BT-Drucksache 18/5632

Fragen zum Weißbuch Strommarktdesign und zur Kapazitätsreserve

Vom 21. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5632
18. Wahlperiode 21.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden,
Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, Nicole Maisch, Peter Meiwald,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fragen zum Weißbuch Strommarktdesign und zur Kapazitätsreserve

Mitte Oktober 2014 hatte die Bundesregierung ein Grünbuch Strommarktdesign
vorgelegt und damals für Mai 2015 ein Weißbuch Strommarkt nach Konsulta-
tionen mit der Energiebranche angekündigt. Knapp 700 Beiträge aus der Ener-
giebranche wurden eingereicht. Auf Grundlage dessen und vier Studien des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Strommarktde-
sign wurde Anfang Juli 2015 mit knapp zweimonatiger Verspätung das Weiß-
buch Strommarkt vorgelegt.
Das Weißbuch soll im Rahmen der Plattform Strommarkt im Sommer 2015 mit
den Bundestagsfraktionen, den Ländern, den Nachbarstaaten und der Euro-
päischen Kommission diskutiert werden. Danach sollen noch in diesem Jahr
Regelungsvorschläge für die entsprechenden Änderungen auf Gesetzes- und
Verordnungsebene verabschiedet werden. Es bildet zusammen mit dem „Eck-
punktepapier für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“, welches
einen Tag zuvor auf dem Energiegipfel im Kanzleramt verabschiedet wurde, den
Grundriss für ein neues Strommarktdesign.
Auf dem Energiegipfel am 1. Juli 2015 im Kanzleramt wurde eine Reihe von
Maßnahmen beschlossen, welche die Schließung der „Klimalücke“ bis zum Jahr
2020 absichern sollte. Ein Vorschlag sieht die Überführung alter Braunkohle-
kraftwerke in eine Kapazitätsreserve vor, bevor sie endgültig stillgelegt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Gesetze, Rechtsverordnungen, Normen usw. müssen im Rahmen der

Ankündigungen des Weißbuches Strommarktdesign und des Eckpunktepa-
piers Energiewende geändert werden, und wie sieht diesbezüglich der Zeit-
plan aus (bitte einzeln aufschlüsseln)?

2. Mit welchen Bundestagsfraktionen hat sich die Bundesregierung (auf Grund-
lage der Formulierung im Weißbuch Strommarkt u. a. auf Seite 13 „[…] und
den Bundestagsfraktionen hat sich das BMWi ausgiebig beraten“) ausge-
tauscht, und mit jeweils welchem Ergebnis (bitte unter Angabe des Datums
und der Teilnehmerinnen und Teilnehmer)?

3. Wann gab es diesbezüglich insbesondere Gespräche mit den Oppositions-
fraktionen?

4. Welche Gespräche sind im Rahmen des Konsultationsprozesses Weißbuch
Strommarkt mit den Bundestagsfraktionen – und in welchem Rahmen – vor-
gesehen?

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5. Was versteht die Bundesregierung unter „sehr hohen Anteilen erneuerbarer
Energien“, wenn sie im Weißbuch auf die Erforderlichkeit von neuartigen
Langzeitspeichern verweist, was ist mit „neuartigen Langzeitspeichern“ ge-
nau gemeint, und mit wie viel zeitlichem Vorlauf rechnet sie, um Wirtschaft-
lichkeit zu erzielen?

6. Plant die Bundesregierung, das Förderprogramm für dezentrale Batterie-
speichersysteme über das Jahr 2015 hinaus zu verlängern bzw. es neu auf-
zulegen?
Wenn ja, in welcher Höhe und Form, und wenn nein, warum nicht?

7. Welche Kraftwerke sind konkret im Projektionsbericht abgebildet, um auf
die CO2-Minderung von 37 Millionen Tonnen zu kommen?

8. Kann die Bundesregierung mit Sicherheit bestätigen, dass die Emissionsre-
duktion durch die am 1. Juli 2015 auf dem Energiegipfel vereinbarte Über-
führung von Braunkohlekraftwerken in die Kapazitätsreserve zusätzlich zu
den sowieso prognostizierten Reduktionen bis zum Jahr 2020 erfolgt?

9. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung unternehmen, um die Zu-
sätzlichkeit dieser Reduktionen abzusichern?

10. Welche der in die Kapazitätsreserve zu überführenden Braunkohlekraft-
werke sind schon im Projektionsbericht 2015 der Bundesregierung als bis
zum Jahr 2020 zu schließende Kraftwerke enthalten, und wenn welche ent-
halten sind, wie weit wird dadurch das CO2-Minderungs-Ziel verfehlt, und
wie gedenkt die Bundesregierung, die Lücke zur Zielerreichung von
37 Millionen Tonnen CO2 zu schließen?

11. Von welcher finanziellen Mehrbelastung für die Stromkunden geht die Bun-
desregierung für die Kraftwerke aus, die sowieso schon zur Stilllegung bis
zum Jahr 2020 ohne eine vertragliche Lösung mit damit verbundenen Zah-
lungen angemeldet waren und nun durch die vertragliche Lösung finanzielle
Mittel erhalten?

12. Kann die Bundesregierung mit Gewissheit sicherstellen, dass die im Projek-
tionsbericht angenommenen Stilllegungen wirklich stattfinden, und wenn
nicht, wie will sie das CO2-Einsparziel von 40 Prozent alternativ absichern?

13. Von welcher finanziellen Belastung geht die Bundesregierung durch die
vertragliche Lösung der Kapazitätsreserve von 2,7 GW (Gigawatt) jährlich
aus (ggf. bitte Spannbreite angeben), will die Bundesregierung dafür eine
neue Umlage schaffen oder eine bestehende Umlage (bitte namentlich nen-
nen) verwenden, und kann die Bundesregierung die Vorgabe von „zum Zeit-
punkt der Verhandlungen verfügbaren Marktdaten“ genauer spezifizieren?

14. Auf welcher Grundlage legt die Bundesregierung fest, in welcher zeitlichen
Reihenfolge jeweils welche Kraftwerksblöcke in die Kapazitätsreserve ge-
hen?

15. Schließt die Bundesregierung aus, dass es bei diesem Instrument Ausnah-
men für die energieintensive Industrie gibt, wie etwa bei der Umlage nach
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) oder den Netzentgelten, und falls
nein, wie passt dies mit ihrem Anspruch zusammen, die Stromkunden nicht
weiter zugunsten der Industrie zu belasten (www.deutschlandfunk.de vom
15. Oktober 2014 „Verbraucher werden nicht entlastet“)?

16. Von welcher Preissteigerung an der Strombörse geht die Bundesregierung
auf Grundlage ihrer Berechnungen durch die Kapazitätsreserve in den kom-
menden Jahren aus?

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17. Welche Modellierungen zur Veränderung des Merit-Order-Effekts durch die
Kapazitätsreserve gibt es innerhalb der Bundesregierung, und wie viel
Gigawatt der verschiedenen Energieerzeugungskapazitäten wären dann je-
weils am Strommarkt?

18. Hat die Bundesregierung bereits Gespräche mit der Europäischen Kommis-
sion über die beihilferechtliche Zulässigkeit der Kapazitätsreserve geführt,
und falls ja, mit welchem Ergebnis (bitte unter Angabe der Gesprächsteil-
nehmer und des Datums)?

19. In welcher Form und mit welchem Ergebnis wurde innerhalb des BMWi die
beihilferechtliche Zulässigkeit der Kapazitätsreserve abgewogen?

20. Welche möglichen rechtlichen Formen wird die Bundesregierung zur Ent-
scheidungsgrundlage heranziehen bei der gegebenenfalls nötigen zusätzli-
chen Minderung von 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ab dem Jahr 2018
durch die Kohlekraftwerksbetreiber?

21. Wer soll nach Ansicht der Bundesregierung finanziell für die zusätzliche
Minderung durch die Braunkohlewirtschaft in Höhe von 1,5 Millionen Ton-
nen CO2 aufkommen?

22. Welche Kosten entstehen durch die genannten Maßnahmen „Effizienz im
Gebäudebereich“, „Effizienz in den Kommunen“, „Effizienz in der Indu-
strie“ sowie „Effizienz bei der DB AG“ (DB AG – Deutsche Bahn AG; bitte
einzeln aufschlüsseln), und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese be-
glichen werden?

23. Welche Entwicklung der Einnahmen des Energie- und Klimafonds (EKF)
aus dem Emissionshandelssystem der EU (EU-ETS) unter welcher ange-
nommenen Entwicklung des CO2-Preises liegt dem Beschluss der Bundes-
regierung zugrunde, und besteht grundsätzlich die Möglichkeit weiterer Zu-
schüsse aus dem Bundeshaushalt bei einer Unterdeckung des EKF aufgrund
dieser neuen Aufgaben?

24. Wie viel Energieeinsparung in Petajoule bezogen auf den Primärenergiever-
brauch und den Endenergieverbrauch werden durch die genannten Effi-
zienzmaßnahmen erzielt?

25. Beinhaltet die Maßnahme „Effizienz bei der DB AG“ ebenfalls den Wechsel
von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien, und falls ja, wird der
vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien gegenüber dem Projektionsbericht
auf das Ausbauziel für erneuerbare Energie aufgeschlagen?

26. Welche konkrete Ausgestaltung soll das im Eckpunkte-Papier angekündigte
Monitoring für die Versorgungssicherheit haben, was versteht die Bundes-
regierung diesbezüglich unter „modernen Methoden“, und in welcher Form
und welchen Abständen sollen diesbezüglich der Deutsche Bundestag und
die Öffentlichkeit unterrichtet werden?

27. Aufgrund welcher Analysen und Einschätzungen spricht sich die Bundes-
regierung im Eckpunktepapier dafür aus, dass im Rahmen der Novelle der
Reservekraftwerks-Verordnung solche Kraftwerke, die vom Betreiber vo-
rübergehend stillgelegt werden, ihre Betriebschaftsauslagen nicht erst ab
der Stilllegung, sondern bereits ab Feststellung der Systemrelevanz des
Kraftwerks durch die Bundesnetzagentur erhalten, und welche finanziellen
Auswirkungen hat dies?

28. Geht die Bundesregierung davon aus, dass unter den Kraftwerken, die nur
vorübergehend stillgelegt werden, auch Kohlekraftwerke sind und diese
später wieder an den Strommarkt zurückkehren, und welche Auswirkungen
hat dies auf die selbst gesteckten Klimaschutzziele der Bundesregierung?

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29. Weshalb sollen Kraftwerke aus dieser Reservekraftwerksverordnung nun
bereits nach vier anstatt fünf Jahren an den Markt zurückkehren können, und
inwiefern sieht die Bundesregierung hierin eine Marktverzerrung für Strom-
erzeuger, die ihre Kraftwerke nicht „zwischenparken“?

30. Welche finanziellen Kosten entstehen durch die Reservelösung für Süd-
deutschland mit den schnell startfähigen Kraftwerken von bis zu 2 GW ab
dem Jahr 2021, und welche (kostengünstigeren) Alternativen wurden dies-
bezüglich innerhalb der Bundesregierung geprüft?

Berlin, den 16. Juli 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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