar mit

dem in der Grundkonzeption für den BVWP 2015 angegebenen Grund-
satz, dass alle Vorhaben einer erneuten Prüfung unterzogen werden, wenn
ein Baubeginn bis Ende 2015 nicht zu erwarten ist („Alles kommt auf den
Prüfstand“, www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/
bundesverkehrswegeplan-2015-grundkonzeption.html),

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5670
c) inwiefern betrachtet die Bundesregierung diesen Sachverhalt als eine Aus-
nahme von dem in Frage 3b genannten Grundsatz?

d) auf Basis welcher Bewertungsergebnisse kann die Bundesregierung den
Nachweis erbringen, dass das Vorhaben 17. BA gesamtwirtschaftlich
sinnvoll und notwendig ist (bitte Daten bzw. Bewertungsparameter sowie
eventuell vorliegende Bewertungsergebnisse aufzeigen unter Angabe des
jeweiligen Erstellungsdatums)?

4. Wie definiert die Bundesregierung generell ein im „Bau“ befindliches Vor-
haben im Zusammenhang mit der Aufstellung des BVWP 2015, und handelt
es sich dabei immer um Projekte, für das der Planfeststellungsbeschluss vor-
liegt und das im Straßenbauplan (Anhang des Bundeshaushalts) veranschlagt
wurde?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass der Öffent-
lichkeit nur schwer zu vermitteln wäre, wenn ein Vorhaben als „in Bau“ an-
gesehen würde, obwohl bisher nicht einmal ein Planfeststellungsverfahren
eingeleitet worden ist?
Wenn nein, warum nicht?

6. Welche weiteren für die Überprüfung im Zuge der Aufstellung des BVWP
2015 angemeldeten Vorhaben bzw. Teilvorhaben (inklusive einzelner BA)
werden von der Bundesregierung als „laufendes Vorhaben“ angesehen und
damit dem Bezugsfall des neuen BVWP zugeteilt, obwohl ein Planfeststel-
lungsbeschluss bisher nicht vorliegt (Vorhaben bitte einzeln unter Angabe der
Projektnummer, des Planungstandes, der Kosten sowie zuletzt berechnetem
Nutzen-Kosten-Verhältnis angeben)?

7. Gilt weiterhin der Grundsatz, dass bei BA von Bundesfernstraßen im Zuge
der Planfeststellung jeweils eine eigenständige Verkehrsfunktion nachgewie-
sen werden muss?
Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den
16. BA der A 100 isoliert?
Wenn nein, warum nicht?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der 16. BA eine eigenständige
Verkehrsfunktion aufweist?
Wenn ja,
a) welche,
b) bedeutet dies, dass der 16. BA, wie im Verfahren vor dem Bundesverwal-

tungsgericht dargestellt, eigenständig funktionsfähig ist,
c) inwiefern steht dies nach Auffassung der Bundesregierung im Wider-

spruch zu der Antwort des Berliner Senats zu den Fragen 12 und 13 der
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Berliner Abge-
ordnetenhaus zum aktuellen Planungsstand des 17. BA der A 100, in der
es heißt: „Das BMVI bekräftigt damit seine von Beginn an verfolgte Ziel-
stellung, dass der volle verkehrliche Nutzen nur durch die Fertigstellung
des kompletten zweiteiligen A 100-Projektes ,Verlängerung der Stadt-
autobahn in die östlichen Stadtbezirke’ (16. BA + 17. BA) erreicht wird“
(Drucksache 17/16317 des Abgeordnetenhauses Berlin)?

Wenn nein,
a) warum nicht, und
b) inwiefern steht dies im Widerspruch zu den bisherigen Planungen?

Drucksache 18/5670 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
9. Wird die Verkehrsfunktion der Autobahnverlängerung nur durch den Bau
beider Bauabschnitte erfüllt?
Wenn ja, wie hoch ist der verkehrliche Nutzen des 16. und 17. Planungsab-
schnitts der A 100?

10. a) Von welchem Nutzen-Kosten-Verhältnis geht die Bundesregierung in
Hinblick auf den 16. BA aktuell aus, und wann wurde dies zuletzt ak-
tualisiert?

b) Wie hoch wurden der Nutzen, und wie hoch die Kosten bei der Berech-
nung angesetzt (bitte nach Berechnungsparametern aufschlüsseln)?

c) Inwiefern wurde bei der damaligen Nutzen-Kosten-Berechnung für den
16. BA schon von einem Bau des 17. BA ausgegangen, obwohl dieser
aktuell nur dem „Weiteren Bedarf“ zugeordnet ist, und welche Aus-
wikungen hat dies auf das berechnete Nutzen-Kosten-Verhältnis?

11. Bedeutet die in der Antwort zu Frage Frage 10c wiedergegebene Argumen-
tation seitens des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruk-
tur (BMVI), dass die Berechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses allein
für den 16. BA fehlerhaft oder gar unzulässig war?
Wenn ja, welche Konsequenzen werden daraus für zukünftige Berechnun-
gen des verkehrlichen Nutzens von Autobahnabschnitten getroffen?
Wenn nein, wie stimmt dies mit der Aufnahme des 17. BA in den Bezugsfall
des neuen BVWP überein, ohne diesen einer erneuten Bewertung zu unter-
ziehen?

12. Inwiefern bedeutet die Aufnahme des 17. BA in den Bezugsfall des neuen
BVWP, dass eine Nutzenberechnung für einzelne Autobahnabschnitte ge-
nerell ungeeignet ist, um deren verkehrlichen Nutzen eindeutig zu bestim-
men?

13. Geht die Bundesregierung in Bezug auf die Realisierung des 17. BA weiter-
hin von den vom Senat von Berlin genannten Kosten in Höhe von
531,2 Mio. Euro aus (Drucksache 17/12786 des Abgeordnetenhauses Ber-
lin)?
Wenn ja,
a) wie hoch ist der Anteil der Kosten für den Grunderwerb, und wieviel Flä-

che muss für den Bau erworben werden,
b) wann wurde die Kostenschätzung zuletzt aktualisiert,
c) inwiefern berücksichtigt die Kostenkalkulation bereits die Ergebnisse

der Zusatzuntersuchung für den 17. BA, in der die Einbindung des Au-
tobahnabschnitts in das Straßennetz und die Auswirkungen auf die Stor-
kower Straße betrachtet wurden,

d) inwiefern widerspricht die Tatsache, dass in Bezug auf die Planung des
17. BA weder Aussagen zur Spreequerung, zu Anschlussstellen, zur
Bautechnologie des Doppelstocktunnels, noch zu städtebaulichen Aus-
wirkungen getroffen werden können, nach Auffassung der Bundesregie-
rung einer realistischen Kostenschätzung?

Wenn nein, wie hoch sind die aktuell prognostizierten Kosten, und wie set-
zen sich diese zusammen (bitte Kosten für Grunderwerb separat inklusive
Flächenbedarf und Baukosten aufführen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5670
14. a) Von welchem Nutzen-Kosten-Verhältnis geht die Bundesregierung in
Hinblick auf den 17. BA aktuell aus, und wann wurde dies zuletzt ak-
tualisiert?

b) Wie hoch wurden der Nutzen, und wie hoch die Kosten angesetzt (bitte
nach Berechnungsparametern aufschlüsseln)?

15. Welche Daten hat das Land Berlin im Zuge der Anmeldung des 17. BA an
den Bund übermittelt (bitte vollständig aufzeigen)?

16. Haben bezüglich der Aufnahme des 17. BA in den Bezugsfall des BVWP
2015 Gespräche zwischen der Bundesregierung und Vertretern des Landes
Berlin stattgefunden?
Wenn ja, wann, und mit welchem Inhalt?

17. Bestehen bezüglich der Aufnahme des 17. BA in den Bezugsfall des BVWP
2015 Absprachen zwischen dem Land Berlin und dem Bund?
Wenn ja, mit welchem Inhalt?

Berlin, den 24. Juli 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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