BT-Drucksache 18/5668

Auswirkungen des § 19 Absatz 2 der Stromnetzentgeltverordnung und Befreiungen der Industrie von Stromnetzentgelten

Vom 24. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5668
18. Wahlperiode 24.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Christian Kühn (Tübingen),
Stephan Kühn (Dresden), Steffi Lemke, Nicole Maisch, Peter Meiwald,
Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen des § 19 Absatz 2 der Stromnetzentgeltverordnung und
Befreiungen der Industrie von Stromnetzentgelten

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) prüft und genehmigt Ausnahmen bei der Zah-
lung von Netzentgelten für einzelne Abnehmer auf Grundlage des § 19 der
Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV). Das für die Vereinbarung indivi-
dueller Netzentgelte vormals vorgesehene Genehmigungsverfahren wurde im
Jahr 2014 durch ein Anzeigeverfahren ersetzt. Das bedeutet, dass die Abrech-
nung von individuellen Netzentgelten nunmehr nicht von einer Genehmigung
abhängt, sondern vorbehaltlich einer Ex-post-Kontrolle durch die zuständige
Regulierungsbehörde erfolgt.
Die Netzentgelte haben am durchschnittlichen Gesamtstrompreis von Haus-
haltskunden einen Anteil von 22 Prozent und stellen somit eine wesentliche
Preiskomponente dar. Letztverbraucher, die aufgrund ihres besonderen Ver-
brauchsverhaltens einen individuellen Beitrag zur Senkung bzw. Vermeidung
von Netzkosten erbringen, zahlen verminderte Netzentgelte. Dabei wird zwi-
schen den atypischen (§ 19 Absatz 2 Satz 1 StromNEV) und stromintensiven
Netznutzern (§ 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV) unterschieden. Während die
atypischen Netznutzer ihre Spitzenlast in die lastschwachen Nebenzeiten des
Netzes verlagern, zeichnen sich die stromintensiven Netznutzer durch einen
gleichmäßigen und zugleich dauerhaften Strombezug aus. Zu den Profiteuren
dieser Ausnahmen zählen unter anderem industrieintensive Unternehmen, aber
auch Golfplätze oder Versicherungskonzerne. Für nichtprivilegierte Endver-
braucher, wie einfache Haushalts- und Gewerbekunden, machen die Ausnahmen
für die Industrie mittlerweile rund 0,25 Cent je Kilowattstunde aus. Insgesamt
sorgt diese Umlage derzeit für ein Umverteilungsvolumen von 800 Mio. Euro.
Im aktuellen Evaluierungsbericht der BNetzA zu § 19 Absatz 2 StromNEV
kritisiert die Behörde die derzeitige Regelung u. a. mit den Worten „geringe[r]
Nutzen im Hinblick auf Netzkostensenkungen oder Netzstabilität“, „falsche
Signalwirkungen durch nicht richtig gesetzte Anreize [durch den Gesetzgeber]“
sowie „erhebliches Potential an Mitnahmeeffekten“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Bewertet die Bundesregierung die Regelung des § 19 Absatz 2 Satz 1

StromNEV und das damit verbundene atypische Netznutzungsverhalten als
positiv in Bezug auf die Netzstabilität (bitte nach einzelnen Spannungsebe-
nen aufschlüsseln)?

Drucksache 18/5668 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Aussagen zur Netzdienlichkeit von § 19 Absatz 2 Satz 1 StromNEV
treffen nach Informationen der Bundesregierung die vier Übertragungsnetz-
betreiber (ÜNB)?

3. Welcher ÜNB spricht sich nach Kenntnis der Bundesregierung eindeutig für
die Beibehaltung der jetzigen Regelung der Ausnahmen in § 19 Absatz 2
Satz 2 StromNEV aus?

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung diesbezüglich aus dem
Evaluierungsbericht zu den Auswirkungen des § 19 Absatz 2 StromNEV
auf den Betrieb von Elektrizitätsversorgungsnetzen, und wird die Bundes-
regierung aufgrund des Evaluierungsberichtes Änderungen an § 19 Absatz 2
StromNEV vornehmen?

5. Wird die Bundesregierung der Empfehlung des BNetzA-Evaluierungsbe-
richtes folgen, wonach die Regelungen aus § 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV
dahingehend geändert werden sollten, dass Bandlastkunden nur dann be-
günstigt werden, wenn sie zugleich bereit und in der Lage sind, flexibel auf
Netzsituationen zu reagieren, und falls nein, warum nicht?

6. Wird die Bundesregierung der Empfehlung des BNetzA-Evaluierungsbe-
richtes folgen, wonach die Regelungsinhalte dahingehend geändert werden
sollten, dass ausschließlich Letztverbraucher, die in der Hochspannung oder
höheren Spannungsebenen angeschlossen sind, in den Genuss der Regelung
kommen, da überwiegend in diesen Spannungsebenen ein Zusammenhang
mit Must-run-Kapazitäten oder mit wirkungsvollen Reaktionen auf volatile
Einspeiseveränderungen hergestellt werden kann, und falls nein, warum
nicht?

7. Wird die Bundesregierung der Empfehlung des BNetzA-Evaluierungsbe-
richtes folgen, wonach das heutige Entlastungsvolumen aus § 19 Absatz 2
Satz 2 StromNEV gedeckelt werden sollte, um die Allgemeinheit der nicht-
privilegierten Letztverbraucher vor weiteren Kostensteigerungen über das
Umlagesystem zum § 19 StromNEV zu schützen, und falls nein, warum
nicht?

8. Von welchen „Mitnahmeeffekten“ (s. BNetzA-Evaluierungsbericht, S. 49)
geht die Bundesregierung konkret aus?

9. In welchem Maße geht die Bundesregierung von einer Anreizwirkung zur
atypischen Netznutzung auf den verschiedenen Spannungsebenen auf
Grundlage von § 19 Absatz 2 Satz 1 StromNEV aus?

10. Wie hoch ist der Verwaltungsaufwand durch § 19 Absatz 2 Satz 1 und 2
StromNEV, aufgeschlüsselt nach Arbeitskräften und finanzieller Höhe?

11. Welche Fehlanreize nach § 19 Absatz 2 StromNEV, wie etwa durchlaufen-
lassen von Maschinen, Entkopplung von Eigenerzeugungsanlagen etc., sind
der Bundesregierung konkret bekannt, und welche Konsequenzen zieht sie
daraus?

12. Wie viele Betriebe sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell im Rah-
men des § 19 Absatz 2 Satz 1 und 2 StromNEV bei den Netzentgelten ent-
lastet (sowohl BNetzA als auch genehmigte Befreiungen aus den Bundes-
ländern)?

Berlin, den 24. Juli 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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