BT-Drucksache 18/5276

zu dem Antrag der Abgeordneten Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/3151 - Von Anfang an beteiligen-Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche im demografischen Wandel stärken

Vom 18. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5276
18. Wahlperiode 18.06.2015
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer,
Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/3151 –

Von Anfang an beteiligen – Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche
im demografischen Wandel stärken

A. Problem
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt in ihrem Antrag fest, dass der Ge-
währleistung der Rechte von Kindern und Jugendlichen, wie sie in der inzwischen
25 Jahre bestehenden UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben seien, in einer
generationengerechten Gesellschaft eine besondere Bedeutung zukomme. Kinder
und Jugendliche müssten dort beteiligt werden, wo sie direkt oder künftig betroffen
seien. Demokratische Entscheidungen, in die Kinder und Jugendliche z. B. in der
Kindertagesstätte, in der Schule, in der Jugendeinrichtung oder im Wohnviertel ein-
gebunden seien, hätten eine breitere Akzeptanz. Kinder aus benachteiligten sozialen
Lagen profitierten besonders stark davon, im jungen Alter beteiligt zu werden. In der
UN-Kinderrechtskonvention und in der EU-Grundrechtecharta seien starke Partizi-
pationsrechte formuliert, deren Prinzipien jedoch in Deutschland nicht vollständig
umgesetzt seien.
Der Bund müsse gemeinsam mit den Ländern und Kommunen eine Beteiligungsof-
fensive starten und einen Nationalen Aktionsplan zur altersgerechten Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen entwickeln. Darüber hinaus soll nach dem Antrag die
Bundesregierung u. a. aufgefordert werden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die
Kinderrechte im Grundgesetz klarstelle, Kinder als Träger eigenständiger Rechte de-
finiere und ihre Beteiligungsrechte konkretisiere. Daneben werden die Einrichtung
einer unabhängigen Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonven-
tion sowie die Senkung des Wahlalters für Bundestags- und Europawahlen auf
16 Jahre gefordert.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Drucksache 18/5276 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5276
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/3151 abzulehnen.

Berlin, den 17. Juni 2015

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Eckhard Pols
Berichterstatter

Sönke Rix
Berichterstatter

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Doris Wagner
Berichterstatterin

Drucksache 18/5276 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Eckhard Pols, Sönke Rix, Norbert Müller (Potsdam) und
Doris Wagner

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/3151 wurde in der 66. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Novem-
ber 2014 dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie dem
Innenausschuss, dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und dem Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Um den Ausgleich zwischen den Generationen zu bewahren, sieht es die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN in ihrem Antrag als zentral an, die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker zu berücksichtigen,
sie artikulationsstark zu machen und ihre Mitwirkungs- und Partizipationsmöglichkeiten auszubauen und recht-
lich abzusichern. Der Gewährleistung der Rechte von Kindern und Jugendlichen – wie sie die inzwischen 25
Jahre bestehende UN-Kinderrechtskonvention festschreibe – komme in diesem Zusammenhang eine besondere
Bedeutung zu. In einer generationengerechten Gesellschaft müsse es Kindern und Jugendlichen möglich sein,
ihre Interessen auch selbstständig vertreten zu können. Frühe Beteiligung schärfe den Sinn für das Gemein-
wohl, stärke Zusammenhalt und Generationendialog, fördere Integration und Gerechtigkeit. Die Senkung des
Wahlalters auf allen politischen Ebenen sei dabei ein wichtiges Element. Gleichzeitig müssten Kinder und
Jugendliche dort beteiligt werden, wo sie direkt oder künftig betroffen seien. Partizipation von Kindern und
Jugendlichen finde häufig in ihrem direkten Lebensumfeld vor Ort statt, hier kristallisierten sich viele ihrer
Anliegen: durch die Beteiligung an der Gestaltung und Erneuerung des Wohnumfeldes könnten sie ihre Anlie-
gen und Ideen einbringen und es könne eine kinder-, jugend- und familienfreundlichere Umgebung entstehen.
Demokratische Entscheidungen, in die Kinder und Jugendliche eingebunden seien, hätten eine breitere Akzep-
tanz und würden durch die Beteiligung der Betroffenen in der Regel qualitativ besser.
Nach dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,
1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Kinderrechte im Grundgesetz klarstelle, Kinder als Träger eigen-

ständiger Rechte definiere und ihre Beteiligungsrechte bei sie betreffenden Angelegenheiten konkretisiere;
2. eine unabhängige Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention einzurichten, die u. a.

die Umsetzung des Artikels 12 der Konvention überwache und von der Zivilgesellschaft begleitet werde;
3. einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre zu

senken und analog auf die Bundesländer einzuwirken, für Kommunal- und Landtagswahlen das Wählen
ab 16 Jahren zu ermöglichen;

4. einen Nationalen Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung aufzulegen, diesen mit konkreten ter-
mingebundenen und messbaren Zielen und Vorgaben zu versehen und folgende Punkte darin aufzuneh-
men:
a) eine Informationskampagne, die Kinder und Jugendliche sowie Eltern und Fachkräfte in Kinderta-

geseinrichtungen und Schulen über die Rechte und Partizipationsmöglichkeiten sowie über Be-
schwerdemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen informiere,

b) die Umsetzung und Bekanntmachung der im Rahmen des Nationalen Aktionsplans „Für ein kinder-
gerechtes Deutschland 2005–2010“ entwickelten Qualitätsstandards für die Beteiligung von Kindern
und Jugendlichen,

c) Qualifizierungsangebote für die Unterstützung bei der Durchführung von Beteiligungsprozessen, um
Kindern und Jugendlichen Ansprechpersonen zur Verfügung zu stellen, mit Hilfe derer sie ihre Inte-
ressen in Entscheidungsprozesse einbringen könnten. Darüber hinaus bedürfe es einer Absicherung
der Vernetzung über die kommunale Ebene hinaus, um einen qualifizierten Austausch über den Be-
darf nach Ansprechpersonen, die Jugendbeteiligung organisieren, sicherzustellen,

d) die Entwicklung und Bekanntmachung von Programmen, die gezielt sozial benachteiligte Kinder und
Jugendliche ansprächen und sie zur Mitwirkung motivierten,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5276

e) die Stärkung der politischen Bildung und Investitionen in nichtformale Bildung durch Sicherung und
Weiterentwicklung der Strukturen und Arbeitsfelder der freien Träger der Jugendhilfe auf Bundes-
ebene,

f) die Entwicklung eines Konzepts für ein funktionsfähiges Beschwerdemanagementsystem im Rahmen
eines evaluierten Modellprojektes, über das dem Deutschen Bundestag zu berichten sei. Dies bein-
halte die Schaffung von bedarfsgerechten Ombudschaften in der Kinder- und Jugendhilfe, die Ein-
richtung von unabhängigen Beschwerdestellen auf kommunaler Ebene und eine nationale Beschwer-
destelle für Kinderrechte. Die Aufgabe der nationalen Beschwerdestelle sollte auch die Vernetzung
und der Erfahrungsaustausch innerhalb kommunaler Beschwerdestellen und Ombudschaften sein. Sie
solle in engem Kontakt mit der unabhängigen Monitoringstelle stehen;

5. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Kinder und Jugendliche in Ergänzung zu den Personensorgeberech-
tigten zu eigenständigen Leistungsberechtigten im Sozialgesetzbuch VIII mache. Dies sei insbesondere
für Leistungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) und bei dem Recht auf Beratung
ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten (§ 8 Absatz 3 SGB VIII) relevant;

6. die sich aus der Rücknahme des deutschen Vorbehaltes zur UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 2010
ergebenden Gesetzesanpassungen im Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz vorzunehmen, um so die
Teilhabemöglichkeiten für begleitete – aber insbesondere auch für unbegleitete – Flüchtlingskinder zu
erhöhen;

7. bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen die Kinder und Jugendliche beträfen, ihr Wohl und kindge-
rechte Lebensbedingungen als einen Gesichtspunkt zu verankern, der vorrangig zu berücksichtigen sei,
und dies im § 1 des Baugesetzbuches zu verankern. In § 4b des Baugesetzbuches sollten kinder- und ju-
gendgerechte Beteiligungsverfahren und Verantwortlichkeiten in der Kommune aufgenommen werden;

8. die Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Bauleitplanung durch eine Präzisierung der Planungsleit-
linien und der Festsetzungsmöglichkeiten nach der Baunutzungsverordnung, wie z. B. für Jugendplätze
und Naturerfahrungsräume, zu stärken;

9. die Kinder- und Jugendbeteiligung in der Regionalentwicklung, im Rahmen der Ausgestaltung des Euro-
päischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie in allen Pro-
grammen des Bundes für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, insbesondere in der Städtebauförderung,
vorzusehen und zu fördern;

10. „Jugendverbände“ in die Aufzählung der relevanten Akteurinnen und Akteure bei der Erarbeitung der
integrierten ländlichen Entwicklung (ILEKs) in den Rahmenplan der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbes-
serung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ aufzunehmen;

11. auf die Bundesländer einzuwirken,
a) Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Belangen nach dem Vorbild der Ge-

meindeordnung Schleswig-Holsteins festzuschreiben, wozu auch altersangemessene Verfahren ge-
hörten;

b) ein Verbandsklagerecht für anerkannte Kinder- und Jugendverbände einzuführen, mit deren Hilfe die
Verbände die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen gegenüber der Kommune einfordern könnten;

c) Beteiligung zum tragenden Leitprinzip aller Bildungseinrichtungen zu erheben. Das umfasse:
– verbindliche Demokratie- und Teilhabekonzepte für Kindertagesstätten in den Kindertagesstät-

tengesetzen, wie sie auch für die Vergabe von Betriebserlaubnissen im Bundeskinderschutzgesetz
vorgesehen seien, die Förderung von flächendeckenden Qualifizierungsmaßnahmen für Fach-
kräfte sowie von Modellprojekten wie die „Kinderstube der Demokratie“;

– eine Demokratisierung der Schulkultur. Hierzu gehöre es, Vielfalt als Wert zu erfahren und anzu-
erkennen. Darüber hinaus müssten Lernen durch Engagement, Probewahlen an Schulen (parallel
zu Europa-, Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen), selbstverantwortete Lernzeiten in
Ganztagsschulen und die Einbeziehung außerschulischer Akteure in den Schulalltag stärker ge-
fördert werden. Bundesprogramme wie „Lernen vor Ort“ müssten wieder aufgegriffen und Bil-
dungslandschaften darüber zu Beteiligungslandschaften weiterentwickelt werden;

– eine Stärkung der Schülerinnen- und Schülervertretungen, indem Ressourcen zur Verfügung ge-
stellt und Mitspracherechtsnormen verbrieft würden;

– eine stärkere Berücksichtigung politischer Bildung und Partizipation im Rahmenlehrplan.

Drucksache 18/5276 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 6. Mai 2015 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des
Antrags empfohlen.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat in seiner Sitzung am 6. Mai 2015
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.
Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat in seiner Sitzung am
6. Mai 2015 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung des Antrags.
Der Ausschuss hat die Vorlage in seiner 39. Sitzung am 17. Juni 2015 beraten. Hierzu lagen ihm Stellungnah-
meersuchen des Petitionsausschusses gemäß § 109 Absatz 1 Satz 2 GO-BT zu zwei Petitionen vor. In der einen
Petition wird eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre gefordert. In der anderen Petition wird im Hinblick
darauf, dass Briefwahlstimmen von Personen, die vor dem Wahltag verstorben seien, mitgezählt würden, eine
Änderung des aktiven Wahlrechts in Artikel 38 Grundgesetz dahingehend vorgeschlagen, dass wahlberechtigt
sei, wer das 18. Lebensjahr spätestens einen Monat nach dem Wahltag vollendet habe.
Im Rahmen der Ausschussberatung stellte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fest, dass die demo-
grafische Entwicklung die Gesellschaft verändere. Es gebe immer weniger junge Menschen und die Gesell-
schaft werde insgesamt älter. 25 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention sei diese in
Deutschland noch nicht vollständig umgesetzt. Ziel der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei es, eine
generationengerechte Gesellschaft zu verwirklichen. Hierfür müssten junge Menschen konsequenter beteiligt
werden. Kinder und Jugendliche müssten in die Lage versetzt werden, ihre Interessen zu artikulieren und sich
selbst zu vertreten. Eine frühe Beteiligung schärfe den Sinn für das Gemeinwohl und stärke den Zusammenhalt
der Generationen. Partizipation von Kindern und Jugendlichen finde in der Regel in ihrem direkten Lebensum-
feld – in der Kita, der Schule, den Jugendeinrichtungen und den Wohnvierteln – statt. Sie könne dazu beitragen,
soziale Benachteiligung zu kompensieren. Kinder und Jugendliche sollten als Expertinnen und Experten in
eigener Sache verstanden werden.
In dem Antrag werde unter anderem eine unabhängige Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-Kinderrechts-
konvention, eine Senkung des Wahlalters für alle Wahlen auf 16 Jahre sowie ein Nationaler Aktionsplan für
Kinder- und Jugendbeteiligung gefordert. In diesen Aktionsplan sollten z. B. die Entwicklung von Programmen
für sozial benachteiligte Kinder und eine Stärkung der politischen Bildung aufgenommen werden. Die Rechte
von Kindern und Jugendlichen in der Bauleitplanung sollten präzisiert werden und sie sollten bei regionalen
Entwicklungsvorhaben gehört werden. Außerdem fordere man die Bundesregierung auf, dass sie auf die Bun-
desländer einwirke, die Kinder- und Jugendbeteiligung in den Gemeindeordnungen festzuschreiben, wie dies
z. B. in Schleswig-Holstein der Fall sei. Für anerkannte Kinder- und Jugendverbände sollte ein Verbandskla-
gerecht eingeführt werden.
Zu der Forderung, das Wahlalter zu senken, sei von Bedeutung, dass gerade auch Kinder und Jugendliche
Träger von Grundrechten seien. Es müsse gewährleistet werden, dass dies auch umgesetzt werde. Der nachhal-
tigste Weg, um dies zu erreichen, sei eine stärkere Partizipation und politische Teilhabe. In einer Demokratie
bedeute dies die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts, wie es in einigen Gesetzentwürfen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits gefordert worden sei. Ein frühes Wahlrecht werde auch als klares Signal
der Gesellschaft an die junge Generation verstanden, dass man den Willen habe, sie an zentralen Zukunftsent-
scheidungen teilhaben zu lassen. Im Sinne der Generationengerechtigkeit müsse dafür Sorge getragen werden,
dass auch die nachfolgenden Generationen noch politische Handlungsspielräume hätten, um ihre Umwelt mit-
zugestalten. Hierfür sei das Erlernen und Praktizieren von Partizipation unerlässlich. Mit der Herabsetzung des
Wahlalters werde den Jugendlichen gezeigt, dass man Vertrauen in ihr Urteilsvermögen und in ihre Fähigkeit
zu einer eigenständigen Willensbildung habe.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5276
Die Fraktion der CDU/CSU trug vor, der vorliegende Antrag bringe im Vergleich zu früheren Anträgen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dieser Thematik nichts Neues. Die darin enthaltenen Forderungen
kollidierten in großen Teilen mit dem Verfassungsprinzip der föderalen bundesstaatlichen Ordnung, wonach
es geteilte Zuständigkeiten und bestimmte gemeinsame Aufgaben gebe. Dies gelte z. B. für die Forderungen
zu Kitas, Schulen und Universitäten. Es gebe gute Gründe dafür, dass bestimmte Entscheidungen von den
Ländern und den Kommunen getroffen würden. In dem Antrag werde festgestellt, dass Kinder vor allem in
ihrem Lebensumfeld partizipieren wollten und auch sollten. Dies betreffe in der Regel keine bundesrechtlichen
Fragen, sondern beispielsweise den Spielplatz vor Ort, das Mittagessen in der Kita oder die nahe gelegene
Skaterbahn. Aus dem Antrag werde deutlich, dass die Antragsteller wenig Vertrauen in die Kommunen und
die kommunalen Mandatsträger hätten. Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel gingen viele
Städte neue und innovative Wege bei der Kinder- und Jugendfreundlichkeit. Offenheit für die Belange von
Kindern und Familien sowie für deren Bedürfnisse seien ein Standortvorteil, den Lokalpolitikerinnen und -
politiker gerne für sich nutzten. Mit einem ähnlichen Misstrauen begegneten die Antragsteller Lehrern und
Fachkräften in Betreuungseinrichtungen. Dies sei jedoch mit Blick auf das Engagement der Eltern, Erzieher
und Lehrer bei der Einbindung der Kinder und deren Bewusstseinsbildung nicht gerechtfertigt.
Die Forderungen nach Einrichtung einer Monitoringstelle zur Überwachung der UN-Kinderrechtskonvention
und nach einer Stärkung der Kinderrechte seien durchaus diskussionswürdig. Es sei bekannt, dass sich die
Koalitionsfraktionen zu beiden Punkten in einer Diskussion befänden. Vor zwei Tagen habe eine öffentliche
Beratung des Petitionsausschusses zu einer Petition stattgefunden, in der die Einsetzung eines Kinderbeauf-
tragten auf Bundesebene gefordert werde. In den Koalitionsfraktionen fänden derzeit intensive Beratungen
über dieses Anliegen statt. Die CDU/CSU-Fraktion wolle dem Ergebnis dieses Diskussionsprozesses nicht
vorgreifen und werde bereits aus diesem Grund den vorliegenden Antrag ablehnen.
Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehe in die
richtige Richtung, weshalb man ihm im Ergebnis zustimmen werde. Es gebe keinen Anlass zu der von der
CDU/CSU-Fraktion geäußerten Kritik, der Antrag sei von Misstrauen gegenüber den Entscheidungsträgern in
den Ländern und Kommunen geprägt. Demgegenüber sei festzustellen, dass die meisten „Hausaufgaben“ auf
Bundesebene zu bewältigen seien. So seien in den Ländern bereits Erfolge bei der Senkung des Wahlalters
erzielt worden. Das Land Brandenburg habe das Wahlalter von 16 Jahren für die Landtagswahlen und für die
Kommunalwahlen in die Landesverfassung aufgenommen. Bei diesen Wahlen und auch bei Volksbegehren sei
bislang bei den Jungwählern eine höhere Wahlbeteiligung als in den meisten anderen Altersjahrgängen zu ver-
zeichnen. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, die Diskussion auf Bundesebene im Hinblick auf die dortigen
Defizite voranzutreiben.
Man teile nicht den argumentativen Ansatz der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aufgrund der demogra-
fischen Entwicklung müsse ein Generationenkonflikt vermieden werden und deshalb müsse man die Beteili-
gungsrechte von Kindern und Jugendlichen stärken. Die richtige Begründung dafür sei, dass Kinder und Ju-
gendliche Rechtsansprüche auf Beteiligung hätten, die sich aus der UN-Kinderrechtskonvention ergäben und
die in nationales Recht überführt werden müssten. Deshalb sollten beispielsweise Kinderrechte im Grundgesetz
verankert werden. Dies werde grundsätzlich auch von der SPD-Fraktion so gesehen. Ein weiterer Kritikpunkt
an dem Antrag sei, dass er nicht die Forderung nach Bereitstellung der sozialen Infrastruktur enthalte, damit
die Beteiligungsrechte auch wahrgenommen werden könnten. In vielen Fällen sei dies eine Aufgabe von Län-
dern und Kommunen, wobei diese häufig nicht in der Lage seien, dies zu finanzieren. Ein wesentlicher Grund
dafür sei die „Störgesetzgebung“ des Bundes in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Deshalb müsse der Bund
die Länder und Kommunen ertüchtigen, die soziale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die bloße Stärkung
der Rechtssubjekte reiche nicht aus.
Um den Diskussionsprozess in den Koalitionsfraktionen voranzubringen, sei es notwendig, dass von Seiten der
Oppositionsfraktionen immer wieder Anträge zu der Thematik vorgelegt würden. In diesem Sinne werde man
die Debatte über einen Kinderbeauftragten und über eine Stärkung der Kinderrechte sowie möglicherweise
deren Aufnahme ins Grundgesetz weiterhin begleiten. Politischer und gesellschaftlicher Druck sei notwendig,
um eine Stärkung der Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche durchzusetzen.
Die Fraktion der SPD erklärte, der Antrag enthalte viele richtige und wichtige Punkte. Die Forderungen nach
einer Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz und nach einer Senkung des Wahlalters seien im Wahl-
programm der SPD enthalten gewesen. Allerdings seien dies Punkte, auf die man sich innerhalb der Koalition
bislang nicht habe verständigen können. Derzeit gebe es einen Diskussionsprozess über die Frage eines Kin-
derbeauftragten, wobei auch Fragen des Beschwerdemanagements erörtert würden. Hier würden verschiedene
Ausgestaltungsmöglichkeiten erörtert. Im Hinblick auf diese laufenden koalitionsinternen Beratungen könne
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/5276 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
man dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN derzeit nicht zustimmen. Die Gemeindeordnung
von Schleswig-Holstein sei ein positives Beispiel für die Stärkung von Partizipationsrechten für Kinder und
Jugendliche. Es sei wünschenswert, wenn auch in anderen Bundesländern derartige Regelungen getroffen wür-
den. Dieses Modell sei bislang allerdings auch noch nicht in allen Bundesländern, in denen die Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN an der Regierung beteiligt sei, verwirklicht worden.
Die Vertreterin der Bundesregierung wies darauf hin, dass die Koalition eine Reihe von neuen Partizipati-
onsmöglichkeiten für Jugendliche geschaffen habe. Beispielsweise sei im Rahmen der Demografiestrategie der
Bundesregierung eine Arbeitsgruppe mit dem Titel „Jugend gestaltet Zukunft“ eingesetzt worden. Dieser ar-
beiteten Jugendliche vor Ort, insbesondere aus den ländlichen Regionen, im Rahmen von sogenannten Demo-
grafiewerkstätten zu. Es würden Vorschläge gesammelt, die dann an andere Arbeitsgruppen im Rahmen der
Demografiestrategie weitergegeben würden. Auch die Projekte im Rahmen des Programms „Demokratie Le-
ben“ seien partizipativ angelegt. In diesem Zusammenhang sei außerdem das gemeinsame ESF-Programm des
BMFSFJ und des BMUB „Jugend stärken im Quartier“ von Bedeutung, das speziell auf Jugendliche und deren
Partizipation in den Stadtteilen vor Ort und in den Gemeinden zugeschnitten sei.

Berlin, den 17. Juni 2015

Eckhard Pols
Berichterstatter

Sönke Rix
Berichterstatter

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Doris Wagner
Berichterstatterin

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