BT-Drucksache 18/5586

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im zweiten Quartal 2015

Vom 15. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5586
18. Wahlperiode 15.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner,
Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im zweiten Quartal 2015

Laut einer Anfang Januar 2015 veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung
empfinden 57 Prozent der nichtmuslimischen Bürgerinnen und Bürger „den
Islam“ als Bedrohung. 61 Prozent der Befragten gaben an, der Islam passe nicht
in die westliche Welt, 40 Prozent fühlten sich durch Muslime als Fremde im
eigenen Land, jeder Vierte will Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland
verbieten (www.tagesschau.de/inland/islam-101.html). Auch andere Studien
über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie die im Zweijahresrhythmus
durchgeführte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, verweisen auf eine
tiefsitzende Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit in beträchtlichen Teilen der
Bevölkerung (www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/141120presse-
handout.pdf).
Auf islamfeindlichen Internetportalen, wie dem nach eigenen Angaben von
teilweise über 100 000 Besucherinnen und Besuchern am Tag gelesenen Blog
„Politically Incorrect“ (PI), werden insbesondere in den Leserkommentaren
Muslime und Muslimas in fremdenfeindlicher, beleidigender, hasserfüllter und
zum Teil gewaltbefürwortender Weise pauschal erniedrigt und beschimpft. Für
die Pro-Bewegungen (Pro NRW, Pro Deutschland) und die NPD dient islam-
feindliche Agitation, etwa gegen Moscheeneubauten, als ein Mittel, um die so
genannte Mitte der Gesellschaft mit ihrer rechtsextremen Programmatik zu er-
reichen.
Im Herbst 2014 entstand in Dresden die Pegida-Bewegung, die sich von ihrem
Namen her explizit gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ richtet. An
wöchentlichen Demonstrationen beteiligten sich in Dresden vorübergehend bis
zu 25 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den islam- und fremdenfeind-
lichen Aufmärschen.
Die in Teilen der Bevölkerung verankerte Islam- und Muslimfeindlichkeit
äußert sich auch in Übergriffen und Anschlägen auf Moscheen in Deutschland,
die von Schändungen mit Schlachtabfällen oder Fäkalien bis hin zu Brandan-
schlägen reichen (Bundestagsdrucksache 18/1627). Das ganze Ausmaß islam-
bzw. muslimfeindlich motivierter Straftaten verbleibt allerdings im Dunkeln, da
sich Bundes- und Landesbehörden bislang weigern, den Themenfeldkatalog
beim Begriff der „Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“ bzw.
„muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es insbesondere von muslimischen Verbän-
den und Kriminologen gefordert wird und im Falle des Unterthemas „Anti-
semitismus“ seit längerem geschehen ist (Bundestagsdrucksachen 17/13686 und
18/1627).

Drucksache 18/5586 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Überlegungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit bei

Polizei- und Innenbehörden von Bund und Ländern, den Themenfeldkatalog
beim Begriff der „Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“
bzw. „muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es im Falle des Unterthemas
„Antisemitismus“ seit längerem geschehen ist?

2. Welche islam- bzw. muslimfeindlichen Websites und Gruppierungen werden
nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Bundesländern als verfas-
sungsfeindlich (auch Verdachtsfälle) eingestuft bzw. von Landesämtern für
Verfassungsschutz überwacht?

3. Welche und wie viele islam- bzw. muslimfeindlichen Aufmärsche einschließ-
lich Protesten gegen eine angeblich drohende Islamisierung Europas oder den
Bau von Moscheen in Deutschland fanden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im zweiten Quartal 2015 statt (bitte Datum, Ort, Teilnehmerzahl, Anlass
bzw. Thema und Veranstalter angeben)?

4. Wie viele Anschläge auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islamische
Einrichtungen in Deutschland gab es nach Kenntnis der Bundesregierung im
zweiten Quartal 2015 (bitte einzeln nach Ort, Datum, Namen der Moschee
und ihrer möglichen Dachorganisation, Art des Anschlags und Schadens-
höhe, Phänomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdäch-
tigen auflisten)?
a) Wie viele Schändungen von Moscheen, Moscheevereinen und sonstigen

islamischen Einrichtungen durch Farbschmierereien, Fäkalien, Schlacht-
abfälle etc. sind der Bundesregierung für das zweite Quartal 2015 bekannt
geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Namen der Moschee und ihrer
möglichen Dachorganisation, Art der Schändung und Schadenshöhe, Phä-
nomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen
auflisten)?

b) Wie viele Bombendrohungen gegen Moscheen, Moscheevereine und
sonstige islamische Einrichtungen sind der Bundesregierung im zweiten
Quartal 2015 bekannt geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Namen
der Moschee und ihrer möglichen Dachorganisation, Phänomenbereich,
Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen auflisten)?

5. Wie viele mutmaßlich antimuslimisch oder islamfeindlich motivierte Strafta-
ten außer Übergriffen auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islami-
sche Einrichtungen wurden im zweiten Quartal 2015 nach Kenntnis der Bun-
desregierung bundesweit verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation der
Straftat und Bundesländern aufschlüsseln)?

6. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im zweiten
Quartal 2015 bei Überfällen mit mutmaßlich antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation oder mit vermuteter antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation
a) leicht verletzt,
b) schwer verletzt bzw.
c) getötet
(bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)?

7. Welcher materielle Schaden entstand nach Kenntnis der Bundesregierung bei
mutmaßlich antimuslimischen und islamfeindlichen Straftaten im zweiten
Quartal 2015 (bitte nach Schadenshöhe, Art der Motivation und Bundeslän-
dern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5586
8. Wie viele Tatverdächtige wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im
zweiten Quartal 2015 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und
Motivation der Straftaten aufschlüsseln)?

9. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten
im zweiten Quartal 2015 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und
Motivation der Straftaten aufschlüsseln)?

10. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Ermitt-
lungen wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten
im zweiten Quartal 2015 eingestellt (bitte nach Bundesländern, Art und
Motivation der Straftaten aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen
antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im zweiten Quartal 2015
zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

12. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es nach Kennt-
nis der Bundesregierung wegen überregionaler antimuslimischer und islam-
feindlicher Straftaten mit welchem Ergebnis gegeben?

13. Welche Nachmeldungen zu den Fragen 3 bis 12 auf Bundestagsdrucksache
18/4776 gibt es bezüglich des ersten Quartals 2015?

Berlin, den 15. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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