BT-Drucksache 18/521

Umweltprobleme beim weltbankfinanzierten Braunkohleprojekt Kosovo C

Vom 11. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/521
18. Wahlperiode 11.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Annette Groth, Heike Hänsel,
Eva Bulling-Schröter, Sevim Dağdelen, Inge Höger, Andrej Hunko,
Alexander Ulrich, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Umweltprobleme beim weltbankfinanzierten Braunkohleprojekt Kosovo C

Fünf Jahre nach der einseitig erklärten Unabhängigkeit von Serbien befindet
sich das Kosovo in einer komplizierten politischen und diplomatischen Gesamt-
situation und sieht sich mit erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Problemen
konfrontiert. Die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützer der
de-facto-Regierung des Kosovo, die Europäische Union (EU) sowie die im
Kosovo tätigen Finanzinstitutionen, die Europäische Bank für Wiederaufbau
und Entwicklung (EBWE), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die
Weltbank haben die Energieknappheit als Haupthindernis für eine erfolgreiche
Wirtschaftsentwicklung ausgemacht.
Das Kosovo verfügt über die drittgrößten Braunkohlevorkommen Europas und
die fünftgrößten Braunkohlevorkommen der Welt. Die Stromproduktion erfolgt
derzeit durch die beiden Braunkohlekraftwerke Kosovo A und Kosovo B (98 Pro-
zent) sowie in geringem Maße durch Wasserkraft aus dem Fierza Stausee (2 Pro-
zent). Ende des Jahres 2013 hat das Kosovo zudem ein Abkommen mit Albanien
über den Zusammenschluss der Netze und den wechselseitigen Austausch von
Strom, in Phasen der Stromknappheit, unterzeichnet.
Kosovo A hat eine Kapazität von 230 Megawatt (MW), Kosovo B von 680 MW.
Beide Anlagen sind veraltet. Kosovo A wird seit über 40 Jahren betrieben. Beide
Anlagen tragen erheblich zur Luftverschmutzung bei. Nach Angaben der Welt-
bank ist die Braunkohle im Kosovo für die Hälfte der vorzeitigen Todesfälle
durch Lungenkrankheiten verantwortlich.
Nichtsdestotrotz betreiben die Weltbank und die de-facto-Regierung des
Kosovo seit einiger Zeit den Neubau eines Braunkohlekraftwerks (Kosovo C,
600 MW) und wollen die Uraltanlage Kosovo A 2017 durch diese ersetzen.
Kosovo B soll grundsaniert werden. Ziel des Projekts ist es, die EU-Emissions-
standards zu erreichen, den angenommenen Spitzenbedarf von 1 200 MW zu
decken und sogar Strom auf den südosteuropäischen Energiemarkt zu exportie-
ren (Konrad-Adenauer-Stiftung „Energy – A Practical Approach for the Benefit
of Sustainable Economic Development in Kosovo“, Juni 2013).
In direktem Zusammenhang mit den bestehenden und dem geplanten Kraftwerk
steht die Ausweitung der Braunkohletagebaue. Es kommt dabei nach Angaben
von Nichtregierungsorganisationen immer wieder zu Umsiedlungen, die
zwangsweise und ohne angemessene Entschädigung oder Rechtsmittel erfolgen.

Drucksache 18/521 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Zivilgesellschaft des Kosovo (vgl. www.kosid.org, www.bicusa.org) hat
erhebliche Kritik an den Plänen der Weltbank geäußert. Nach ihrer Meinung
wäre der Neubau von Kosovo C überflüssig, wenn die angesetzten Mittel in eine
Energiewende mit Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien
fließen würden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung das Braunkohleprojekt Kosovo C

vor dem Hintergrund der neuen Energiestrategie der Weltbank, die die
Finanzierung von Kohlekraftwerken nur noch in besonderen Ausnahmen
vorsieht?

2. Sind nach Meinung der Bundesregierung die Kriterien des besonderen Aus-
nahmefalls nach der Energiestrategie der Weltbank im Fall von Kosovo C
erfüllt (bitte begründen)?

3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über mögliche Energie-
einsparmaßnahmen durch vorhandene Potenziale von Energieeffizienz-
maßnahmen im Kosovo vor?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über kurzfristig erreichbare
Einsparpotenziale im Energiebereich, und welche Kosten würden dadurch
entstehen?

5. Welche Kooperationen im Energiebereich wurden nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den letzten zehn Jahren zwischen der de-facto-Regierung
des Kosovo, Unternehmen im Kosovo und zwischen der Bundesregierung
oder anderen staatlichen Institutionen wie z. B. der KfW Bankengruppe,
der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG), der
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
mit staatlichen Institutionen oder privaten und staatlichen Unternehmen im
Kosovo geschlossen (bitte nach Projekten, Träger und Summen aufschlüs-
seln)?

6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der in den Medien verbreiteten Absicht der de-facto-Regierung des
Kosovo, das Kraftwerk Kosovo A nicht zum vorgesehenen Termin im Jahr
2017 stillzulegen, und wie wirkt die Bundesregierung darauf hin, dass die-
ses Kraftwerk vereinbarungsgemäß vom Netz geht?

7. Wie schätzt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den derzeit er-
folgenden Einbau von Großfilteranlagen in Kosovo A ein?
Haben die bei diesem Bauvorhaben beteiligten deutschen Firmen Hermes-
Garantien erhalten?

8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
für das Kosovo-Projekt im Licht der gutachterlichen Studie von Prof. Dr.
Daniel M. Kammen (University of California, Berkeley), die ein alterna-
tives, kurzfristig umsetzbares Energieszenario mit dem Schwerpunkt auf
Energieeffizienz und dem Nutzen der großen Potenziale für erneuerbare
Energien belegen?

9. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Umsiedlungsmaßnahmen
im Zusammenhang mit dem Kraftwerksprojekt und der damit verbundenen
Erweiterung der Tagebaue nach den besten verfügbaren Standards und mit
der Garantie des Rechtswegs stattfinden?

10. In welchem Umfang sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, auf die
de-facto-Regierung des Kosovo Einfluss auszuüben und den bereits umge-
siedelten Personen nachträglich eine angemessene Entschädigung zukom-
men zu lassen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/521
11. Welchen Einfluss hat das Menschenrechtskonzept des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf die Positionie-
rung der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Kosovo-Projekt und
den damit verbundenen Zwangsumsiedlungen?

12. Wie bewertet die Bundesregierung das Vorgehen der KfW Bankengruppe,
die das Energieunternehmen Vattenfall Europe Sales GmbH damit beauf-
tragte, ein Energiekonzept für das Kosovo zu erstellen, auch im Hinblick
auf die kommerziellen Interessen des Unternehmens?

13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Einschätzung des Vattenfallgutachtens (www.kostt.com/website/
images/stories/dokumente/publikime/Report_REV15_i_publikuar_ne_
web.pdf), der beste Weg zu einer „State-of-the-art“-Energieversorgung
Kosovos, sei „Investitionssicherheit für Investoren durch ein klares Be-
kenntnis zu einer langfristigen Energieversorgung auf Braunkohlebasis“,
auch angesichts der klimapolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung?

Berlin, den 10. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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