BT-Drucksache 18/524

Weitere Erkenntnisse über die Geheimorganisation "Gladio"

Vom 13. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/524
18. Wahlperiode 13.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Petra Pau, Martina Renner und der Fraktion
DIE LINKE.

Weitere Erkenntnisse über die Geheimorganisation „Gladio“

Die Geschichte der von der NATO aufgebauten geheimen „Stay-behind“-Orga-
nisation (Gladio) bleibt bis heute in weiten Teilen unaufgedeckt. Bekannt ist,
dass sie sich während des Kalten Krieges auf subversive Maßnahmen gegen eine
potenzielle Besetzung durch die Warschauer-Vertrags-Staaten vorbereitet hatte;
dazu gehörten auch Übungen. Überall in Europa wurden Geheimdepots mit
Waffen, Funkgeräten und Kartenmaterial angelegt. Es besteht der konkrete Ver-
dacht, dass „Gladio“ in manchen Staaten auch hinter Terroranschlägen steckt,
wie zum Beispiel auf den Bahnhof in Bologna 1980.
Die Fragesteller haben sich in der Vergangenheit mehrfach bei der Bundesregie-
rung nach Erkenntnissen zur Geschichte von Gladio und der konkreten Betei-
ligung des Bundesnachrichtendienstes (BND) erkundigt. Die Bundesregierung
hat dazu erklärt, sie habe seit dem Jahr 1990 „keine Notwendigkeit“ gesehen,
„sich mit diesem Problemkomplex weiter zu befassen“ (vgl. Bundestags-
drucksache 17/13615) und „dass die weitere Aufklärung […] der Justiz und der
historischen Forschung überlassen bleiben sollte“ (vgl. Bundestagsdrucksache
17/14815).
Die Bundesregierung hat erst im Zuge der Beantwortung Kleiner Anfragen, un-
ter anderem durch die Fraktion DIE LINKE., mit einer umfassenden Akten-
recherche begonnen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14815, Vorbemerkung der
Bundesregierung).
Es bleiben somit zahlreiche Fragen über die Tätigkeiten dieser Geheimdienst-
verbände offen. Offiziell eingeräumt wird nach dem Eindruck der Fragesteller
zumeist nur, was über die Medien ohnehin schon bekannt geworden ist. Zu den
Fragen, über die sich die Fragesteller nun aber Aufschluss erhofft haben, gehö-
ren auch die Umstände der beiden Ende der 90er-Jahre in Berlin aufgefundenen
Depots bislang unbekannter Alliierter – obwohl sämtliche Depots schon im Jahr
1972 aufgelöst sein sollten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann genau wurden die beiden Berliner Depots nach Kenntnis der Bundes-

regierung aufgefunden?
2. Wie waren nach Kenntnis der Bundesregierung die näheren Umstände dieses

Auffindens durch das Landeskriminalamt Berlin?

Drucksache 18/524 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Welche Behörden oder Stellen hatten nähere Hinweise auf die Fundorte er-
halten, und von welcher Seite?

3. War die Bundesregierung nach dem Jahr 1972 vom BND darüber informiert
worden, dass mindestens zwei Depots „nicht wiedergefunden werden konn-
ten“ (Antwort zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 17/14815), und wenn
ja, welche Konsequenzen hat die Bundesregierung damals daraus gezogen?
Wenn nein, welche Konsequenzen hat die Bundesregierung nach dem Auf-
finden dieser Depots gegenüber dem BND gezogen?

4. Wo genau haben sich diese Depots nach Kenntnis der Bundesregierung be-
funden (bitte Fundorte möglichst genau mit Angabe von Adressen oder
GPS-Daten angeben)?
War das Gelände bzw. die Immobilie zum damaligen Zeitpunkt in Privatbe-
sitz, im Besitz des Bundes, des Landes oder anderweitig in öffentlicher Hand?
Sofern es sich im Privatbesitz befunden haben sollte, in welcher Beziehung
standen Besitzer oder Eigentümer zum BND oder nach Kenntnis der Bun-
desregierung zu einem fremden Geheimdienst?

5. Was genau war nach Kenntnis der Bundesregierung der Inhalt der Depots
(bitte Gegenstände und Anzahl pro Depot vollständig angeben)?

6. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Fotos oder Berichte des Auf-
findens der Depots, und wenn ja,
a) wer hat diese angefertigt,
b) wo befinden sich diese heute,
c) was ist der Inhalt der Berichte,
d) was ist auf den Fotos zu sehen, und
e) ist die Bundesregierung bereit, Fotos und Berichte dem Deutschen Bun-

destag zugänglich zu machen, und wenn nein, warum nicht?
7. Was hat die Bundesregierung seither unternommen, um Rückschlüsse auf

die Anleger der Depots aus dem Bereich der Alliierten zu ziehen?
a) Aufgrund welcher Umstände steht es für die Bundesregierung offenbar

fest, dass es sich überhaupt um ein „Stay-behind“-Depot handelte?
b) Hat die Bundesregierung bei sämtlichen Alliierten nachgefragt, wer von

ihnen die Depots angelegt hat, und wenn nein, warum nicht?
8. Welche weitere Entwicklung hat es im Zusammenhang mit der Prüfung von

Vorwürfen, denen zufolge der BND für den Terroranschlag auf das Münch-
ner Oktoberfest im Jahr 1980 verantwortlich war, nach Kenntnis der Bun-
desregierung seit Erstellung der Bundestagsdrucksache 17/14815 im Okto-
ber 2013 gegeben?

9. Welche Personen der Wehrsportgruppe Hoffmann und ggf. italienischer
rechtsextremer Organisationen waren nach Kenntnis der Bunderegierung
wann und wo bei gemeinsamem „Trainings“ im Libanon?
Hatten die allfälligen italienischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach
Kenntnis der Bundesregierung Kontakte zur Gruppe Ordine Nuovo (vgl. zu
den Kontakten italienischer und deutscher Rechtsterroristen die Sendung
des Bayerischen Rundfunks „Kontrovers“ vom 15. Januar 2014, dort ge-
zeigter BND-Vermerk vom 29. September 1980)?

10. Wie viel Prozent der Altaktenbestände des BND sind mittlerweile archiva-
risch erschlossen, und wie viel Prozent hiervon sind auf Hinweise auf die
Gladio-Tätigkeiten ausgewertet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/524
Was will die Bundesregierung tun, um eine rasche Auswertung (nicht nur
Erschließung) der Akten zu gewährleisten, und inwiefern gehört hierzu
auch die Bereitstellung von Forschungsmitteln?

Berlin, den 12. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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