BT-Drucksache 18/5543

Militärische EU-Mission EUNAVFOR MED zur Migrationskontrolle im Mittelmeer

Vom 6. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5543
18. Wahlperiode 06.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Jan van Aken,
Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Militärische EU-Mission EUNAVFOR MED zur Migrationskontrolle im Mittelmeer

Die 28 Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben die
„Phase 1“ der Mission EUNAVFOR MED beschlossen. Ziel ist zunächst das
Aufspüren der Netzwerke von kommerziellen Fluchthelfern (Rat der Euro-
päischen Union, Pressemitteilung vom 22. Juni 2015). Gemeint sind „jene, die
Geld verdienen mit deren [der Geflüchteten] Leben und allzu oft mit deren Tod“,
erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (Handelsblatt vom
22. Juni 2015). Die Mission soll vor libyschen Gewässern abgehalten werden.
„Phase 1“ sieht den Einsatz von Seeaufklärern, Flugzeugen, Drohnen und Satel-
litenüberwachung vor. Die Rede ist sogar von U-Booten. In „Phase 2“ ist unter
anderem das Kreuzen in Hoheitsgewässern Libyens geplant, zudem sollen dann
Boote, die von Flüchtlingen genutzt werden könnten, zerstört werden. „Phase 3“
soll schließlich den Einsatz von Bodentruppen in dem nordafrikanischen Land
ermöglichen. Der Rat der Europäischen Union entscheidet, ob und wann die
Mission in die Phasen 2 und 3 übergehen soll. Für diese Phasen wäre die Zustim-
mung der libyschen Regierung (bzw. der Regierungen anderer Flaggenstaaten
aufgebrachter Schiffe) oder ein Mandat des UN-Sicherheitsrates erforderlich
(allerdings existieren derzeit zwei konkurrierende libysche Regierungen, die un-
ter UN-Vermittlung zu einer Einheitsregierung bewogen werden sollen; siehe
Frage 6 der Schriftlichen Fragen auf Bundestagsdrucksache 18/5284). Groß-
britannien, Frankreich, Litauen und Spanien haben bereits eine Resolution für
den Einsatz von Gewalt nach Kapitel 7 entworfen (Times of Malta vom 22. Juni
2015). Nach derzeitigem Stand dürfte für eine solche Resolution aber keine Zu-
stimmung aller ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zu erwarten sein.
Die Mission untersteht dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) der Eu-
ropäischen Union, der für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zuständig
ist. Das militärische Hauptquartier wird in Rom angesiedelt. Zu den vorläufigen
Kosten heißt es, diese würden auf 11,82 Mio. Euro geschätzt. Nach einer
zweimonatigen Startphase soll die Mission zunächst für ein Jahr betrieben wer-
den. EUNAVFOR MED wird angeführt von einem Verband des italienischen
Flugzeugträgers „Cavour“. Bekanntlich ist das britische Schiff „HMS Bulwark“
ebenfalls in der Region aktiv (Guardian vom 23. Juni 2015), allerdings im Rah-
men der Frontex-Operation „Triton“. Dort beteiligt sich auch die deutsche
Marine, derzeit mit der Fregatte „Schleswig-Holstein“ und dem Tender „Werra“.
Beide werden seit dem 30. Juni 2015 im Rahmen von EUNAVFOR MED ein-
gesetzt (www.bundeswehr.de vom 1. Juli 2015). Die britische „HMS Bulwark“
soll durch ein anderes Schiff ersetzt werden, das dann aber an EUNAVFOR
MED teilnimmt. Laut dem Fact Sheet des EAD (www.statewatch.org/news/

Drucksache 18/5543 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2015/jun/eu-eeas-crisis-in-med-statement.pdf) würden die 20 Luft- und Ma-
rineschiffe, Hubschrauber, Aufklärungsflugzeuge, U-Boote und Drohnen von
den Regierungen in Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland,
Ungarn, Italien, Litauen, Luxemburg, den Niederlanden, Slowenien, Spanien,
Schweden und Großbritannien beigestellt. Nur neun der Länder beteiligen sich
nach anderslautenden Berichten (www.bruxelles2.eu vom 22. Juni 2015) jedoch
direkt an der Mission. So stelle Italien ein U-Boot, drei Hubschrauber und zwei
Drohnen. Großbritannien entsende das Schiff „HMS Enterprise“ und nutze seine
Abhörstation in Cheltenham. Belgien und Slowenien schickten jeweils ein
Schiff, Griechenland ein U-Boot. Luxemburg und Spanien beteiligten sich mit
Küstenwachschiffen, Spanien und Frankreich auch mit Luftaufklärern. Frank-
reich stelle außerdem „rohe“ oder „aufbereitete“ Daten verschiedener „Senso-
ren“ zur Verfügung. Fünfzehn Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, sol-
len zudem Verbindungsbeamte in das Hauptquartier von EUNAVFOR MED
nach Rom entsenden. Bislang ist Deutschland bereits mit vier Dienstposten im
Operational Headquarter (OHQ) des Militärstabs der Europäischen Union in
Rom beteiligt.
Unklar ist, welche Rolle die Geheimdienste der Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union im Aufspüren der Netzwerke von Fluchthelfern spielen. Nach
neueren Berichten werden britische Agenten des Government Communications
Headquarters (GCHQ) auf der „HMS Enterprise“ stationiert (Onlineausgabe
Guardian vom 21. Juni 2015). Auf welche Weise sie dort bei der Aufklärung hel-
fen, wird aber nicht berichtet. Soweit bekannt, ist das auf dem Mittelmeer kreu-
zende Marineschiff nicht mit Technik zur Signalerfassung ausgelegt.
Für das Aufspüren von Fluchthelfern sind auch die Kriminalpolizeien der EU-
Mitgliedstaaten zuständig. Hierfür hat die EU-Polizeiagentur eine „gemeinsame
Einsatzgruppe für die Seeaufklärung“ (JOT MARE) in Den Haag eingerichtet
(Bundestagsdrucksache 18/4634). Zur Ermittlung und Bekämpfung von
„Schleppernetzwerken“ setzen die beteiligten Polizeien (darunter auch das Bun-
deskriminalamt) Finanzermittlungen ein und werten Telefondaten aus. Geplant
ist auch, dass die Europäische Union (EU) unter Leitung von Europol ein Lage-
zentrum in Sizilien einrichtet. Nicht erklärt wird, ob damit ein bereits im Juni er-
öffnetes Lagezentrum der Grenzagentur Frontex gemeint ist (Tiroler Tageszei-
tung vom 18. Juni 2015). Mitte Juni 2015 meldete der britische „Guardian“, dass
Großbritannien insgesamt sieben Agenten der National Crime Agency (NCA)
nach Sizilien entsenden würde (Guardian vom 17. Juni 2015). Auch in den Nie-
derlanden würden Angehörige der NCA eingesetzt.
Vermutlich wird das Europäische Satellitenzentrum im spanischen Torrejón eine
wichtige Rolle bei EUNAVFOR MED übernehmen. Es kauft und verarbeitet
Aufklärungsdaten von kommerziellen optischen und Radarsatelliten. Analy-
sierte Bilder übermittelt das Zentrum an den zivil-militärischen Auswärtigen
Dienst, das geheimdienstliche EU-Lagezentrum in Brüssel oder die Grenz-
schutzagentur Frontex. Erstmals hat Frontex in diesem Jahr Bilder beim
EU-Satellitenzentrum EUSC angefragt (Bundestagsdrucksache 18/5316). Das
EUSC greift auch auf das eigentlich nur zur Erdbeobachtung gedachte „Coper-
nicus“-Programm zurück. Copernicus enthält einen „Kerndienst Sicherheit“,
eine der drei Aufgaben besteht in der Grenzüberwachung. Der Betrieb der
Dienste soll noch im Jahr 2015 beginnen. Derzeit schafft Frontex laut der Bun-
desregierung „in enger Absprache entsprechende Strukturen“. Frontex wird nun
aufgefordert, „Risikokriterien“ für die Identifizierung von Fluchtbewegungen
auf dem Mittelmeer zu entwickeln. Frontex soll eine Liste verdächtiger Schiffe
erstellen, die „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ für Überfahrten genutzt
werden könnten (Ratsdok. 9345/15). Gemeint sind registrierte Schiffe, die aus-
gemustert wurden und zur Verschrottung vorgesehen sind. Per Satellit sind sie
aufgrund ihrer Größe gut zu verfolgen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5543
Noch offen ist, welche weiteren Einsatzmittel in der Luft und im All bei
EUNAVFOR MED genutzt werden sollen. Die Europäische Kommission finan-
ziert beispielsweise das Forschungsprojekt CLOSEYE zur Seeüberwachung,
das ebenfalls Drohnen und Satelliten einbindet (www.closeye.eu). Es wird von
der spanischen Küstenwache koordiniert, beteiligt sind die Küstenwachen
Portugals und das italienische Militär. Bereits vorhandene Kapazitäten, darunter
Satellitenaufklärung oder Radaranlagen, werden mit neuen Technologien syn-
chronisiert. Die Guardia Civil betreibt hierfür seit vielen Jahren das Projekt
„Seepferdchen Atlantik“, das ebenfalls Drohnen einbindet. Nun errichtet
Spanien ein ähnliches Projekt „Seepferdchen Mittelmeer“, das von einem Kon-
trollzentrum in Italien geleitet wird (Bundestagsdrucksachen 18/254, 18/3515).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist das Operationsgebiet von EUNAVFOR MED inzwischen definiert, und

welche Räume umfasst es?
2. Mit welchen zivilen und militärischen Mitteln beteiligen sich welche Bun-

desbehörden an EUNAVFOR MED, und welcher Zeitplan existiert hierfür?
a) Welches Personal wird hierfür abgestellt, und wo wird dieses stationiert

bzw. untergebracht (bitte auch den Zeitplan angeben)?
b) Welche Aufgaben werden von dem Personal der Bundesregierung ein-

schließlich nachgeordneter Stellen übernommen?
c) Welche Einsatzmittel oder sonstige Ausrüstung werden von der Bundes-

regierung einschließlich nachgeordneter Stellen zur Verfügung gestellt,
und wo wird dieses stationiert (bitte auch den Zeitplan angeben)?

d) Von wo und von wem wird der deutsche Beitrag für EUNAVFOR MED
geführt und kommandiert, und mit welchen Lagezentren im Mittelmeer
oder anderswo hält die Bundeswehr hierzu Kontakt?

3. Mit welchem konkreten Auftrag und in welchem konkreten Operationsgebiet
bzw. Einsatzraum sollen die im Rahmen der von der EU-Grenzagentur Fron-
tex durchgeführten Operation „Triton“ bereitgestellte Fregatte „Schleswig-
Holstein“ und der Tender „Werra“ bei EUNAVFOR MED eingesetzt werden?

4. Von wo und von wem wird der deutsche Beitrag für „Triton“ geführt und
kommandiert, und mit welchen Lagezentren im Mittelmeer oder anderswo
hält die Bundeswehr hierzu Kontakt?

5. Inwiefern hält die Bundesregierung es mit Blick auf das Trennungsgebot für
(nach deutschem Recht) zulässig, die Bundesmarine durch diesen Einsatz im
Mittelmeer zur Umsetzung und Unterstützung von Frontex einzusetzen
(Ratsdok. 9747/15, www.statewatch.org/news/2015/may/eu-med-military-
op.pdf)?

6. Welche weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellen nach
Kenntnis der Bundesregierung Personal und Einsatzmittel oder sonstige Aus-
rüstung für EUNAVFOR MED zur Verfügung, und welcher Zeitplan existiert
hierfür (bitte soweit bekannt nach Marineschiffen, Flugzeugen, Hubschrau-
bern, U-Booten und Drohnen aufschlüsseln)?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wo die Einsatzmittel je-

weils operieren sollen?
b) Welches Personal wird hierfür abgestellt, und wo wird dieses stationiert

bzw. untergebracht (bitte auch den Zeitplan angeben)?

Drucksache 18/5543 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Welche Aufgaben werden von dem Personal übernommen?
d) Welche Einsatzmittel oder sonstige Ausrüstung werden zur Verfügung

gestellt, und wo wird dieses stationiert (bitte auch den Zeitplan ange-
ben)?

7. Auf welche Weise sollen die Seenotleitstelle in Rom und die Lagezentren
von „Triton“ sowie EUNAVFOR MED Kontakt halten, inwiefern informie-
ren sich diese über einzelne Maßnahmen, und zu welchen Anlässen koope-
rieren diese (nicht nur Seenotrettung) auch direkt?

8. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, im Rahmen der Eu-
ropäischen Migrationsagenda sei neben dem militärischen Konzept von
EUNAVFOR MED auch beabsichtigt, durch die Militärmission ebenfalls
die Seenotrettung zu verstärken, und welche Absprachen und Aktivitäten
gibt es insoweit?

9. Was ist der Bundesregierung bekannt, inwiefern bei EUNAVFOR MED
auch Beteiligte oder Infrastrukturen der Seeüberwachungsnetzwerke „See-
pferdchen Atlantik“ oder „Seepferdchen Mittelmeer“ eingebunden werden?

10. Welche Kosten werden nach Kenntnis der Bundesregierung für EUNAV-
FOR MED entstehen, und welche weiteren Kosten entstehen durch den Ein-
satz deutscher ziviler und militärischer Behörden?

11. Wie hoch sind bzw. waren im Jahr 2015 und prognostisch (Rest des Jahres
2015 und 2016) die (ggf. erwarteten) jeweiligen finanziellen Aufwendun-
gen bzw. Kostenanteile bei Einsätzen im Kontext von EUNAVFOR MED,
Frontex, EUROSUR, der Europäischen Migrationsagenda zur
a) Rettung und Unterbringung von Flüchtlingen,
b) Abschreckung von Flüchtlingen (Programme wie z. B. „multifunktio-

nale Zentren“ in Herkunftsländern, die ein „realistisches Bild über die
Erfolgsaussichten des Versuchs, die EU zu erreichen“, vermitteln sollen)
und bzw. oder Schleusern,

c) Strafverfolgung von und militärischem Vorgehen gegen Flüchtlinge und
bzw. oder „Schleuser“?

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern der italienische
Flugzeugträger „Cavour“ für den Einsatz umgerüstet wurde und nun ein
„robustes Krankenhaus“ mitführt?

13. Welche Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben nach Kenntnis der
Bundesregierung auch zivile und bzw. oder militärische geheimdienstliche
Mittel angeboten, und inwiefern wird darauf zurückgegriffen?
a) Um welche Art geheimdienstlicher Aufklärung handelt es sich dabei?
b) Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu oder nicht zu,

dass Großbritannien die Nutzung seiner Abhörstation in Cheltenham an-
bot?

c) Welche Rolle sollen Agenten des GCHQ auf der britischen „HMS Enter-
prise“ übernehmen?

d) Welche Beteiligten an EUNAVFOR MED werden auch Signaltechnik
zur Erfassung digitaler Kommunikation oder elektromagnetischer Strah-
lung einsetzen?

14. Welche weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder sonstigen
Regierungen bzw. Organisationen werden sich nach Kenntnis der Bundes-
regierung auf welche Weise an EUNAVFOR MED beteiligen, etwa indem
Beamte in Lage- oder Kontrollzentren entsandt werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5543
15. Auf welche Weise wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die NATO um
Unterstützung der Operation EUNAVFOR MED ersucht, welche Beiträge
wurden abgelehnt, und welche wurden schließlich übernommen (bitte auch
den Zeitplan angeben)?

16. Auf welche Weise wird EUNAVFOR MED nach Kenntnis der Bundesregie-
rung mit der „gemeinsamen Einsatzgruppe für die Seeaufklärung“ (JOT
MARE) in Den Haag zusammenarbeiten?

17. Inwiefern werden auch das Bundeskriminalamt oder der Bundesnachrich-
tendienst mit EUNAVFOR MED zusammenarbeiten, bzw. inwiefern könnte
EUNAVFOR MED von Analyseprodukten der beiden Behörden profitie-
ren?

18. Was ist der Bundesregierung über neu eingerichtete Lagezentren von EU-
Agenturen im Mittelmeerraum bekannt, und inwiefern stehen diese im Zu-
sammenhang mit Migrationskontrolle auf dem Mittelmeer?
a) Inwiefern arbeitet die Bundesregierung mit diesen Lagezentren zusam-

men oder hat dort sogar Verbindungsbeamte abgestellt?
b) Welche weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben hierfür

Personal oder Ausrüstung überlassen bzw. setzen sie im Kontext der Ar-
beit der Lagezentren ein?

19. Was ist damit gemeint, wenn die Bundesregierung davon spricht, dass Fron-
tex für die Beteiligung am „Kerndienst Sicherheit“ des Satellitenprogramms
Copernicus derzeit „in enger Absprache entsprechende Strukturen“ schafft
(Bundestagsdrucksache 18/5316)?
a) Inwiefern soll Frontex „Risikokriterien“ für die Identifizierung von

Fluchtbewegungen auf dem Mittelmeer entwickeln, und wer ist daran
ebenfalls beteiligt?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern Frontex bereits
eine Liste verdächtiger Schiffe erstellt hat, die „mit einer gewissen Wahr-
scheinlichkeit“ für Überfahrten genutzt werden könnten?

c) Wie viele Schiffe an welchen Standorten finden sich auf der Liste?
20. Inwiefern und in welchem Umfang machen die Beteiligten von

EUNAVFOR MED nach Kenntnis der Bundesregierung auch von Satelli-
tenaufklärung Gebrauch?
a) Auf welchem Wege und durch wen werden entsprechende Daten gene-

riert, verarbeitet, analysiert und schließlich als fertige Analyseprodukte
übermittelt (bitte die beteiligten Einrichtungen nennen)?

b) Welche Rolle wird das Europäische Satellitenzentrum im spanischen
Torrejón in diesem Zusammenhang übernehmen?

21. In welchem zahlenmäßigen Umfang hat das Europol-Lagezentrum JOT
MARE nach Kenntnis der Bundesregierung bereits damit begonnen, Satel-
litendaten zu nutzen, um damit
a) Schiffe oder Boote, die von Geflüchteten bestiegen wurden bzw. werden

könnten, auf dem Mittelmeer mithilfe optischer oder radarbasierter Sa-
telliten zu detektieren,

b) Schiffe oder Boote, die von Geflüchteten bestiegen wurden bzw. werden
könnten, auf dem Mittelmeer mithilfe optischer oder radarbasierter Sa-
telliten zu verfolgen,

c) mithilfe optischer oder radarbasierter Satelliten Lageberichte oder Risi-
koanalysen über Schiffe oder Boote zu erstellen, die von Geflüchteten
bestiegen wurden bzw. werden könnten?

Drucksache 18/5543 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
22. Welche Behörden welcher sechs Länder gehörten zum ersten Kernteam von
JOT MARE, und wann hat das Bundeskriminalamt dort mit seiner Arbeit
begonnen?

23. Welche bestehenden Datensammlungen werden von der Bundeswehr im
Rahmen von EUNAVFOR MED genutzt, um Personen- und Sachdaten ver-
meintlicher oder tatsächlicher Fluchthelfer oder sonstige im Rahmen des
Einsatzes anfallenden Daten zu verarbeiten?

24. Welche Datenbanken wurden nach Kenntnis der Bundesregierung eigens
für EUNAVFOR MED eingerichtet, wer darf dort Daten einstellen, und wel-
che zivilen oder militärischen Behörden und Agenturen greifen darauf zu?

25. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern für Operationen
und Lagezentren von EUNAVFOR MED und JOT MARE gemeinsame „In-
formationspools“ eingerichtet wurden, und wer ist daran angeschlossen?

26. In welchem Umfang (oder, sofern bekannt, in welcher Zahl) werden im JOT
MARE nach Kenntnis der Bundesregierung auch Daten aus der Telekom-
munikationsüberwachung und der Rückverfolgung von Finanzströmen ver-
arbeitet (Bundestagsdrucksache 18/5048)?

27. Welche Formen der Telekommunikationsüberwachung sind auf Bundes-
tagsdrucksache 18/5048 bezüglich der Ermittlungsmethoden JOT MARE
gemeint?

28. Wie viele solcher Daten wurden seit Gründung des JOT MARE durch das
Bundeskriminalamt angeliefert?

29. Inwiefern werden Geflüchtete im Rahmen von EUNAVFOR MED nach
Kenntnis der Bundesregierung auch zu Reiserouten, Transportmitteln,
Fluchthelfern und gezahlten Geldleistungen befragt?
a) Wie viele solche Verhörspezialisten oder „Debriefer“ hat die Bundes-

wehr hierfür im Einsatz?
b) Wie viele Geflüchtete wurden von der Bundeswehr bereits in diesem

Sinne verhört oder befragt?
c) Auf welche Weise werden die Geflüchteten unterrichtet, dass sie diese

Verhöre verweigern können?
d) Wo werden die von der Bundeswehr bei den Verhören erlangten Perso-

nen- und Sachdaten gespeichert, und wer darf darauf zugreifen?
e) Inwiefern werden im Rahmen von EUNAVFOR MED auch Telefone der

Geflüchteten beschlagnahmt und bzw. oder forensisch ausgewertet?
30. Wie viele Schiffe und Boote, die von Geflüchteten genutzt wurden bzw. ge-

nutzt werden sollten, sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
der Operationen „Triton“ und EUNAVFOR MED bereits zerstört, versenkt
oder unbrauchbar gemacht worden (bitte nach luftgefüllten Booten und
Holz- bzw. Metallrumpf kategorisieren), und wie viele dieser Boote und
Schiffe wurden von der Bundeswehr zerstört?

31. Welcher Zeitplan existiert nach Kenntnis der Bundesregierung für die Er-
weiterung der zivil-militärischen Mission EUNAVFOR MED um „Phase 2“
und „Phase 3“?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5543
32. Was ist der Bundesregierung über den Inhalt einer entsprechenden beantrag-
ten Resolution des UN-Sicherheitsrates bekannt, und wer hat diese entwor-
fen und eingereicht?
a) Inwieweit sieht ein solcher Resolutionsentwurf in Abweichung von der

weiten Auftragsdefinition des Ratsbeschlusses vom 18. Mai 2015 zu
EUNAVFOR MED, wonach in „Phase 2“ sowie „Phase 3“ Operationen
in den „inneren Gewässern“ bzw. „im Hoheitsgebiet“ des (nicht näher
bezeichneten) „betroffenen Küstenstaates“ durchgeführt werden sollen
eine inhaltliche oder räumliche Begrenzung vor?

b) Wie positioniert sich die Bundesregierung dazu?
c) Auf welche Weise haben Bundesbehörden das Zustandekommen der

Resolution unterstützt, und wie wird sich die Bundesregierung hierzu
weiter positionieren?

d) In welchem Maße dürfte sich der Einsatz von Gewalt nach Kapitel 7 aus
Sicht der Bundesregierung negativ oder positiv auf die Bildung einer
Einheitsregierung in Libyen auswirken?

33. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Haltung des UN-General-
sekretärs Ban Ki-moon, der eine militärische Operation in Libyen ausdrück-
lich abgelehnt hat (bitte nicht wie in der Schriftlichen Frage 5 auf Bundes-
tagsdrucksache 18/5284 lediglich in Bezug auf Seenotrettung beantworten)?

34. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung Äußerungen der EU-Außenbe-
auftragten Federica Mogherini, die im Vorfeld der Ratssitzung vom 22. Juni
2015 erklärte, sie werde nicht empfehlen, nur die eingeschränkte Variante
der Operation EUNAVFOR MED (also die originäre „Phase 1“) zu be-
schließen, denn beschränke sich die EU auf eine Aufklärungsmission und
die verstärkte Rettung von Flüchtlingen durch EU-Schiffe, liefere sie fal-
sche Anreize für Schleuser (SPIEGEL ONLINE vom 13. Juni 2015)?

35. Zu welchem Zweck partizipiert die Bundesregierung an den Spähaktivitäten
der „Phase 1“ von EUNAVFOR MED, wenn grundlegende Zweifel daran
bestanden (oder sogar noch bestehen), dass die „Phasen 2“ und „3“ rechts-
konform erreicht werden können, und die Bundesregierung sich – so der
Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, wiederholt – ebenso
wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini an der Vorgabe orien-
tiert, durch Aktivitäten zur Rettung von Flüchtlingen aus Seenot keine „An-
reize“ schaffen zu wollen (Onlineausgabe Deutschlandfunk vom 20. April
2015)?

36. Was ist der Bundesregierung über die Haltung des UN-Vermittlers
Bernardino León zu einer militärischen EU-Operation in Libyen bekannt,
zumal sich dieser um die Errichtung einer Einheitsregierung bemüht, und
die Ankündigungen von „Phase 2“ und „Phase 3“ die beiden „Regierungen“
in Tripolis und Tobruk nach Auffassung der Fragesteller düpieren oder, im
Falle einseitiger Unterstützung, gegeneinander aufbringen könnten (bitte
anders als in der Schriftlichen Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 18/5284
den Bezug zur Haltung von Herrn León herstellen)?

37. Was wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der unter
Bernadino León moderierten Verhandlungen über die Bildung einer Regie-
rung der nationalen Einheit in Bezug auf eine zukünftige Zusammenarbeit
mit der EU-Operation EUNAVFOR MED besprochen?

Drucksache 18/5543 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
38. Welche Angebote wurden den Verhandlungspartnern nach Kenntnis der
Bundesregierung im Falle einer Kooperation unterbreitet?

Berlin, den 6. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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