BT-Drucksache 18/518

Bericht über den Missbrauch des parlamentarischen Fragerechts

Vom 10. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/518
18. Wahlperiode 10.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Jan van Aken, Inge Höger,
Katrin Kunert, Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion
DIE LINKE.

Berichte über den Missbrauch des parlamentarischen Fragerechts

„Polizei und Bundeswehr fühlen sich von Abgeordneten der Linkspartei aus-
geforscht. Sensible Daten der Bundesregierung zur inneren Sicherheit landen
bei linken Militanten“, berichtet das Magazin „FOCUS“ in seiner Ausgabe vom
27. Januar 2014 unter der Überschrift „Späh-Angriff im Parlament?“. Unter an-
derem wird behauptet, ein „Dossier des Verteidigungsministeriums über öffent-
liche Auftritte und Werbeveranstaltungen der Bundeswehr“ sei im September
2013 „an militante Anti-Militaristen“ weitergegeben worden. Der „FOCUS“
berichtet unter Berufung auf „Polizei und Verfassungsschutz“ in Berlin. Als wei-
tere Quelle wird ein „hoher Staatsschutz-Beamter des Bundeskriminalamts“ ge-
nannt. Der „Staatsschutz“ sei sich demnach sicher, dass das „Bundeswehr-
Dossier“ von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter einer Abgeordneten des
Deutschen Bundestages auf die linke Internetplattform „Indymedia“ eingestellt
worden sei. Bei den angeblich weitergegebenen „sensiblen Daten“ handelt es
sich um die als Bundestagsdrucksache 17/14785 auf der Website des Deutschen
Bundestages veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. „Öffentliche Auftritte der Bundeswehr im vier-
ten Quartal 2013“. Auch Informationen über Rüstungsbetriebe und Spezialein-
heiten wie die GSG 9 der Bundespolizei habe die Linksfraktion der „linksextre-
men Szene“ und dem „linken Berliner Untergrund“ zur Verfügung gestellt,
behauptet der „FOCUS“. Auch bei diesen laut „FOCUS“ „sensiblen Daten“ und
„vertraulichen Informationen“ handelt es sich um auf der Bundestagswebsite
allgemein zugängliche Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der
Fraktion DIE LINKE.
„Polizei und Verfassungsschutz glauben zu wissen, wie die Beschaffung und
Weitergabe von sicherheitsrelevanten Daten an die militante Szene läuft“, heißt
es im „FOCUS“. So sei auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage „International im Verborgenen agierende Netzwerke von Polizeien“
(Bundestagsdrucksache 17/9844) „im linken Berliner Untergrund“ gelandet.
Nachweise hierfür bleibt das Magazin schuldig. Weiter heißt es: „Da nach An-
gaben des Bundesinnenministeriums ,extremistische Strukturen‘ der Linkspartei
wie die ,Kommunistische Plattform‘ beobachtet werden, gelten einige konspira-
tive Verbindungen als enttarnt.“ Wissenschaftliche Mitarbeiter von Mitgliedern
des Deutschen Bundestages sollen nach Ansicht von Polizei- und Verfassungs-
schutzkreisen auch hier die Verbindungsleute der „Militanten“ sein (www.focus.
de/politik/deutschland/vorwuerfe-gegen-die-linke-geheimnisverrat-vorwuerfe-
linkspartei-verraet-geheimnisse-an-militante-gruppen-1_id_3569407.html).

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Suggeriert wird vom „FOCUS“, die durch parlamentarische Anfragen erlangten
Informationen könnten von „Militanten“ für Anschläge auf Bundeswehrfahr-
zeuge benutzt werden. „Die Linkspartei missbraucht das Anrecht auf Auskunft
eindeutig. […] Einige Anfragen ähneln einer gezielten Ausspähung von Behör-
den“, wird ein „hoher Staatsschutz-Beamter des Bundeskriminalamts“ zitiert.
Zu einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. über den geplanten Bau
eines Bundeswehrübungsgeländes zum Häuserkampf heißt es im „FOCUS“,
„Polizei und Verfassungsschutz befürchten, dass auch diese Informationen bei
Militanten landeten.“ Tatsächlich können sich „Militante“ die Antwort der
Bundesregierung von der Website des Deutschen Bundestages herunterladen,
genauso wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger (Bundestagsdrucksache
17/10589).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Missbrauch des parlamentari-

schen Fragerechts durch Abgeordnete von Oppositionsfraktionen (bitte kon-
krete Belege nennen)?

2. Sind der Bundesregierung Klagen von Bundesbehörden oder nach ihrer
Kenntnis auch von Landesbehörden über einen angeblichen Missbrauch des
parlamentarischen Fragerechts bekannt geworden, und wenn ja, durch wel-
che Behörde, bezüglich welcher Anfragen, und worin soll dieser Missbrauch
bestehen?

3. Inwiefern trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine Behauptung des
„FOCUS“ zu, wonach „die Sicherheitsbehörden […] empört über den Um-
gang der Linken mit Auskünften der Bundesregierung“ sind?
a) Welche Sicherheitsbehörden sind „empört“?
b) In welcher Form und wem gegenüber haben diese Behörden ihre „Empö-

rung“ bislang geäußert?
c) Worüber genau sind diese Behörden „empört“?
d) Wie beurteilt die Bundesregierung das vom „FOCUS“ dargestellte Vor-

gehen dieser Sicherheitsbehörden oder einzelner führender Mitarbeiter,
sich mit ihren Problemen mit dem angeblichen Umgang der Linken mit
Auskünften der Bundesregierung nicht an die Gremien des Deutschen
Bundestages zu wenden, sondern diese gegenüber der Presse zu thema-
tisieren?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung eines vom „FOCUS“ zitierten
hohen Staatsschutzbeamten des Bundeskriminalamts, wonach die Fraktion
DIE LINKE. das „Anrecht auf Auskunft“ eindeutig „missbraucht“?
a) Wenn ja, worin besteht nach Auffassung der Bundesregierung dieser

Missbrauch des Fragerechts?
b) Wenn nein, wie erklärt die Bundesregierung dann eine solche Äußerung

eines hohen Bundesbeamten gegenüber der Presse?
c) Wenn nein, welche Maßnahmen will sie ergreifen, um innerhalb des BKA

die Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts für die Demokratie zu
verdeutlichen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/518
5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung eines vom „FOCUS“ zitierten
hohen Staatsschutzbeamten des Bundeskriminalamts, wonach einige par-
lamentarische Anfragen einer gezielten Ausspähung von Behörden ähneln?
a) Wenn ja, woran macht die Bundesregierung diese Auffassung fest, und

um welche parlamentarischen Anfragen handelt es sich?
b) Wenn nein, wie erklärt die Bundesregierung dann diese Äußerung eines

hohen Bundesbeamten gegenüber der Presse?
6. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Reform bzw. neuer Re-

gularien oder von Einschränkungen für das parlamentarische Fragerecht,
wenn ja, welche und mit welcher Begründung, und inwiefern beabsichtigt
sie, hierzu konkrete Vorschläge, andere Regelungen oder Gesetzentwürfe
einzubringen?

7. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass Informationen aus
Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen für die Vor-
bereitung und Durchführung konkreter Straftaten verwendet wurden (parla-
mentarische Anfrage und Straftat bitte angeben und begründen, woraus sich
der Verdacht speist, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den Taten
und den Anfragen besteht)?

8. Welche „konspirative[n] Verbindungen“ konnten nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch die Beobachtung von „extremistische[n] Strukturen“ der
Linkspartei, wie der „Kommunistische[n] Plattform“, des „Marxistische[n]
Forum[s]“ und von „Cuba Si“, durch den Verfassungsschutz enttarnt wer-
den?
a) Zwischen welchen Gruppierungen oder Personenkreisen bestehen nach

Kenntnis der Bundesregierung solche „konspirative[n] Verbindungen“,
und inwiefern sind auch Mitglieder des Deutschen Bundestages und ihre
Mitarbeiter dort eingebunden?

b) Welchen Zweck haben diese „konspirative[n] Verbindungen“ nach
Kenntnis der Bundesregierung?

c) Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, es brauche „konspi-
rative Verbindungen“, damit eine „militante Szene“ Kenntnis von später
öffentlich auf der Website des Deutschen Bundestages zugänglichen
Drucksachen erlangen kann?

9. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der
Aussage des „FOCUS“, „Polizei und Verfassungsschutz glauben zu wissen,
wie die Beschaffung und Weitergabe von sicherheitsrelevanten Daten an die
militante Szene läuft“?

10. Welche Strukturen sind nach Einschätzung der Bundesregierung mit dem
vom BKA-Staatsschutzbeamten zitierten „linken Berliner Untergrund“ ge-
meint?

11. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. über
„International im Verborgenen agierende Netzwerke von Polizisten“ (Bun-
destagsdrucksache 17/9844) „im linken Berliner Untergrund“ landete?
a) Auf welchem Weg gelangte die Antwort der Bundesregierung nach Er-

kenntnis der Bundesregierung vorab an den „linken Berliner Unter-
grund“?

b) Wie ist die Bundesregierung an diese Erkenntnis gelangt?

Drucksache 18/518 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Welcher Schaden konnte nach Einschätzung der Bundesregierung da-
durch entstehen, dass die Antwort der Bundesregierung auf diese Kleine
Anfrage auch dem „linken Berliner Untergrund“ bekannt wurde?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass die Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage „Geplanter Bau einer Kampfstadt im Ge-
fechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger Heide“ (Bundestagsdruck-
sache 17/10589) bei „Militanten“ gelandet ist?
a) Auf welchem Wege könnten „Militante“ vorab von der Antwort der

Bundesregierung Kenntnis erlangt haben?
b) Welche Gefahren sieht die Bundesregierung für den Fall, dass die auf der

Website des Deutschen Bundestages später öffentlich zugängliche Ant-
wort der Bundesregierung auch von „Militanten“ gelesen wird?

c) Inwieweit sind der Bundesregierung Protestaktionen gegen den Bau
einer Kampfstadt im Gefechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger
Heide bekannt, die auf eine Verwendung der Informationen aus der Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdruck-
sache 17/10589) schließen lassen?

d) Inwieweit sind der Bundesregierung Straftaten im Zusammenhang mit
Protesten gegen den Bau einer Kampfstadt im Gefechtsübungszentrum
in der Colbitz-Letzlinger Heide bekannt, die sich kausal auf eine Ver-
wendung der Informationen aus der Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/10589) zurückführen las-
sen?

13. Was ist damit gemeint, wenn der Pressesprecher des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz gegenüber dem Internetmagazin „TELEPOLIS“ (30. Januar
2014) erklärt, dass man die im „FOCUS“-Artikel genannten „Aspekte“
weiter verfolgen würde (www.heise.de/tp/artikel/40/40874)?
a) Wieso wollte der Sprecher nicht auf die Frage antworten, um welche

Aspekte es sich handeln würde, da dies „schwierig“ sei?
b) Welche Abteilungen welcher Behörden sind hierzu nun mit welchem

Anfangsverdacht bzw. welcher Vorannahme befasst?
c) Mit welchen Landesbehörden wird dabei zusammengearbeitet?
d) Aufgrund welcher vermeintlichen Gefährdung o. Ä. wird die Behörde

diesbezüglich tätig?
e) Inwiefern wird hierzu auf bereits existierende Vorgänge zurückgegrif-

fen?
14. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung, wie im konkreten

Fall die Informationsweitergabe auch von sensiblen Daten durch Polizei
und Verfassungsschutz an das Nachrichtenmagazin „FOCUS“ vonstatten-
ging?
a) Welche Nachforschungen hat sie zum vorliegenden Fall angestellt, und

welche Referate bzw. welche Standorte der Abteilungen kommen für die
Weitergabe von Informationen in Bezug auf die Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundes-
tagsdrucksache 17/10589) infrage?

b) Inwiefern erfolgte die Informationsübermittlung auf dem offiziellen
Weg einer Presseanfrage (bitte das Datum und den Inhalt der Fragen und
Antworten skizzieren)?

c) Welche Maßnahmen wurden angeordnet, um die Weitergabe vertrau-
licher Informationen aus dem BKA zu verhindern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/518
d) Inwiefern wird der Verfasser des Artikels „Späh-Angriff im Parlament?“
bei Bundesbehörden weiterhin als Informant geführt (http://t.co/TNFQ
lFFt3Q), und inwiefern ist es nach Einschätzung der Bundesregierung
demnach denkbar, dass er auf diesem Wege über gute informelle Kon-
takte zu Polizeien oder Geheimdiensten des Bundes verfügt?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass öffentliche
Werbeauftritte der Bundeswehr, die regelmäßig (zuletzt mit Bundestags-
drucksache 18/85) abgefragt werden, prinzipiell keine geheimhaltungs-
bedürftigen Daten sind, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 7. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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