BT-Drucksache 18/5615

Nach Europa eingeschleuste Zellen der Terrororganisation Islamischer Staat

Vom 15. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5615
18. Wahlperiode 15.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Nach Europa eingeschleuste Zellen der Terrororganisation Islamischer Staat

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS), die weite Teile des Irak und Sy-
riens kontrolliert, soll über Flüchtlingsrouten systematisch Kämpfer nach
Europa einschleusen, die sich dort als Schläferzellen auf zukünftige Anschläge
vorbereiten. Darüber berichtet die Tageszeitung „DIE WELT“ unter Berufung
auf Sicherheitsexperten, Agenten westlicher Geheimdienste und Flüchtlinge. So
habe der frühere Berliner Rapper Deso Dogg (Denis Cuspert), der nun führendes
Mitglied des IS ist, in einem im April 2015 verbreiteten Video mit Anschlägen
von „Schläfern“ in Europa gedroht.
Dem Bericht zufolge gibt es drei Hauptrouten, auf denen IS-Kämpfer nach Eu-
ropa gelangen. Die erste führe von Syrien aus über die Türkei nach Griechen-
land. Hier mischten sich die IS-Leute unter Flüchtlinge aus Syrien, die häufig
selber vor dem IS-Terror auf der Flucht sind. Die zweite Route führe über die
Staaten des ehemaligen Jugoslawien. Syrische Pässe zur Beantragung von Asyl
in Europa seien dort auf dem Schwarzmarkt zu erstehen. Zudem könne der IS
aufgrund seiner Kontrolle über Verwaltungsbehörden in den von ihm kontrol-
lierten syrischen Städten wohl auch selbst entsprechende Ausweisdokumente
herstellen. Eine dritte Route gehe über Bulgarien, wo der IS mit Hilfe der bulga-
rischen Mafia an EU-Ausweispapiere gelange. Über diese Route kämen „die
Terroristen als fast echte EU-Bürger nach Europa. Keine Aufnahmelager, keine
Identitätsprüfungen und erleichtertes Reisen in der ganzen Union“. Dafür, dass
sich IS-Leute unter die zehntausenden Flüchtlinge gemischt hätten, die von Li-
byen aus über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen versuchen, gibt es dage-
gen laut der Tageszeitung „DIE WELT“ keine stichhaltigen Beweise.
Flüchtlinge berichten zudem von offensichtlichen IS-Anhängern in Flücht-
lingslagern verschiedener europäischer Staaten (www.welt.de/politik/ausland/
article143186475/Das-naechste-grosse-Schlachtfeld-ist-Europa.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass der IS gezielt

Kämpfer nach Europa und Deutschland schickt, die sich hier als Schläferzel-
len auf terroristische Anschläge vorbereiten sollen?
Woher stammen die diesbezüglichen Erkenntnisse der Bundesregierung, und
für wie glaubwürdig beurteilt sie diese?

Drucksache 18/5615 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Drohungen des IS bezüglich möglicher Anschläge in Europa und
Deutschland sind der Bundesregierung bekannt?
a) Für wie repräsentativ hält die Bundesregierung diesbezügliche Aussagen

und die sie tätigenden Personen für die Politik des IS?
b) Für wie konkret hält die Bundesregierung die diesbezüglichen Drohun-

gen jeweils, und worauf stützt sich diese Einschätzung?
3. Ist der Bundesregierung ein Video des führenden IS-Mitgliedes Denis

Cuspert bekannt, in dem dieser mit Anschlägen durch Schläfer in Europa
droht?
a) Von wann ist dieses Video, und wo ist es zu finden?
b) Wie lautet der genaue Wortlaut der diesbezüglichen Drohungen?
c) Für wie ernst schätzt die Bundesregierung die diesbezüglichen Drohun-

gen ein, und worauf stützt sie ihre Analyse?
4. Welche Stellung nehmen mögliche Anschläge in Europa nach Kenntnis der

Bundesregierung in der Strategie und Taktik des IS ein, welche konkreten
Absichten und Ziele könnte die Organisation damit verfolgen, und worauf
stützt sich die Einschätzung der Bundesregierung?

5. Welche europäischen Staaten stehen nach Ansicht der Bundesregierung
etwa aufgrund ihres besonderen Engagements in der Anti-IS-Allianz oder
einer besonderen Dichte einheimischer gewaltbereiter salafistischer Struk-
turen in besonderem Maß als Anschlagsziel im Fokus dschihadistischer
Gruppierungen?

6. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass sich IS-Mit-
glieder gezielt unter Flüchtlinge mischen bzw. sich selber als Flüchtlinge
ausgeben, um einen Aufenthaltsstatus in Deutschland oder anderen europä-
ischen Ländern zu erlangen, und woher bezieht die Bundesregierung ihre
möglichen diesbezüglichen Erkenntnisse?

7. Welche Maßnahmen im Einzelnen trifft die Bundesregierung, um das Ein-
schleusen von IS-Zellen nach Deutschland zu verhindern?

8. In wie vielen und welchen Fällen hat die Bundesregierung Hinweise oder
Kenntnisse über IS-Mitglieder oder Sympathisanten in deutschen Flücht-
lingsaufnahmelagern und Asylheimen?

9. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung – und nach
ihrer Kenntnis die Landesregierungen und die zuständigen Behörden –, um
IS-Mitglieder in Flüchtlingsaufnahmelagern und Asylheimen zu identifizie-
ren, und wie wird mit solchen Personen weiter verfahren?

10. Welche Reisewege und Reisemittel wählen IS-Mitglieder nach Kenntnis der
Bundesregierung, um aus dem Nahen Osten nach Europa und Deutschland
zu gelangen?
a) Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine Darstellung der Tageszei-

tung „DIE WELT“ zu, wonach IS-Mitglieder sich unter syrische Flücht-
linge mischen, um über die Türkei und Griechenland nach Europa zu
gelangen (www.welt.de/politik/ausland/article143186475/Das-naechste-
grosse-Schlachtfeld-ist-Europa.html)?

b) Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine Darstellung der Tageszei-
tung „DIE WELT“ zu, wonach IS-Mitglieder über die Staaten des ehe-
maligen Jugoslawien nach Europa gelangen?

c) Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine Darstellung der Tageszei-
tung „DIE WELT“ zu, wonach IS-Mitglieder über Bulgarien nach
Europa gelangen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5615
d) Inwieweit nutzen IS-Mitglieder nach Kenntnis der Bundesregierung die
Route von Libyen über das Mittelmeer, um als Flüchtlinge getarnt nach
Europa zu gelangen?

11. Inwieweit hält die Bundesregierung eine Einreise von IS-Schläfern als
Asylsuchende für realistisch angesichts der Tatsache, dass dies nach Auffas-
sung der Fragesteller im Regelfall nur auf illegalem Weg möglich ist und
mit entsprechenden Sicherheitsabfragen und einer hohen sozialen Kontrolle
verbunden wäre (beengte Lebensverhältnisse in Gemeinschaftsunterbrin-
gung, Unterbringung in einem Raum zusammen mit Fremden)?

12. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine Meldung der Ta-
geszeitung „DIE WELT“ zu, wonach IS-Mitglieder mit Hilfe der bulgari-
schen Mafia an EU-Ausweispapiere gelangen können?
a) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über diesbezügliche Kontakte

des IS zur bulgarischen Mafia?
b) Inwieweit wurden bereits in der Bundesrepublik Deutschland oder

Europa nach Kenntnis der Bundesregierung IS-Mitglieder mit falschen
bzw. gekauften bulgarischen Ausweispapieren festgestellt?

c) Inwieweit wurden auf EU-Ebene nach Kenntnis der Bundesregierung be-
sondere Maßnahmen gegen einen möglichen Missbrauch bulgarischer
Ausweispapiere durch den IS ergriffen?

d) Inwieweit wurde ein möglicher Missbrauch bulgarischer Ausweispa-
piere durch den IS von EU-Seite gegenüber der bulgarischen Regierung
thematisiert?

Berlin, den 15. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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