BT-Drucksache 18/5371

zu der vereinbarten Debatte zur Situation nach dem Auslaufen des Finanzhilfeprogramms für Griechenland

Vom 30. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5371
18. Wahlperiode 30.06.2015
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar
Bartsch, Dr. Diether
Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Katja
Kipping, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Thomas Lutze, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der vereinbarten Debatte

zur Situation nach dem Auslaufen des Finanzhilfeprogramms für Griechenland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Bundestag begrüßt und respektiert die auf Antrag der Regierung Tsipras
getroffene Entscheidung des griechischen Parlaments, am 5. Juli 2015 eine
Volksabstimmung zum Verhandlungsangebot der „Institutionen“ – der Europä-
ischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internatio-
nalen Währungsfonds (IWF) – anzusetzen. Die Maßnahmen auf der Basis des
Angebots der Institutionen waren für die griechische Regierung unannehmbar.
Sie hätten der schwer angeschlagenen griechischen Wirtschaft neuen Schaden
zugefügt, die ohnehin dramatische soziale Situation nochmals verschärft und
eine neue Verschwendung von Milliarden europäischer Steuergelder bedeutet.
Deshalb hat SYRIZA die Bevölkerung aufgerufen, mit „Nein“ zu stimmen. Es
ist das unverbrüchliche Recht und eine demokratische Notwendigkeit, dass die
Griechinnen und Griechen selbst demokratisch über die harten austeritätspoliti-
schen Auflagen entscheiden, die ihnen aufgezwungen werden sollen.
Die Weigerung der drei Institutionen und der Eurogruppe, das bestehende Pro-
gramm kurzfristig zu verlängern, widerspricht demokratischen Prinzipien. Die
getroffenen und angekündigten einseitigen Maßnahmen und Vorentscheidun-
gen stellen einen Versuch dar, durch Druck, Einschüchterung und Einfluss-
nahme von außen ungerechtfertigten Einfluss auf die Willensbildung der Grie-
chinnen und Griechen zu nehmen. Die Volksabstimmung muss demgegenüber
demokratisch unter Bedingungen stattfinden, die eine freie Entscheidung der
Griechinnen und Griechen ermöglichen. Das Ergebnis des Referendums hat
eine höhere Legitimität und demokratische Autorität als Vereinbarungen der
Finanzminister und Institutionen.
Ein Festhalten an den unannehmbaren Forderungen der Institutionen und der
Eurogruppe – wie an unrealistischen Primärüberschusszielen, sozial verheeren-
den Rentenkürzungen sowie sozial wie wirtschaftlich unverträglichen Mehr-
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/5371 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
wertsteuererhöhungen – und die Weigerung, einer Sonderabgabe für große Un-
ternehmen zuzustimmen, sowie die Ablehnung, über Maßnahmen zur Reduzie-
rung der Schuldenlast zu verhandeln, bedeutet eine Fortsetzung der gescheiter-
ten Austeritätspolitik.
Die Institutionen, die Eurogruppe und die Bundesregierung tragen mit ihrer un-
demokratischen Erpressungspolitik darüber hinaus die Verantwortung für die
derzeit noch unabsehbaren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen für
Griechenland sowie für die Stabilität des Euroraums und der Europäischen
Union. Es geht jetzt nicht nur um die Zukunft Griechenlands, sondern auch um
die Zukunft Europas. Ein „Nein“ im Referendum wäre ein wichtiges Signal im
Kampf gegen Austerität in Griechenland und europaweit.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich auf der Ebene der Europäischen Union, in der Eurogruppe und gegenüber
den Gläubigerinstitutionen dafür einzusetzen,
1. dass alle einseitigen Entscheidungen der Institutionen bis zum Vorliegen

der Ergebnisse der Volksabstimmung in Griechenland ausgesetzt werden;
2. dass die Rückzahlung fälliger Kreditraten bei IWF und EZB vorerst ausge-

setzt und kurzfristige Maßnahmen zur Absicherung der Liquidität des grie-
chischen Staates und des griechischen Bankensektors ergriffen werden;

3. dass eine neue Konzeption entwickelt wird, um mit Griechenland über die
Bewältigung der bestehenden finanziellen und wirtschaftlichen Schwierig-
keiten in einer Weise zu verhandeln, die demokratische Prinzipen respek-
tiert, eine Abkehr von der gescheiterten Austeritätspolitik darstellt und den
Aufbau der Wirtschaft ermöglicht. Notwendig ist ein Schuldenmoratorium
für Griechenland ebenso wie eine Schuldenkonferenz für die gesamte Euro-
Zone. Auf keinen Fall dürfen die Griechinnen und Griechen weiter gede-
mütigt und ihrer Würde beraubt werden.

Berlin, den 30. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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