BT-Drucksache 18/5301

Havarie des Frachters Purple Beach in der deutschen Nordsee

Vom 17. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5301
18. Wahlperiode 17.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden),
Peter Meiwald, Tabea Rößner, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Havarie des Frachters Purple Beach in der deutschen Nordsee

Am 25. Mai 2015 hatte sich an Bord des Schiffes Purple Beach (Flagge: Mar-
shall Inseln, Eigentum: Deutschland) in der Nordsee ein Teil der Ladung erhitzt.
Das Havariekommando (HK) als gemeinsame Einrichtung des Bundes und der
Küstenländer zur Koordinierung der Unfallmanagements übernahm eigenen
Pressemitteilungen zufolge am Morgen des 26. Mai 2015 die Gesamt-Einsatz-
leitung über die staatlichen Einsatzkräfte. Geladen hatte das Schiff u. a. Dünge-
mittel der Bezeichnung „Nitrophoska 15+15+15+2 S“ (Nitrophoska) als Mas-
sengut. Das Schiff war auf dem Weg in den Hafen Brake (Wesermarsch).
In der Nähe von Helgoland in deutschem Gewässer hatten Besatzungsmitglieder
eine leichte Rauchentwicklung aus einem Laderaum des Schiffes bemerkt, wo-
raufhin die Besatzung ankerte und zur Verminderung der Rauchentwicklung
Kohlendioxid in den Lagerraum zuführte. Vom HK eingesetzte Brandschutz-
experten stellten später eine erhöhte Schadstoffkonzentration fest, die Besatzung
und Einsatzkräfte wurden geborgen. Obwohl laut Sicherheitsdatenblatt von
Nitrophoska keine Explosionsgefahr ausgeht, der Dünger aber zur Selbsterhit-
zung neigt, wurde in der Presse vor Explosionen gewarnt. Im Mittelpunkt der
Aktivitäten von Besatzung und Einsatzkräften bei solchen Havarien steht zu-
nächst die Reduzierung der möglichen Gefahren, um die Sicherheit der betrof-
fenen Menschen sowie den Schutz der Umwelt zu gewährleisten. Es ist daher zu
hinterfragen, ob durch das HK die richtigen Unfallmanagement-Maßnahmen
eingeleitet und Schäden minimiert wurden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) In welche Art Düngemittel wird nach Kenntnis der Bundesregierung

Nitrophoska eingestuft, und welche Stoffeigenschaften sowie mögliche
Gefahren besitzt es (bitte auch IMO-Gefahrgutklasse bzw. -Unterklasse
angeben)?

b) Aus welchen Gründen bestand nach Kenntnissen der Bundesregierung im
Rahmen der Havarie des Schiffes Purple Beach Explosionsgefahr, und auf
welcher Grundlage kam es zu dieser Annahme?

2. a) Welche Güter in welcher Menge hatte das Schiff Purple Beach zum Hava-
riezeitpunkt geladen?

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b) Welcher Teil der Ladung des Schiffes Purple Beach (Art, Hersteller, Zünd-
temperatur, Verpackung, Menge, Lade- und Bestimmungshafen) entwi-
ckelte nach Kenntnis der Bundesregierung seit wann und aus welchem
Grund den von der Besatzung bemerkten Rauch?

3. a) Welche nationale Stelle wurde nach Kenntnis der Bundesregierung durch
die Schiffsführung der Purple Beach zu welchem Zeitpunkt mit welchen
Informationen erstmals mit welchem Ergebnis über die Rauchentwick-
lung informiert?

b) Von welcher nationalen Stelle wurde nach Kenntnis der Bundesregierung
zu welchem Zeitpunkt aus welchem Grund aufgrund welcher Informatio-
nen die Lage an Bord des Schiffes Purple Beach als Schadenslage einge-
stuft?

c) Aus welchem Grund und auf welcher Grundlage hat nach Kenntnis der
Bundesregierung ab wann und bis wann das Havariekommando die Ge-
samt-Einsatzleitung übernommen?

4. Welche Schäden oder Betriebsbeeinträchtigungen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung durch die Rauchentwicklung an welchen Hauptmotoren,
stromerzeugenden Hilfsmotoren, Pumpen, Rohrleitungen, Sicherheitsein-
richtungen oder anderen Betriebssystemen der Purple Beach verursacht?

5. Welche durch den ausgetretenen Rauch verursachten gesundheitlichen Schä-
den wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wann von wem bei welchem
Besatzungsmitglied des Schiffes Purple Beach festgestellt?

6. a) Wird in einschlägigen Empfehlungen nach Kenntnis der Bundesregierung
bei Selbsterhitzung von Schiffsladungen ausschließlich Wasser als Lösch-
mittel des Düngemittels Nitrophoska empfohlen?
Wenn nein, welche weiteren Löschmittel gelten demnach als geeignet, und
welche Reaktionseigenschaft hat der Stoff mit Wasser?

b) Durch welche Maßnahmen kann nach Kenntnis der Bundesregierung die
Selbsterhitzung des Düngemittels Nitrophoska vermieden werden?

c) Durch welche Maßnahmen wurde die Temperatur des Düngemittels
Nitrophoska im Laderaum gesenkt?

7. a) Welche Temperatur hatte nach Kenntnis der Bundesregierung die Ladung
des Schiffes am 25., 26. und 27. Mai 2015 zu welchem Zeitpunkt aus wel-
chem Grund durch wen und an welcher Stelle gemessen erreicht, und wel-
chen Zündpunkt hat der Gefahrstoff Nitrophoska?

b) Welche Ursache hatte nach bisherigen Erkenntnissen der Bundesregie-
rung die Rauchentwicklung, und welche wann von wem gemessenen
Schadstoffe waren darin enthalten?

8. a) Welche Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr hat nach Kennt-
nis der Bundesregierung das HK im Zusammenhang mit dieser Havarie
wann aus welchem Grund und mit welchem jeweiligen Ergebnis koordi-
niert?

b) Welche Bergungsmaßnahmen hat nach Kenntnis der Bundesregierung das
HK im Zusammenhang mit dieser Havarie wann aus welchem Grund und
mit welchem jeweiligen Ergebnis koordiniert bzw. wird es noch koordi-
nieren?

c) Welche Einsatzkräfte und Einsatzfahrzeuge wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung wann von wem aus welchem Grund für welchen Zeit-
raum mit welcher Aufgabe und welchem Ergebnis im Zusammenhang mit
dieser Havarie eingesetzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5301
9. Welche Gefahr bestand nach Kenntnis der Bundesregierung durch die
Rauchentwicklung zu welchem Zeitpunkt aus welchem Grund für die Be-
satzung des Schiffes, und wie hätte sich die Besatzung dagegen schützen
oder geschützt werden können?

10. a) Welche Umweltgefahr geht nach Kenntnis der Bundesregierung von dem
im Schiff verbliebenen Löschwasser aus welchem Grund aus, um welche
belasteten Mengen mit welchen Schadstoffen in welcher Konzentration
handelt es sich, und wie wird die durch wen veranlasste Entsorgung
durch wen wo erfolgen?

b) Welche Umweltgefahr geht nach Kenntnis der Bundesregierung von im
Schiff vorhandenem, mit Löschwasser oder anderen Schadstoffen ver-
mischtem Ballastwasser aus, um welche belasteten Mengen mit welchen
Schadstoffen in welcher Konzentration handelt es sich, wie konnte es zu
einer solchen Vermischung kommen, und wie wird die Entsorgung des
belasteten Ballastwassers erfolgen?

11. Bis zu welchem Zeitpunkt bestand nach Kenntnis der Bundesregierung nach
Einlaufen der Purple Beach keine Möglichkeit einer gefahrlosen Treibstoff-
übergabe für Haupt- oder Hilfsmaschinen, und wie wurde durch wen aus
welchem Grund der Schiffsbetrieb während der Ankerung auf Reede, wäh-
rend der Verschleppung nach Wilhelmshaven und während des Hafenauf-
enthalts in Wilhelmshaven sichergestellt?

12. Welche Mengen und Arten von Treibstoffen befanden sich nach Kenntnis
der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Ankerung und beim Einlaufen in
Wilhelmshaven an Bord des Schiffes Purple Beach?

13. Welche wie erkennbaren Folgen hatte nach Kenntnis der Bundesregierung
der Einsatz der bordeigenen Kohlendioxid-Löschanlage des Schiffes Purple
Beach auf die Rauchentwicklung?

14. Mit welchen Ballast-, Lenz-, Deckwasch- und Feuerlöschpumpen sowie
Notpumpen ist das Schiff Purple Beach nach Kenntnis der Bundesregierung
ausgerüstet, und welche dieser Pumpen waren aus welchem Grund ab wann
für welchen Zeitraum nicht betriebsbereit?

15. Welche Gefahr einer chemischen Reaktion mit welchen physikalischen Fol-
gen bestand nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchem Grund ab
welchem und bis zu welchem Zeitpunkt an Bord des Schiffes Purple Beach?

16. Welche Maßnahmen zur Verringerung der Rauchentwicklung wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung von der Besatzung des Schiffes Purple
Beach auf wessen Anweisung ab wann aus welchem Grund und mit wel-
chem Ergebnis durchgeführt, und auf wessen Anweisung und aus welchem
Grund wurden diese Maßnahmen ab wann aus welchem Grund und mit wel-
chem Ergebnis eingestellt?

17. a) Auf welcher Position ankerte das Schiff Purple Beach am 25. Juni 2015
nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchem Grund, und von wem
war diese Ankerung angewiesen und diese Position zugewiesen worden?

b) Wie weit ist nach Kenntnis der Bundesregierung diese Ankerposition
von Helgoland, Wangerooge, Cuxhaven, Wilhelmshaven, Bremerhaven,
Büsum, Husum und Norddeich entfernt (Distanz und Richtung)?

18. Wann wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Besatzung des Schif-
fes Purple Beach aus welchem Grund auf wessen Anweisung und durch wen
von Bord evakuiert?

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19. Durch wen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchem Grund
ein Sperrgebiet für welchen Zeitraum mit welchen Abmaßen um das Schiff
Purple Beach eingerichtet?

20. a) Aus welchem Grund wurde nach Kenntnis der Bundesregierung auf wes-
sen Anweisung, durch welche Einsatzkräfte, mit welchen Einsatzmitteln
und in welchem Zeitraum der betroffene Laderaum mit welchen Folgen
für die Ladung, Stabilität und den Tiefgang über welche Zugänge mit wie
viel Seewasser geflutet?

b) Aus welchem Grund wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der be-
troffene Laderaum nicht über die bordeigenen Systeme mit Seewasser
geflutet (www.faz.net vom 26. Mai 2015 „Löscharbeiten auf der ,Purple
Beach‘ haben begonnen“)?

c) Aus welchem Grund wurde nach Kenntnis der Bundesregierung durch
die Einsatzkräfte der betroffene Laderaum nicht mit Kohlendioxid über
die bordeigene Kohlendioxid-Löschanlage geflutet, und zu welchen Fol-
gen für die Ladung, Stabilität und den Tiefgang hätte ein solches Fluten
mit Kohlendioxid geführt?

21. An welchem Küstenstandort wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im
Zusammenhang mit der Rauchentwicklung an Bord des Schiffes Purple
Beach aus welchem Grund für welchen Zeitraum mit welchen Messergeb-
nissen von wem welche Luftmessung auf welche Schadstoffe durchgeführt?

22. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung zur Information der von Ge-
ruchsbelästigung betroffenen Bürger ein Bürgertelefon eingerichtet?
Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, von wem für welchen Zeitraum mit
wie vielen telefonischen Anfragen von wo, die sich aus welchem Grund mit
welcher Eindeutigkeit auf eine Wahrnehmung des durch das Schiff Purple
Beach verursachten Rauch zurückführen lassen?

23. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die
Schiffsführung, den Eigentümer und den Betreiber des Schiffs Purple Beach
wann und mit welchem Ergebnis zur Verringerung der Rauchentwicklung,
zur Bekämpfung der Entstehung eines Brandes, zur Messung der Ladungs-
temperatur selbst oder durch eine Beauftragung eines Bergungsunterneh-
mens durchgeführt?

24. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung auf Bitten der Schiffsführung
oder der Reederei des Schiffes Purple Beach Wilhelmshaven angelaufen?
Wenn ja, aus welchem Grund und mit welchem Ziel, und wenn nein, von
wem wurde dieses Einlaufen aus welchem Grund mit welchem Ziel ange-
ordnet?

25. Welche Kosten sind nach Kenntnis der Bundesregierung durch die staat-
lichen Gefahrenabwehr- und Bergungsmaßnahmen auf Reede, während der
Verschleppung nach Wilhelmshaven und während der Liegezeit in Wil-
helmshaven entstanden, und von wem werden diese Kosten getragen?

Berlin, den 17. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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