BT-Drucksache 18/5148

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Drucksache 18/3039 - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Andrej Hunko, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/3043 - Gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anerkennen - Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen

Vom 11. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5148
18. Wahlperiode 11.06.2015
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Luise
Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/3039 –

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum
Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern
(Whistleblower-Schutzgesetz)

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Andrej Hunko, Caren Lay,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/3043 –

Gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anerkennen –
Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen

A. Problem
Der Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern sowie die Anerkennung ih-
rer Zivilcourage sind in Deutschland nach Einschätzung der beiden einbringenden
Fraktionen mangelhaft, obwohl die Hinweise dieser Beschäftigten für die Gesell-
schaft wertvoll seien.

B. Lösung
Zu Buchstabe a
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legt mit ihrem Gesetzentwurf Ände-
rungsvorschläge für das Bürgerliche Gesetzbuch, das Berufsbildungs-, das Bundes-
beamten- und das Beamtenstatusgesetz vor, um mehr Schutz für Hinweisgeberinnen
und Hinweisgeber zu schaffen. Änderungen im Strafgesetzbuch sollen die Betroffe-
nen zudem unter bestimmten Bedingungen straffrei stellen.

Drucksache 18/5148 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/3039 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
Zu Buchstabe b
Die Fraktion DIE LINKE. fordert gesetzliche Regelungen, um u. a. im Arbeits- und
Beamtenrecht den Schutz von Hinweisgebern und Hinweisgeberinnen vor unge-
rechtfertigten Entlassungen und anderen Formen arbeitsplatzbezogener „Vergel-
tungsmaßnahmen“ sicherzustellen. Die Beweislast soll demzufolge künftig beim Ar-
beitgeber liegen. Im Strafrecht soll der Schutz vor Strafverfolgung wegen übler
Nachrede oder wegen der Verletzung des Amts- oder Geschäftsgeheimnisses im Fo-
kus stehen.
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/3043 mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme einer Initiative oder beider Initiativen.

D. Kosten
Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5148
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3039 abzulehnen;
b) den Antrag auf Drucksache 18/3043 abzulehnen.

Berlin, den 20. Mai 2015

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Markus Paschke
Berichterstatter
Drucksache 18/5148 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht des Abgeordneten Markus Paschke

I. Überweisung

1. Überweisung
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3039 ist in der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. November
2014 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung und an den Innenausschuss, den
Sportausschuss, den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirt-
schaft und Energie, den Ausschuss für Gesundheit sowie den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung zur Mitberatung überwiesen worden.
Der Antrag auf Drucksache 18/3043 ist in der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. November 2014 an
den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung und an den Auswärtigen Ausschuss, den
Innenausschuss, den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, den Verteidigungsausschuss, den Ausschuss für Gesundheit, den
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, den Ausschuss für Menschenrechte und huma-
nitäre Hilfe sowie an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwie-
sen worden.
2. Voten der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss, der Sportausschuss, der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Finanzausschuss,
der Ausschuss für Gesundheit sowie der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung haben
den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3039 in ihren Sitzungen am 20. Mai 2015 beraten und dem Deutschen
Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat die Vorlage ebenfalls am 20. Mai 2015 beraten und dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen.
Der Auswärtige Ausschuss, der Innenausschuss, der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Ausschuss
für Wirtschaft und Energie, der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, der Verteidigungsausschuss, der
Ausschuss für Gesundheit, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, der Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
haben den Antrag auf Drucksache 18/3043 in ihren Sitzungen am 20. Mai 2015 beraten und dem Deutschen
Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a
Missstände in Unternehmen und Behörden würden oft erst durch Hinweise mutiger Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter bekannt (sog. Whistleblower), führen die Initiatoren des Gesetzentwurfs aus. Das Ziel verantwortungsvoller
Whistleblower sei es, Transparenz und Publizität über bestehende interne, riskante, gefährliche oder korrupte
Entwicklungen herzustellen, um diese damit beheben zu lassen. Der Begriff des Whistleblowing komme aus dem
englischen Sprachraum und bezeichne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf interne Probleme aufmerksam
machten. Es könne daher von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern gesprochen werden. Auch der Begriff der
Aufklärerin und des Aufklärers erscheine passend.
Das entsprechende Verhalten habe jedoch für die jeweilige Arbeitnehmerin bzw. den jeweiligen Arbeitnehmer,
die Auszubildende bzw. den Auszubildenden, die betroffene Beamtin bzw. den betroffenen Beamten oder die
Soldatin oder den Soldaten oft gravierende Auswirkungen. Wer sich zu einem solchen Schritt entschließe, müsse
nicht nur mit Mobbing rechnen, sondern verstoße mit ihrem bzw. seinem Handeln oft auch gegen arbeits-,
dienst- oder gar strafrechtliche Bestimmungen. Häufig folge die Kündigung.
Bereits in der 16. Wahlperiode sei ein Regelungsentwurf seitens des BMJ, des BMAS und des BMELV vorgelegt
worden, der sich mit der Problematik des Whistleblower-Schutzes befasst und lediglich eine Ergänzung zu § 612a

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5148
BGB vorgesehen habe. Das Vorhaben sei wegen Unstimmigkeiten der damaligen Koalitionspartner nicht weiter-
geführt worden. Der damals vorgelegte Gesetzentwurf sei grundlegend überarbeitet und weiterentwickelt worden.
Zu Buchstabe b
In Deutschland hätten Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber millionenfache Steuerhinterziehung aufgedeckt, be-
gründet die Fraktion DIE LINKE. ihren Antrag. Ohne den Hinweis eines LKW-Fahrers wären verdorbene
Schlachtabfälle zu Lebensmitteln verarbeitet und an Verbraucherinnen und Verbraucher verkauft worden. Durch
das Einschreiten einer Tierärztin seien die ersten BSE-Fälle öffentlich geworden. Altenpflegerinnen und Alten-
pfleger hätten auf Notstände in einzelnen Pflegeheimen und unzureichende Pflege und Betreuung der ihnen an-
vertrauten Menschen hingewiesen u. a. m. Trotz ihrer unbestrittenen Verdienste für die Gesellschaft hätten alle
Personen in den genannten Fällen Repressalien bis hin zum Arbeitsplatzverlust sowohl in der privaten Wirtschaft
als auch im öffentlichen Dienst erlitten.
Potenzielle Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber verzichteten aber oftmals aus Angst vor Arbeitsplatzverlust
oder Schadensersatzandrohung auf die Offenlegung ihres Wissens. Häufig sähen sie keine Chance, etwas zu ver-
ändern, oder sie lebten in einem Umfeld, in dem Whistleblowing als etwas Verwerfliches betrachtet werde. In
einer demokratischen Öffentlichkeit bestehe jedoch ein Anspruch auf Offenlegung und kritische Überprüfung
solcher Informationen. Weder § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 84 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
noch das Beamtenrecht böten in Deutschland einen wirksamen Schutz für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber
gegenüber ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Die Normen seien intransparent, unklar und böten keine
Rechtssicherheit.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/3039 und des
Antrags auf Drucksache 18/3043 in seiner 30. Sitzung am 14. Januar 2015 aufgenommen und die Durchführung
einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen beschlossen. Die Anhörung zu beiden Vorlagen fand in der
37. Sitzung am 16. März 2015 statt. Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellungnahmen abgegeben,
die in der Ausschussdrucksache 18(11)330 zusammengefasst sind.
Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:
Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit
Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Siemens AG
Daimler AG
Handelsverband Deutschland e.V.
Rechtsanwalt Dr. Philipp Kramer, Hamburg
Prof. Dr. Peter Wedde, Eppstein
Dr. Imke Sommer, Bremerhaven
Annegret Falter, Berlin
Guido Strack, Köln.
Der Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit (BRA) erkennt das Anliegen, Hinweis-
geber zu schützen, die berechtigterweise auf einen Missstand hinwiesen, als verständlich an. Beschäftigte sollten
Straftaten und sonstige unerwünschte Verhaltensweisen anzeigen können, ohne Angst haben zu müssen, wegen
ihres Hinweises oder wegen einer Anzeigeerstattung eigene Nachteile tragen zu müssen, wenn eine Abhilfe auf
andere Weise keinen Erfolg verspreche. Dennoch solle dem Vorschlag nach einem eigenen Gesetz nicht gefolgt
werden: In § 612a BGB existiere ein Verbot der Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
deswegen, weil sie die ihnen zustehenden Rechte ausüben. Es sei nicht nachvollziehbar, dass für Hinweisgebe-
rinnen und Hinweisgeber ein zusätzlicher, darüber hinausgehender Schutz geschaffen werden sollte. Dies gelte
umso mehr, als auch die Erteilung von Hinweisen über Missstände die Ausübung solcher Rechte darstelle. Hin-
weisgeberinnen und Hinweisgeber seien bereits von der Regelung des § 612a BGB erfasst. Zudem gelte: Hin-
weisgeber, die berechtigterweise Missstände anzeigten oder an die Öffentlichkeit trügen, seien bereits nach der-
zeitigem Rechtszustand geschützt. Außerordentliche Kündigungen seien in solchen Fällen nicht wirksam. U. a.

Drucksache 18/5148 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
argumentiert der BRA weiter, dass, soweit von der Fraktion DIE LINKE. darüber hinaus vorgeschlagen werde,
einen staatlichen Entschädigungsanspruch einzurichten, wenn arbeitsrechtliche Ansprüche infolge oder im An-
schluss an die Informationsweitergabe ausfallen sollten, dies abzulehnen sei. Für die Einrichtung dieser Sonder-
haftung bestehe kein Anlass. Wenn darüber hinaus vorgeschlagen werde, einen Anspruch auf immaterielle Schä-
den und zu erwartende Folgekosten zu schaffen, sei schwer nachzuvollziehen, welche immateriellen Schäden
hiermit gemeint sein sollten. Insgesamt erscheine eine Ergänzung des § 612a BGB hinsichtlich der eingeschränk-
ten Beweislastumkehr als sinnvoll. Sollte der Gesetzgeber ein Signal geben wollen, dass Hinweisgeberinnen und
Hinweisgeber geschützt seien, wäre eine Ergänzung in § 612a BGB etwa mit dem Halbsatz „oder auf Missstände
in Unternehmen oder Betrieb hinweist, durch die eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder
Umwelt droht.“ erwägenswert.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) teilt die Einschätzung der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und DIE LINKE., dass eine gesetzliche Verankerung des Hinweisgeberschutzes sowohl für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer als auch für Beamtinnen und Beamte erforderlich sei. Im Zusammenhang u. a. mit den Gam-
melfleisch- und BSE-Skandalen sei deutlich geworden, dass Beschäftigte sowohl in der Privatwirtschaft als auch
im öffentlichen Dienst, die rechtzeitig auf Risiken, Fehlentwicklungen oder Straftaten in ihrem Arbeitsumfeld
hinwiesen, ihrem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn und der Gesellschaft wichtige Dienste leisteten. Dennoch hafte
dem Whistleblowing häufig der Geruch des Denunziantentums an. Deckten Beschäftigte Verstöße auf, müssten
sie häufig mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer fristlosen Kündigung rechnen. Zwar hätten Bun-
desverfassungsgericht und Bundesarbeitsgericht in ihrer Rechtsprechung einen gewissen Schutz vor solchen Re-
pressalien aufgestellt. Die Rechtslage sei jedoch nicht transparent und führe zu Unsicherheit bei Beschäftigten
und Unternehmen. Insbesondere sei nach der Rechtsprechung des BAG nicht allein das angenommene Fehlver-
halten des Arbeitgebers entscheidend, sondern die Motivation des Arbeitnehmers immer mit zu berücksichtigen.
Zudem verstoße die Rechtslage in Deutschland gegen die Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) aufgestellt habe, und missachte die Vorgaben internationaler Übereinkommen zur Kor-
ruptionsbekämpfung. Im Antrag der Fraktion DIE LINKE. stimmt der DGB u. a. der Forderung zu, im Arbeits-
und Beamtenrecht Schutz für Whistleblower gegen dienstrechtliche Repressalien und arbeitsplatzbezogenen Ver-
geltungsmaßnahmen sicherzustellen und die Beweislast umzukehren. Für eine Arbeitnehmerin bzw. einen Ar-
beitnehmer, ebenso wie für eine Beamtin bzw. einen Beamten sei es kaum möglich zu belegen, dass Maßnahmen,
die zu ihrem bzw. seinem Nachteil ergriffen würden, Folge eines Hinweises seien. Daher müsse dem Arbeitgeber
bzw. dem Dienstherrn die Beweislast obliegen, dass die genannten Maßnahmen aus anderen Gründen als dem
Whistleblowing erfolgten. Darüber hinaus unterstütze der DGB auch die Forderung nach Einrichtung verlässli-
cher Berichtswege innerhalb von Unternehmen und Behörden. Zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN stellt der DGB u. a. fest, dass die vorgeschlagene Regelung des gesetzlichen Schutzes von
Hinweisbegebern im Arbeitsverhältnis, eine Ergänzung des BGB um den zweiten Absatz im § 612a (Beweislas-
terleichterung beim Maßregelungsverbot) und die Hinzufügung des § 612b BGB zwar durch ihre Einfachheit
besteche, da sie einen verhältnismäßig geringen gesetzgeberischen Aufwand erfordere. Insbesondere sei der Vor-
schlag zu begrüßen, die prozessuale Position eines oder einer Beschäftigten, der/die eine Maßregelung geltend
mache, durch eine Beweislasterleichterung zu verbessern. Allerdings lasse die vorgeschlagene Regelung viele
Aspekte außer Acht. Die in diesem Bereich erforderliche Rechtsklarheit wäre dadurch nur unzureichend erreicht.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beurteilt den Gesetzentwurf der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als überflüssig, um ein ausreichendes Schutzniveau für Hinweisgeber zu erzielen.
Bereits heute gewähre das in § 612a BGB vorgesehene Maßregelungsverbot neben spezialgesetzlichen Vorgaben
hinreichenden Schutz. Die Rechtsprechung habe zudem ein ungeschriebenes Anzeigerecht anerkannt und hierzu
Leitlinien aufgestellt. Der Gesetzentwurf würde zu neuen bürokratischen Lasten für die Unternehmen führen und
damit dem Beschluss der Bundesregierung vom 11. September 2014 widersprechen. Besonders fragwürdig sei,
dass die Entscheidung über eine Anzeige schlussendlich nach einem subjektiven und nicht nach einem objektiven
Maßstab vorgenommen werden solle. Vor dem Hintergrund der ganz erheblichen Schäden, die durch eine An-
zeige entstehen könnten, müsse hier ein besonders hoher Überprüfungsmaßstab angewendet werden. Der Antrag
der Fraktion DIE LINKE. werde den Anforderungen eines vertrauensvollen Miteinanders von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern sowie Arbeitnehmern untereinander nicht gerecht. Forderungen, wie die nach der Anknüpfung an
die Gutgläubigkeit des Hinweisgebers, nach der freien Wahl zwischen interner und behördlicher Offenlegung und
der Ermächtigung bestimmter Einrichtungen, Whistleblower-Fälle öffentlich zu machen, untergrüben das gegen-
seitige Vertrauen, das die Basis für erfolgreiche Aufdeckung und Behebung von Missständen sei.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5148
Die Siemens AG bewertet die Entgegennahme und Untersuchung von Hinweisen durch Whistleblower an das
Unternehmen als elementaren Bestandteil jedes Compliance-Programms und eines effektiven Risikokontrollsys-
tems. Solche Hinweise seien teilweise der einzige Ansatzpunkt, mit dessen Hilfe Fehlverhalten verhindert und
ggf. aufgeklärt werden könne. Das Unternehmen habe bereits unabhängig vom Gesetzgeber umfangreiche Rege-
lungen im Bereich interner Hinweissysteme geschaffen, die zudem den Schutz von Whistleblowern in höchstem
Maße vorsähen. Siemens sehe aber keinen Regelungsbedarf des Gesetzgebers. Denn jedes Unternehmen bzw.
jeder Gesellschaftsbereich habe die Möglichkeit, interne Regelungen zu erlassen und auf diese Weise den indivi-
duellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Dies sei schon aufgrund verschiedener länderspezifischer Datenschutz-
regelungen erforderlich. Eine rein deutsche Regelung würde der Komplexität international tätiger Unternehmen
nicht gerecht; sie träte überdies möglicherweise in Konflikt mit bereits bestehenden internationalen Regelungen,
an die diese Unternehmen gebunden seien. Zudem müsse die Beurteilungsbefugnis darüber, welche Maßnahmen
erforderlich seien, um gesetzliche Vorhaben zu erfüllen und Missstände abzustellen, grundsätzlich bei den dafür
im Unternehmen zuständigen und haftbaren Entscheidungsträgern verbleiben. Sie könne nicht de facto auf ein-
zelne, hierfür nicht zuständige und nicht haftbare Arbeitnehmer übertragen werden. Einer Selbstregulierung durch
die Industrie sei Vorrang zu gewähren.
Die Daimler AG begrüßt grundsätzlich das Ansinnen, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, die konkrete An-
haltspunkte für einen Regelverstoß gemeldet hätten, gesetzlich vor Diskriminierung und Sanktionierung zu schüt-
zen. Ein Hinweisgebersystem habe einen fairen Umgang mit Hinweisgebern wie auch mit Betroffenen, die dem
Anfangsverdacht eines Regelverstoßes ausgesetzt seien, sicherzustellen. Das berechtigte politische und gesell-
schaftliche Anliegen, Hinweisgebern unter dem Eindruck medienveröffentlichter Beispielsfälle einen gesetzli-
chen Schutz vor Diskriminierung und Sanktionierung ihres „Whistleblowing“ angedeihen zu lassen, dürfe auch
die grundgesetzlich geschützten Rechte eines vom Verdacht Betroffenen nicht außer Acht lassen. Hinweisgebe-
rinnen und Hinweisgeber, die konkrete Anhaltspunkte für Regelverstöße innerhalb eines Unternehmens meldeten,
seien keine Denunzianten und von den Unternehmen zu schützen, sollten ihnen aufgrund ihres Hinweises Nach-
teile entstehen. Ein innerbetriebliches Hinweisgebersystem fördere nicht das Denunziantentum. Es liegt vielmehr
im Interesse des Unternehmens, Fehler frühzeitig aufzudecken und abzustellen und damit Schaden von dem Un-
ternehmen abzuwenden. Das Unternehmen favorisiere schon aufgrund der eigenen Erfahrungen mit seinem Hin-
weisgebersystem „Business Practices Office“ (BPO) ein innerbetriebliches Hinweisgebersystem. Ein Hinweisge-
ber, der konkrete Anhaltspunkte für einen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens
möglicherweise begangenen Regelverstoß melden möchte, sollte sich immer an ein innerbetriebliches Hinweis-
gebersystem des Unternehmens wenden. Das Verfahren hierfür sollte klar und transparent in einer Richtlinie ge-
regelt und mit der Arbeitnehmervertretung abgestimmt sein. Die Daimler AG empfehle, dass Unternehmen ab
einer bestimmten Größe (z. B. ab 10.000 Mitarbeitern) gesetzlich zu einer solchen Einrichtung verpflichtet werden
sollten. Kleinere Unternehmen, die nicht verpflichtet seien, eine solche Einrichtung zu schaffen, hätten – ggfs.
noch zu schaffende – gemeinschaftliche Hinweisgebersysteme, z. B. bei der Industrie- und Handelskammer, zu
nutzen. Darüber hinaus halte die Daimler AG allenfalls die Einrichtung einer unabhängigen, nichtstaatlichen Om-
budsstelle für zweckmäßig, aber auch ausreichend, die von einem Hinweisgeber dann angerufen werden könnte,
wenn ein Unternehmen einer gesetzlich ebenfalls noch zu bestimmenden Pflicht auf Bescheidung des Hinweis-
gebers nicht nachgekommen sei. Eine Auswahlmöglichkeit des Hinweisgebers, sich aufgrund eines rechtlich un-
bestimmten, vornehmlich subjektiven Beurteilungshorizontes sofort an eine zuständige außerbetriebliche Stelle
oder gar unmittelbar an die Öffentlichkeit wenden zu dürfen und nicht erst nach vergeblichem Wenden an das
Hinweisgebersystem seines Unternehmens, lehne man dagegen aus sachlichen und praktischen Erfahrungen mit
einem dem Hinweisgebersystem entspringenden Gründen ab.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) lehnt die Vorschläge in den beiden Vorlagen umfassend ab. Zusätz-
liche arbeitsrechtliche Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern seien nicht erforderlich, da die bestehenden
Regelungen – insbesondere § 612a BGB – unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus-
reichten. Die Einführung eines Whistleblowing-Systems müsse der autonomen Entscheidung der Unternehmen
überlassen werden. Es bestehe keine Verpflichtung zur Neuregelung der gesetzlichen Regelungen zum Schutze
von Hinweisgebern aufgrund internationaler Vereinbarungen. Dabei handele es sich lediglich um unverbindliche
Erklärungen. Darüber hinaus erfülle Deutschland bereits alle Vorgaben. Auf eine Neuregelung der Beweislast-
verteilung im Rahmen des § 612a BGB sei zu verzichten. Schon heute gälten nach der Rechtsprechung zu § 612a
BGB zugunsten des Arbeitnehmers erhebliche Beweiserleichterungen. Das Recht des Whistleblowers, seine Hin-
weise an eine externe Stelle zu übermitteln, könne immer nur als „Ultima Ratio“ in Betracht kommen, d. h. nur
wenn zuvor ergebnislos eine interne Meldung an den Arbeitgeber erfolgt sei bzw. eine interne Meldung im Ein-
zelfall nicht zumutbar sei oder eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben bestehe. Zudem dürfe es dabei nicht

Drucksache 18/5148 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
nur auf die rein subjektive, nicht nachprüfbare Einschätzung des Arbeitnehmers ankommen. Ausschlagend müsse
vielmehr sein, ob der Hinweisgeber aufgrund vorliegender konkreter Tatsachen von der Richtigkeit der weiterge-
gebenen Information objektiv – nach Wertung eines durchschnittlichen und unbeteiligten Dritten – überzeugt sei.
Der Vorschlag, dass sich Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen direkt an die Öffentlichkeit wenden
könnten, sei vollkommen inakzeptabel.
Der Einzelsachverständige Dr. Philipp Kramer verweist darauf, dass die Zulässigkeit des Whistleblowing von
Grundrechtspositionen abhänge, die teilweise im Widerstreit miteinander stünden. Dazu gehöre das verfassungs-
rechtlich geschützte Interesse des Angezeigten selbst, in dessen Persönlichkeitsrecht mit einer Anzeige eingegrif-
fen werde. Es bedürfe in solchen Fällen in jedem Fall einer Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen.
Rechtstechnisch gebe es mehrere Möglichkeiten, vorzugeben, wann ein Whistleblowing zulässig sei und wie eine
solche Abwägung ablaufe. Doch eine für den potentiellen Hinweisgeber wirklich nützliche gesetzliche Vorgabe
müsste wichtige Zweifelsfälle klären. Diese Klärung gelinge dem vorlegten Whistleblower-Schutzgesetz noch
nicht. Es bleibe auch mit dem Entwurf die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung. Die Begriffe in diesem Entwurf
seien systematisch präzise, blieben jedoch inhaltlich hinter den von der Rechtsprechung entwickelten differen-
zierten Wertungen zurück und zudem abstrakt. Sie gäben dem Offenlegenden zudem durch die formale Verschie-
bung des Irrtumsrisikos auf das betroffene Unternehmen oder die betroffene Behörde eine Scheinsicherheit. Trotz
gelungener Systematisierung und des teilweisen Vorgehens mit Gefährdungsstufen bleibe die wichtigste prakti-
sche Frage des Whistleblowings für den Anzeigenden wie für die von einer Offenlegung betroffene Einrichtung
ungelöst: Wann sei der Versuch einer innerorganisatorischen Klärung durch den Whistleblower gescheitert oder
ihm nicht zumutbar. Bei der Befugnis zum Whistleblowing müsse eine Güterabwägung vorgenommen werden.
Dabei werde insbesondere die Meinungsäußerungsfreiheit des Arbeitnehmers ins Verhältnis zur verfassungs-
rechtlich geschützten Unternehmerfreiheit gesetzt. Aus dieser Unternehmerfreiheit folge das Recht des Unterneh-
mens, mit solchen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten, die die rechtmäßigen Unternehmensziele förderten und
das Unternehmen vor Schäden bewahrten. Diese Pflicht finde in der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht
ihren einfachgesetzlichen Ausdruck (§ 241 Absatz 2 BGB). Der Arbeitnehmer verletze danach seine Rücksicht-
nahmepflicht schwer, wenn er eine Strafanzeige erstatte, die auf wissentlich unwahren oder leichtfertig falschen
Angaben beruhe. Zudem dürfe die Strafanzeige als Maßnahme keine unverhältnismäßige Reaktion auf das Ver-
halten des Arbeitgebers darstellen. Bloß geringfügige Verstöße dürften in der Regel nicht mit einer Strafanzeige
beantwortet werden. Indizien für die Unverhältnismäßigkeit der Strafanzeige könnten sich darüber hinaus vor
allem aus der Motivation des Anzeigenden und aus dem Fehlen eines vorangegangenen zumutbaren innerbetrieb-
lichen Hinweises ergeben. Diese und weitere von Rechtsprechung entwickelte Abwägungskriterien, wie das be-
rechtigte Interesse der Öffentlichkeit an der Information, die Art, Schwere und Häufigkeit der Pflichtverletzung
sowie der Grad des Verschuldens, die Tatsächlichkeit der Behauptungen, der Vorrang der innerorganisatorischen
Klärung etc. würden von den beiden Vorlagen nicht hinreichend berücksichtigt.
Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Peter Wedde spricht sich grundsätzlich für Bestrebungen zur Verbesserung
des Schutzes von Hinweisgebern aus. Vor diesem Hintergrund seien die vorliegenden parlamentarischen Initiati-
ven uneingeschränkt positiv zu bewerten. Bezogen auf den Gesetzentwurf und auf den Antrag gebe es allerdings
Optimierungspotential, das im Wesentlichen aus der Erfahrung resultiere, dass Arbeitnehmer, die Missstände und
rechtswidriges Handeln offenbart hätten, selbst hätten Kündigungen hinnehmen müssen oder sich Mobbing aus-
gesetzt gesehen hätten. Nicht optimal scheine daher das im Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜ-
NEN als Regelfall enthaltene „Stufenkonzept“, das zunächst die Information des Arbeitgebers oder der Dienst-
stelle vorsehe. Besser wäre diesbezüglich eine Wahlfreiheit, verbunden mit der Möglichkeit, bei externen Stellen
anonyme Hinweise vorzubringen. Eine entsprechende Forderung finde sich im Antrag auf Drucksache 18/3043.
Der Gesetzentwurf enthalte im Rahmen des Stufenkonzepts eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen bzw.
Abwägungstatbeständen, anhand derer Hinweisgeber selbst entscheiden müssten, ob sie berechtigt seien, eine
externe Stelle anzurufen oder die Öffentlichkeit zu informieren. Um eine Überforderung von Hinweisgebern bei
der juristischen Bewertung dieser rechtlich komplexen Vorgaben auszuschließen, sei es sinnvoll, den zu schaf-
fenden externen Stellen entsprechende Beratungs- und Prüfkompetenzen zuzuweisen. Würden interne Stellen
eingerichtet, müsste normativ und organisatorisch gewährleistet werden, dass zugunsten der Hinweisgeber die
Vertraulichkeit gegenüber dem Arbeitgeber oder der Dienststelle garantiert werde. Das Vertrauen in interne Stel-
len würde gestärkt, wenn bestehenden Betriebs- und Personalräten ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Ein-
richtung, Ausgestaltung und personellen Besetzung eingeräumt würde. Ferner benötigten Hinweisgeber indivi-
duellen Schutz, der über den hinausgehe, der derzeit in den beiden Vorlagen formuliert werde. Neben der Schaf-
fung eines auch im Zivilprozess wirksamen Beweisverwertungsverbots gehöre hierzu eine Verbesserung des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/5148
Kündigungsschutzes in der Zeit nach der Information über Missstände oder Gesetzesverstöße. Vorbild könnte die
Regelung in § 15 Kündigungsschutzgesetz sein.
Die Einzelsachverständige Dr. Imke Sommer stellt fest, dass die Gewissheit für Hinweisgeberinnen und Hin-
weisgeber, aufgrund ihrer Hinweise keine Nachteile befürchten zu müssen, nur durch entsprechende gesetzliche
Regelungen erzeugt werden könne. Die jetzige Rechtslage in Deutschland gewähre hierfür noch keine Rechtssi-
cherheit. Beispielsweise im Bereich des Arbeitsrechtes gebe es bislang keine konkreten gesetzlichen Regelungen,
die Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Nachteilen zu schützen vermögen. Die Erforderlichkeit gesetzli-
cher Regelungen erschließe sich auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
in der Rechtssache Heinisch ./. Deutschland. Die vorgeschlagenen Artikel des Whistleblower-Schutzgesetzes der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gingen davon aus, dass den Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in
der Regel ein innerbetriebliches Abhilfeverfahren zumutbar sei, bevor sie sich an externe Stellen wendeten. Nur
unter bestimmten Voraussetzungen solle ein solches Verfahren unzumutbar sein. Angesichts des Umstandes, dass
das Verhalten der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber einerseits aus demokratischen und rechtsstaatlichen
Gründen erwünscht sei, das Beschäftigungsverhältnis aber andererseits ein hierarchisches Gefälle zulasten der
Beschäftigten aufweise, sollte auf das Erfordernis eines innerbetrieblichen Abhilfeverfahrens gänzlich verzichtet
werden. Ferner müsse u. a. ein Beschäftigtenschutz auch bei unverschuldeter Fehleinschätzung der offengelegten
Vorgänge gewährleistet werden.
Die Einzelsachverständige Annegret Falter weist darauf hin, dass das Fehlen eindeutiger gesetzlicher Regelun-
gen zum Whistleblower-Schutz bedeute, dass potentielle Whistleblower, angesichts der Rechtsunsicherheit, mit
der sie konfrontiert seien, vor möglichen Konsequenzen zurückschrecken. Ihnen drohten die Behinderung ihrer
Karriere, Mobbing und Ausgrenzung im Betrieb, öffentlicher Reputationsverlust und letztlich der Verlust des
Arbeitsplatzes. Häufig würden auch private Beziehungen in Mitleidenschaft gezogen. Angesichts dieses Szena-
rios zögen es viele Insider vor, „den Mund zu halten“. Damit würden zum einen sie daran gehindert, ihre Grund-
rechte nach Artikel 5 und 17 GG in vollem Umfang wahrzunehmen. Zum andern blieben ggf. schwerwiegende
Missstände, Rechtsbrüche und Gefahren sowohl im privatwirtschaftlichen wie auch im öffentlichen Bereich un-
aufgedeckt. Insoweit sei die Präzisierung der konkreten Schutzrechte, die sich für die Beschäftigten aus ihren
Grundrechten der Artikel 5 und 17 GG im Arbeitsverhältnis ergäben, durch den Gesetzgeber wünschenswert. Der
vorliegende Gesetzentwurf sowie der Antrag seien grundsätzlich zu begrüßen. Einige Prämissen und Begriffsbe-
stimmungen der zur Diskussion stehenden Regelungen gäben allerdings Anlass zu kritischen Fragen. Dabei han-
dele es sich um die sog. Stufenregelung bei der Enthüllung von Missständen, die Ausnahmetatbestände bei deren
Einhaltung, Begriff und Ziel des Whistleblowing, die Definition von Missständen sowie die Einführung des „öf-
fentlichen Interesses“ als Kriterium im arbeitsrechtlichen Abwägungsprozess.
Der Einzelsachverständige Guido Strack mahnt konkrete gesetzgeberische Schritte des Deutschen Bundestages
an. Über entsprechende Vorschläge berate man bereits mindestens seit dem Jahr 2008. Whistleblowing werde nur
dann stattfinden, wenn gesichert sei, dass Whistleblowing gesellschaftlich akzeptiert werde und eine im Umfeld
des potentiellen Whistleblowers akzeptierte Handlungsmöglichkeit darstelle. Ferner müsse aus Sicht des potenti-
ellen Whistleblowers eine realistische Chance bestehen, durch Whistleblowing an einen ihm bekannten und ge-
eigneten Adressaten zu einer positiven Veränderung in Bezug auf den Missstand beizutragen. Der potentielle
Whistleblower dürfe keinen Grund haben, Repressalien zu befürchten und müsse darauf vertrauen können, dass
er von Seiten des Rechtsstaates geschützt werde. In Deutschland seien auch im Jahre 2015 diese drei Vorausset-
zungen in vielen Fällen nicht hinreichend erfüllt. Whistleblowing sei dementsprechend immer noch nur etwas für
Helden mit Zivilcourage, die bereit seien, mindestens ihre berufliche Zukunft aufs Spiel zu setzen. Die Politik
sollte endlich die ihr zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume, sowohl im Rahmen der Gesetzgebung als
auch durch andere geeignete Fördermaßnahmen, nutzen, um alle drei genannten Voraussetzungen positiv zu be-
einflussen. Die Annahme der Vorschläge der Oppositionsfraktionen wäre ein erster Schritt dazu.
Weitere Einzelheiten der Stellungnahmen sind der Materialzusammenstellung auf Ausschussdrucksache
18(11)357(neu) sowie dem Protokoll der Anhörung zu entnehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3039 und den Antrag auf
Drucksache 18/3043 in seiner 44. Sitzung am 20. Mai 2015 abschließend beraten. Dabei hat der Ausschuss dem
Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs

Drucksache 18/5148 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
empfohlen. Für den Antrag auf Drucksache 18/3043 hat der Ausschuss die Ablehnung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen.
Alle Fraktionen betonten die Notwendigkeit des Schutzes für die Hinweisgeber auf Missstände.
Die Fraktion der CDU/CSU beurteilte die Rechtslage als ausreichend, um den notwendigen Schutz von Hin-
weisgebern und Hinweisgeberinnen auf Missstände zu gewährleisten. Die einschlägige Rechtsprechung habe sich
weiterentwickelt. Betroffene, die zu schützen gewesen seien, hätten diesen Schutz auch bekommen. Dies habe
sich beispielsweise in einer hohen Abfindung ausgedrückt. Die Thematik sei stark auf den Einzelfall bezogen und
müsse dies in Verfahren auch bleiben. Dem müsse die Gesetzgebung entsprechen. Auch müsse die Möglichkeit
für Hinweisgeber, sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden, sehr vorsichtig gehandhabt werden, um Schäden
von den Unternehmen abzuwenden.
Die Fraktion der SPD betonte den Handlungsbedarf. Beschäftigte, die Kenntnis von Missständen hätten, seien
sich oft über ihre Handlungsmöglichkeiten nicht im Klaren. Entsprechend sei ein Prüfauftrag im Koalitionsvertrag
vereinbart worden, den man abarbeiten werde. Schon jetzt sei aber zu vermuten, dass Lösungen auf rein freiwil-
liger Basis allein nicht ausreichten. Um den Betroffenen tatsächlich zu helfen, reiche der Vorschlag der Grünen-
Fraktion nicht aus und werde entsprechend abgelehnt. Auch der Schutz der Beschuldigten müsse gewährleistet
werden.
Die Fraktion DIE LINKE. hob hervor, dass die Sachverständigenanhörung die Notwendigkeit eines besseren
Whistleblower-Schutzes erneut belegt habe. Um diesen zu schaffen, seien zahlreiche gesetzliche Änderungen und
begleitende Maßnahmen dazu nötig. Vor allem sei das Arbeitsrecht gefragt. Die geltende Gesetzeslage führe dazu,
dass die Loyalitätspflichten der Beschäftigten letztlich über allen anderen Werten stünden – selbst dann, wenn
schwere Konsequenzen für die Allgemeinheit drohten. Die Öffentlichkeit profitiere von der Courage der Hin-
weisgeber auf Missstände beispielsweise in der Altenpflege oder der Lebensmittelproduktion. Die Hinweisgeber
verdienten daher besonderen Schutz. Ein Gesetz als Orientierung helfe juristischen Laien dabei mehr als viele
verschiedene Regelungen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte, dass es in Deutschland kaum Schutzregelungen für
Whistleblower gebe. Der Europäische Gerichtshof habe bereits entsprechende Regelungen von der Bundesrepub-
lik verlangt. Der Koalitionsvertrag berücksichtige dieses Thema aber kaum. Der Vorwurf, die Interessen betroffe-
ner Unternehmen in ihrem Gesetzentwurf nicht ausreichend zu wahren, sei zurückzuweisen.

Berlin, den 20. Mai 2015

Markus Paschke
Berichterstatter
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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