BT-Drucksache 18/5197

Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission wegen unzureichender Überwachung von Sicherheitskontrollen an Flughäfen

Vom 15. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5197
18. Wahlperiode 15.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Ulla Jelpke,
Petra Pau, Dr. Petra Sitte, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission wegen
unzureichender Überwachung von Sicherheitskontrollen an Flughäfen

Vor kurzem hat die Fraktion DIE LINKE. eine Parlamentarische Anfrage mit
Bezug auf die bei EU-Kontrollen entdeckten gravierenden Sicherheitsmängel
am Flughafen Frankfurt sowie langen Wartezeiten an den Personenkontrollen,
unter anderem in Düsseldorf, gestellt. In ihrer Antwort auf Bundestagsdruck-
sache 18/4861 hat die Bundesregierung eingeräumt, dass die Ergebnisse der EU-
Kontrollen alarmierend seien, und angekündigt, die nationalen Qualitätskon-
trollmaßnahmen zu überprüfen (Antwort zu Frage 4) – eine große Herausforde-
rung in Anbetracht dessen, dass die Bundesregierung vorgibt, nicht einmal zu
wissen, wie sich die durchschnittlichen Wartezeiten für Passagiere an den in Ver-
antwortung der Bundespolizei stehenden Personenkontrollstellen darstellen
(vgl. Antwort zu Frage 7) oder wie sich eine Kontrollmethode (körperscanner-
oder metalldetektorgestützte Kontrollspur) auf die Abfertigungszeiten (Antwort
zu Frage 15) und damit auch auf die Arbeitsbelastung von Luftsicherheitsassis-
tenten auswirkt.
Auf die Frage nach bundesweiten Konsequenzen aus dem EU-Prüfbericht zu
Frankfurt, antwortet die Bundesregierung außerdem: „Die von der EU-Kommis-
sion festgestellten Sicherheitsmängel betreffen ausschließlich den Flughafen
Frankfurt. Es lassen sich von den Ergebnissen in Frankfurt keine Rückschlüsse
für die anderen Flughäfen ziehen“ (Antwort zu Frage 3). Dies sieht die Europä-
ische Kommission offenbar anders, die in ihrer Pressemitteilung vom 28. Mai
2015 bekannt gegeben hat, dass sie die Bundesrepublik Deutschland wegen
unzureichender Überwachung von Sicherheitskontrollen an Flughäfen vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Trotz Aufforderung seitens der
Europäischen Kommission, sich an EU-Recht zu halten, habe die Bundesrepu-
blik Deutschland „jedoch die erforderlichen Maßnahmen nicht eingeleitet und
ist folglich nicht in der Lage dafür zu sorgen, dass potenzielle Sicherheitsmängel
an allen deutschen Flughäfen zügig erkannt und behoben werden“ (Pressemit-
teilung der Europäischen Kommission vom 28. Mai 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann hat das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik

Deutschland begonnen, bzw. wann ist das Auskunftsersuchen gemäß Arti-
kel 258 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union einge-
gangen, und wie hat die Bundesregierung darauf reagiert?

2. Wann ist die begründete Stellungnahme der Europäischen Kommission mit
welchen Forderungen und Fristen bei der Bundesregierung eingegangen?

Drucksache 18/5197 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Hat die Bundesregierung nach Eingang der begründeten Stellungnahme
Maßnahmen eingeleitet?
Wenn ja, welche Maßnahmen waren dies konkret, zu welchem Zeitpunkt,
und an welchem Ort?
Wenn nein, warum nicht?

4. Ist die Bundesrepublik Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung
dieser Stellungnahme innerhalb der von der Europäischen Kommission ge-
setzten Frist vollumfänglich nachgekommen?
Wenn ja, inwiefern?
Wenn nein, in welchen Punkten ist sie der Stellungnahme nicht nachgekom-
men?

5. Was hat die Bundesregierung konkret getan, um eine Klage der Europä-
ischen Kommission vor dem EuGH abzuwenden, und wie begegnet die
Bundesregierung dem Vorwurf der EU, nicht in der Lage zu sein, „dafür zu
sorgen, dass potenzielle Sicherheitsmängel an allen deutschen Flughäfen
zügig erkannt und behoben werden“?

6. Was unternimmt die Bundesregierung derzeit, um zukünftig sicherzustel-
len, dass in der Bundesrepublik Deutschland an allen Flughäfen alle Maß-
nahmen der Luftsicherheit gemäß EU-Recht regelmäßig überprüft werden?

7. Auf welchen Auskünften welcher konkreten Einrichtung oder Behörde
basiert die Aussage der Bundesregierung „Nach Einschätzung der Euro-
päischen Kommission entsprechen die ergriffenen Korrekturmaßnahmen
den Empfehlungen der Inspektoren der Europäischen Kommission“ (Ant-
wort der Bundesregierung zu Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 18/4861),
und ist der Bundesregierung eine Änderung dieser Auffassung seitens der
Europäischen Kommission mitgeteilt worden?

8. Welche der EU-Kontrollen an bundesdeutschen Flughäfen haben, neben
Frankfurt, seit dem Jahr 2010 ebenfalls zu Beanstandungen geführt, und wie
schwerwiegend waren nach Einschätzung der Bundesregierung bzw. der
örtlichen Direktionen der Bundespolizei jeweils die festgestellten Mängel
(dass die detaillierten Ergebnisse der EU-Inspektionen laut Antwort der
Bundesregierung zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/4861 als EU-
Verschlusssachen eingestuft sind, ist den Fragestellern bekannt)?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass gut 100 Prozent der
Luftsicherheitsassistenten auf Flughäfen im Zuständigkeitsbereich der
Bundespolizei die Rezertifizierung bestehen (Antwort zu Frage 6 auf Bun-
destagsdrucksache 18/4861), und welchen Änderungsbedarf sieht sie im
Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad der im Rahmen des Rezertifizierungs-
verfahrens zu bewältigenden Aufgaben?

10. Wurde der Schwierigkeitsgrad der Testbilder für das Rezertifizierungsver-
fahren jemals gesenkt, und wenn ja, wie oft, und auf wessen Veranlassung?

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Schwierigkeitsgrad der im
Rezertifizierungsverfahren eingesetzten Testbilder den Anforderungen im
Realeinsatz entspricht (bitte begründen)?

12. Wann wurde die Erfassung der Wartezeiten für Passagiere an den Kontroll-
spuren für Körperscanner eingestellt, aus welchem Grund, und auf wessen
Veranlassung geschah dies (vgl. Antwort zu Frage 7 auf Bundestagsdruck-
sache 18/4861)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5197
13. Ist die durchschnittliche Wartezeit für Passagiere an den Sicherheitskontrol-
len nach Auffassung der Bundesregierung für die hoheitliche Aufgabener-
füllung nicht relevant, und aus welchem Grund erhebt sie diese Daten nicht,
die nach Auffassung der Fragesteller durchaus Aufschluss über die Funk-
tion und die Aus- und ggf. Überlastung von Personenkontrollen geben, die
im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei liegen?

14. Wie haben sich auf Flughäfen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei
die Durchlaufzahlen pro Stunde an den Torsonden, Körperscannern und
Röntgengeräten, die nach Informationen der Fragesteller elektronisch er-
fasst werden, in den letzten sechs Monaten durchschnittlich entwickelt
(bitte monatlich und nach Flughäfen aufschlüsseln)?

15. Wie haben sich die Passagierdurchsatzzahlen an den Kontrollspuren, die
nach Informationen der Fragesteller unter anderem von den Flughafenbe-
treibern statistisch erfasst werden und den Bundespolizeidienststellen zur
Verfügung stehen, in den letzten sechs Monaten durchschnittlich entwickelt
(bitte monatlich und nach Flughäfen und, wenn möglich, Torsondenspuren
und Körperscannerspuren aufschlüsseln), und welche Gründe gibt es nach
Auffassung der Bundesregierung für diese Entwicklung?

16. Seit wann besteht der durch die Umsetzung von EU-Vorgaben bedingte per-
sonelle Mehrbedarf an den Kontrollstellen (vgl. Antwort zu Frage 8 auf
Bundestagsdrucksache 18/4861), wie stellt sich dieser dar (bitte nach unge-
decktem Bedarf an Personenstunden pro Flughafen im Monat aufschlüs-
seln), wann rechnet die Bundesregierung damit, dass die „umfangreichen
Ausbildungen“ (ebenda) abgeschlossen sind, und wer macht solange den
Job?

17. Wie viele Kontrollstunden hat die Bundespolizei in den letzten zwölf
Monaten an Flughäfen in ihrem Zuständigkeitsbereich bestellt, und wie
viele davon wurden geleistet (bitte je Flughafen monatlich nach bestellten
Kontrollstunden und geleisteten Kontrollstunden auflisten)?

18. Ist die Prüfung, um wie viele Körperscanner welche Flughäfen aufgerüstet
werden sollen, mittlerweile abgeschlossen (vgl. Antwort zu Frage 15 auf
Bundestagsdrucksache 18/1880), und kann die Bundesregierung mittler-
weile beziffern, welche Kosten insgesamt für die Einführung von Körper-
scannern als Kontrollstandard in der Bundesrepublik Deutschland entstehen
(bitte nach Flughafen, Anzahl der Geräte und Kosten aufschlüsseln)?

19. Auf welchen Durchschnittswert hat sich die Prozesszeit für einen Kontroll-
vorgang durch Körperscanner bis heute verkürzt (vgl. Antwort zu Frage 7
auf Bundestagsdrucksache 18/1880)?

20. Wie stellt sich die durchschnittliche Prozesszeit für einen Kontrollvorgang
durch eine Metalldetektorschleuse dar?

21. Wie haben sich die Detektionsergebnisse der an deutschen Flughäfen ein-
gesetzten Körperscanner im Vergleich zum Ende der Hamburger Erpro-
bungsphase im Jahr 2011 (unnötige Alarme bei 49 Prozent der Kontrollen,
5 Prozent Fehlalarme, 15 Prozent berechtigte Alarme – vgl. Bundestags-
drucksache 17/7269) entwickelt (bitte aktuellen Stand nach unnötigen Alar-
men, Fehlalarmen sowie berechtigten Alarmen aufschlüsseln)?

22. Wenn keine aktuellen Durchschnittswerte zur Detektionsleistung der einge-
setzten Scanner vorliegen, wie stellte sich die Anzahl der unnötigen
Alarme, der Fehlalarme sowie der berechtigten Alarme vor bzw. bei Beginn
des regulären Einsatzes der Geräte im Jahr 2012 in Frankfurt am Main,
Düsseldorf, Stuttgart, Hamburg, Berlin-Schönefeld und München dar?

Drucksache 18/5197 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Wenn keine Zahlen zu den Fragen 19 bis 22 vorliegen, wie kann die Bun-
desregierung nachvollziehbar beurteilen, ob sich die Körperscanner für die
Kontrolle von Fluggästen eignen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf
Bundestagsdrucksache 17/7269) und ob sie „leistungsfähig“ seien (Bundes-
minister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, in der Süddeutschen Zeitung
am 17. Mai 2010)?

Berlin, den 15. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.