BT-Drucksache 18/5541

Konsequenzen des Vertragsverletzungsverfahrens bezüglich der Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland

Vom 3. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5541
18. Wahlperiode 03.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch,
Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann und
der Fraktion DIE LINKE.

Konsequenzen des Vertragsverletzungsverfahrens bezüglich der Einführung
einer Pkw-Maut in Deutschland

Nach der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen
Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Infra-
strukturabgabe und der korrespondierenden Senkung der Steuersätze für in
Deutschland zugelassene Kraftfahrzeuge (Kfz) wird nach Aussage des Bundes-
ministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, die Ein-
führung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen auf
unbestimmte Zeit verschoben (www.zeit.de/mobilitaet/2015-06/dobrindt-maut-
verschiebung).
Explizit wird seitens des Bundesverkehrsministers jedoch nur eine Ausschrei-
bung und Vergabe des Betriebs sowie der Kontrolle der Maut an private Dritte
ausgeschlossen, solange der Rechtsstreit mit der Europäischen Kommission an-
dauert. Unberührt davon bleiben dem Vernehmen nach vorbereitende Maßnahmen
(vgl. www.welt.de/politik/article142688118/Dobrindt-verschiebt-den-Start-der-
Pkw-Maut.html), d. h. trotz Rechtsunsicherheit wird der Vollzug der von Brüs-
sel beanstandeten Gesetze nicht vollständig ausgesetzt.
Im Rahmen der letztjährigen Beratungen zum Bundeshaushalt 2015 wurden für
Vorbereitungsmaßnahmen zur Einführung der Infrastrukturabgabe Mittel in
Höhe von ca. 55 Mio. Euro in den Bundeshaushalt 2015 sowie Verpflichtungs-
ermächtigungen für das Jahr 2016 eingestellt, welche sich auf 19 Einzeltitel (vgl.
Ausschussdrucksachen des Haushaltsschusses der 18. Wahlperiode des Deut-
schen Bundestages 18(8)1731, 1734, 1751 bis 1757 sowie 1761 bis 1770) ver-
teilen und jeweils mit einem Sperrvermerk versehen wurden.
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass trotz der Verschiebung der
Einführung der Pkw-Maut Bundesmittel für die Einführung der Pkw-Maut auf-
gewendet werden und somit im Falle eines Scheiterns der Mautpläne der Bun-
desregierung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) haushälterischer Scha-
den entsteht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sind die Haushaltssperren der die Einführung der Pkw-Maut betreffenden

Titel bereits aufgehoben worden?
Wenn ja, wann und mit welcher Begründung (bitte ggf. für die betreffenden
Titel einzeln begründen)?

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2. Was waren bzw. sind die Voraussetzungen für die Aufhebung der Haushalts-
sperre der betreffenden Titel?
Ist bzw. sind diese nach der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens
durch die Europäische Kommission noch gegeben (bitte begründen)?

3. Wie viele Haushaltsmittel sind für Vorbereitungsmaßnahmen zur Einführung
der Infrastrukturabgabe (inkl. externer Erstellung von Gutachten und behörd-
lichem Personalbedarf) insgesamt bereits verausgabt worden?

4. Wie verteilen sich diese Ausgaben auf die Posten
a) Sachverständige,
b) Bezüge und Nebenbezüge der planmäßigen Beamtinnen und Beamten,
c) Entgelte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
d) Entgelte für Arbeitskräfte mit befristeten Verträgen, sonstige Beschäfti-

gungsentgelte (auch für Auszubildende) sowie Aufwendungen für neben-
beruflich und nebenamtlich Tätige,

e) Erwerb von Fahrzeugen,
f) Erwerb von Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen sowie

sonstigen Gebrauchsgegenständen für Kontrollzwecke,
g) Geschäftsbedarf und Datenübertragung sowie Geräte, Ausstattungs- und

Ausrüstungsgegenstände, Software, Wartung,
h) Erwerb von Datenverarbeitungsanlagen, Geräten, Ausstattungs- und Aus-

rüstgegenständen, Software,
i) Ausgaben für Aufträge und Dienstleistungen?

5. Welche Aufträge (Dienstleistung und Beschaffung) wurden im Zusammen-
hang mit Vorbereitungsmaßnahmen zur Einführung der Infrastrukturabgabe
ausgeschrieben, und welche davon wurden bereits vergeben?

6. Welches Auftragsvolumen haben die ausgeschriebenen Aufträge insgesamt,
und welches haben die bereits vergebenen Aufträge (bitte jeweils in Millio-
nen Euro angeben)?

7. Welche Aufträge wurden im Zusammenhang mit Vorbereitungsmaßnahmen
zur Einführung der Infrastrukturabgabe ohne Ausschreibung vergeben, und
auf welche Höhe beläuft sich das Auftragsvolumen dieser Aufträge jeweils?

8. Werden die durch das Gesetz notwendig werdenden Verordnungen, so u. a.
zur Frage der Erstattung der Abgabe, wenn keine Bundesfernstraßen genutzt
werden, trotz des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens erarbeitet (bitte
begründen), und wann ist mit deren Entwurf zu rechnen?

9. Werden die behördenseitigen Voraussetzungen für die Einführung der Infra-
strukturabgabe (siehe die im Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 18/
3990 unter „E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung“ die die Beschaffung und
den behördlichen Personalaufwand betreffenden und in der Begründung nä-
her ausgeführten Maßnahmen) trotz des laufenden Vertragsverletzungsver-
fahrens geschaffen (bitte begründen)?
Wenn ja, bis wann sollen diese geschaffen werden, und in welcher Höhe sol-
len hierfür Hausmittel in den Jahren 2015 und 2016 verausgabt werden (bitte
nach den unter Frage 4 aufgeführten Posten aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5541
10. Werden die behördenseitigen Voraussetzungen für die Absenkung der Kfz-
Steuer (siehe die im Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 18/3991 un-
ter „E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung“ die die Beschaffung und den
behördlichen Personalaufwand betreffenden und in der Begründung näher
ausgeführten Maßnahmen) trotz des laufenden Vertragsverletzungsverfah-
rens geschaffen (bitte begründen)?
Wenn ja, bis wann sollen diese geschaffen werden, und in welcher Höhe sol-
len hierfür Hausmittel in den Jahren 2015 und 2016 verausgabt werden
(bitte nach den unter Frage 4 aufgeführten Posten aufschlüsseln)?

11. Soll der am 2. Mai 2015 seitens der Bundesregierung ausgeschriebene Auf-
trag „1510/G14: Beratungs- und Unterstützungsleistungen des Bundes-
ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Bereich In-
frastrukturabgabe“ trotz des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens ver-
geben werden (bitte begründen)?
Wenn ja, auf welche Höhe werden sich die Kosten für die ausgeschriebenen
Beratungsleistungen in der angedachten Vertragslaufzeit von 36 Monaten
belaufen?
Wie viele Bewerber gab es jeweils für die drei Teillose?
Wie weit ist der Auswahlprozess fortgeschritten?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerinnen und Frage-
steller, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Europarechts-
konformität der Infrastrukturabgabe und die damit korrespondierende Sen-
kung der Kfz-Steuer für im Inland zugelassene Kfz keine Haushaltsmittel
für die Vorbereitung der Einführung der Infrastrukturabgabe verausgabt
werden sollten, um einem haushälterischen Schaden für den Fall vorzubeu-
gen, dass durch den EuGH die Unvereinbarkeit der Senkung der Kfz-Steuer
mit dem Europarecht festgestellt werden sollte (bitte begründen)?

13. Wird die Bundesregierung, sofern noch in dieser Legislaturperiode die Sen-
kung der Kfz-Steuer bei gleichzeitiger Einführung einer Pkw-Maut seitens
der EU gestoppt wird, in Anbetracht der Bestimmungen des Koalitionsver-
trages zwischen CDU, CSU und SPD beide Gesetze – also auch das Gesetz
zur Einführung einer Infrastrukturabgabe – außer Kraft setzen (bitte begrün-
den)?
Welche legislativen Schritte wird die Bundesregierung in dem Fall, dass das
Vertragsverletzungsverfahren bis zur Bundestagswahl 2017 nicht abge-
schlossen sein sollte, ergreifen, um auch zukünftige Bundesregierungen an
die Bestimmungen des gültigen Koalitionsvertrages zu binden (z. B. Kondi-
tionierung der Einführung der Pkw-Maut an die Senkung der Kfz-Steuer)?

14. Sind die Gesetze zur Einführung der Infrastrukturabgabe sowie zur Senkung
der Kfz-Steuer für inländische Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter
nach Auffassung der Bundesregierung voneinander unabhängige Rechts-
akte (bitte begründen)?
Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung die Formel hinsichtlich des In-
krafttretens der Kfz-Steuersenkung für in Deutschland zugelassene Kfz,
welche die Steuersenkung an die Einführung der Infrastrukturabgabe bindet
(vgl. Artikel 3 Absatz 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahr-
zeugsteuergesetzes und des Versicherungsteuergesetzes)?

15. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Kfz-Halterinnen und Kfz-Hal-
ter, welche in Österreich ihr Kfz zugelassen haben, vollumfänglich von den
Kosten der in Österreich für die Benutzung von Autobahnen und Schnell-
straßen erhobenen Pkw-Maut (erhoben als zeitabhängige Vignette) entlastet
(bitte begründen)?

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16. Zahlen nach Kenntnis der Bundesregierung alle Halterinnen und Halter von
in Österreich zugelassenen Kfz einen ermäßigten Mautbetrag für die Benut-
zung des Felbertauerntunnels (bitte begründen)?

17. Erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung für alle in Österreich einkom-
mensteuerpflichtigen Personen eine vollständige Kompensation der Kosten
für die Benutzung des Katschbergtunnels über eine Einkommensteuerrück-
erstattung (bitte begründen)?

18. Welche Kompromissvorschläge bzw. Änderungen werden im Kontext des
laufenden Vertragsverletzungsverfahrens bezüglich der Einführung einer
Infrastrukturabgabe in Deutschland seitens der Bundesregierung im Bereich
der Kompensationsmaßnahmen für inländische Kfz-Halterinnen und Kfz-
Halter erarbeitet, und an welchen in Mitgliedstaaten der Europäischen
Union praktizierten Kompensationsmaßnahmen orientieren sich diese Vor-
schläge?

19. Was hat die Europäische Kommission in ihrem Mahnschreiben an die Bun-
desregierung hinsichtlich der Einführung der Pkw-Maut in Deutschland ge-
nau kritisiert?

20. Zwischen welchen Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und
welchen Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission fan-
den im Mai und Juni 2015 Gespräche statt, bei denen es ausschließlich oder
teilweise um die Einführung der Infrastrukturabgabe in Deutschland ging
(bitte unter Angabe des jeweiligen Datums und der konkreten institutionel-
len Bezüge der Vertreterinnen und Vertreter aufschlüsseln)?

21. Zwischen welchen Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und
welchen Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission sind
Gespräche bezüglich der Infrastrukturabgabe bis zum Zeitpunkt des spätest-
möglichen Termins der Abgabe der Stellungnahme der Bundesregierung zu
dem Mahnschreiben der Europäischen Kommission geplant (bitte unter An-
gabe des geplanten Datums und der konkreten institutionellen Bezüge der
Vertreterinnen und Vertreter aufschlüsseln)?

22. Welche Referate welcher Ministerien bzw. Behörden sind mit der Abfas-
sung der Erwiderung auf das Mahnschreiben der Europäischen Kommission
betraut worden?
Wird hierbei auch externer Sachverstand hinzugezogen (bitte begründen),
und wenn ja, wessen?

23. Müsste der Auftrag der rechtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutsch-
land vor dem EuGH in einem möglichen Verfahren bezüglich der Infra-
strukturabgabe bzw. Kfz-Steuer europaweit ausgeschrieben werden (bitte
begründen)?
Wird Prof. Dr. Christian Hillgruber, der hierzu bereits eine Stellungnahme
für das BMVI verfasst hat, die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland
übernehmen, wenn es zu einem Verfahren vor dem EuGH kommen sollte
(bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5541
24. Wird die Bundesregierung den am 28. März 2015 ausgeschriebenen Auftrag
„Mobilität in Deutschland – Erhebung der Alltagsmobilität 2016 (MiD
2016)“ dahingehend erweitern, eine repräsentative (Telefon-)Stichprobe
über das grenzüberschreitende Mobilitätsverhalten der in den unmittelbaren
Nachbarstaaten lebenden Menschen zu ziehen, um eine belastbare empiri-
sche Grundlage zur Prognose der Nettoeinnahmen der Pkw-Maut zu erhal-
ten?
Wenn ja, muss dies erneut ausgeschrieben werden (bitte begründen)?
Wenn nein, warum nicht, und welchen Stellenwert misst die Bundesregie-
rung dem grenzüberschreitenden Verkehr bei der Verkehrsplanung (z. B.
Planung von Verkehrswegen) bei?

25. Mit welchen Kosten wäre bei einer solchen Auftragserweiterung zu rech-
nen, und wie viel Zeit würde diese Erhebung in Anspruch nehmen?

Berlin, den 2. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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