BT-Drucksache 18/5130

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Sabine Weiss (Wesel I), Frank Heinrich (Chemnitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gabriela Heinrich, Dr. Bärbel Kofler, Axel Schäfer (Bochum), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 18/4425 - Entwicklungspolitische Chancen der Urbanisierung nutzen

Vom 11. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5130
18. Wahlperiode 11.06.2015
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Sabine Weiss (Wesel I), Frank
Heinrich (Chemnitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Gabriela Heinrich, Dr. Bärbel Kofler, Axel Schäfer
(Bochum), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 18/4425 –

Entwicklungspolitische Chancen der Urbanisierung nutzen

A. Problem
Laut UN-Department of Economic and Social Affairs (UN-DESA) ist davon auszu-
gehen, dass der Grad der Verstädterung bis zum Jahr 2050 auf 66 Prozent anwachsen
wird. 90 Prozent des zu erwartenden Zuwachses entfällt dabei auf asiatische und
afrikanische Entwicklungs- und Schwellenländer. Die Zahl der Megacities mit mehr
als 10 Millionen Einwohnern soll von 2014 bis 2030 von 28 auf 41 steigen.
Einerseits kann nach Auffassung der Antragsteller eine nachhaltig gestaltete und in-
tegrierte Urbanisierung Chancen für Wirtschaftsentwicklung und Armutsreduzie-
rung, Ressourceneffizienz und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen bieten, an-
dererseits kann ein ungesteuertes Städtewachstum die Slumbildung begünstigen,
was eine Fortschreibung und Verfestigung der Manifestation von Armut und Un-
gleichheit, von mangelhafter Daseinsvorsorge und klimabedingter Standortgefähr-
dung bedeuten würde.
Eine besondere ökonomische und soziale Herausforderung stellt die Versorgung von
„Flüchtlingslagern“ dar, die sich in der Form von „Zeltstädten“ über Jahrzehnte zu-
nehmend zu permanenten städtischen Siedlungen entwickeln.
Nach Auffassung der Antragsteller sind für eine nachhaltige Urbanisierung pla-
nungstechnisch ein integratives Konzept für die Infrastruktur im Sinne einer „Smart
City“ und entwicklungspolitisch die dezentral ausgerichtete Umsetzung von Good-
Governance-Prinzipien wie Partizipation und Transparenz von zentraler Bedeutung.
Da Städte bereits heute für 70 Prozent des Energieverbrauchs und der weltweiten
CO2-Emissionen verantwortlich sind, braucht es darüber hinaus klimapolitische
Maßnahmen zur Verbesserung der urbanen Energiebilanz.

Drucksache 18/5130 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
B. Lösung
Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Ablehnung des Antrags.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Wurden nicht erörtert.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5130
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/4425 anzunehmen.

Berlin, den 20. Mai 2015

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Stefan Rebmann
Vorsitzender

Peter Stein
Berichterstatter

Gabriela Heinrich
Berichterstatterin

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/5130 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Peter Stein, Gabriela Heinrich, Heike Hänsel und Uwe
Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/4425 in seiner 98. Sitzung am 27.03.2015 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und
an den Auswärtigen Ausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag begrüßen die Antragsteller, dass sich sowohl die Open Working Group of the General As-
sembly on Sustainable Development Goals (OWG/SDG) als auch der Synthesebericht des VN-Generalsekre-
tärs Ban Ki-Moon dafür aussprechen, die Forderung „Make Cities and human settlements inclusive, safe, resi-
lient and sustainable“ als eigenständiges SDG zu unterstützen. Von der Bundesregierung erwarten die Antrag-
steller, dass sie sich in den Verhandlungen zur Post-2015 Agenda entsprechend dafür einsetzt.
Ferner wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass sich die für 2016 geplante VN-Gipfelkonferenz „Ha-
bitat III“ die Erarbeitung einer neuen internationalen Urbanisierungsagenda („New Urban Agenda“) zum Ziel
gesetzt hat. Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, dass hier konkrete und mehrheitsfähige Vorschläge
eingebracht werden, wie Städte als zentrale Akteure einer integrativen und partizipatorischen Stadtentwicklung
bei ihren Bemühungen durch internationale Zusammenarbeit unterstützt werden können.
Die Antragsteller würdigen die bereits geleistete Arbeit der Bundesregierung im Bereich der regionalen und
globalen Programmatik zur intelligenten und integrativen Gestaltung der Urbanisierung, insbesondere unter
Berücksichtigung der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen Forschungskooperationen.
Die Bundesregierung wird von den Antragstellern aufgefordert, eine umfassende Positionierung zu „Urbani-
sierung, Kommunal- und Stadtentwicklung“ mit Zielen und Schwerpunkten für die deutsche Entwicklungspo-
litik vorzulegen. Dabei soll insbesondere darauf geachtet werden, dass den Städten und Kommunen mehr Ein-
nahme- und Haushaltshoheit zugesprochen wird.
Gefordert werden sollen zudem Maßnahmen der Personalqualifizierung in den Bereichen Planung, Kataster-
wesen, Bodenrecht und Geburtenregistrierung. Ergänzend dazu sollen die Lebensbedingungen von Slum-Be-
wohnern und die Resilienz gegen Auswirkungen des Klimawandels verbessert werden.
Im Rahmen der Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen – Flüchtlinge reintegrieren“ soll ein Modul für
Flüchtlingsstädte entwickelt werden, mit dem die Lebensbedingungen und Perspektiven der Menschen in
Flüchtlingsstädten verbessert werden können.
Bei der Implementierung von Programmen in Partnerländern der EZ soll stärker auf den Aspekt der Dezentra-
lisierung geachtet und die Entwicklung von nationalen Urbanisierungskonzepten vereinbart werden.
Darüber hinaus wird von den Antragstellern gefordert, dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene
dafür stark macht, dass die „New Urban Agenda“ auf der dritten Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in
Addis Abeba thematisiert wird und konkrete Vorschläge zur Schaffung geeigneter Finanzierungsmechanismen
vorbereitet werden. Schließlich sollen Urbanisierungspartnerschaften mit Ländern und Kommunen des globa-
len Südens auf nationaler und europäischer Ebene stärker gefördert werden.
Auf der Grundlage des geplanten Urbanisierungskonzeptes soll die Bundesregierung dem Deutschen Bundes-
tag ein Jahr nach seiner Veröffentlichung einen entwicklungspolitischen Urbanisierungsbericht vorlegen und
diesen periodisch aktualisieren.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5130
III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat die Vorlage 18/4425 in seiner 41. Sitzung am 20.05.2015 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.
Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage 18/4425 in seiner 48. Sitzung am 20.05.2015 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat die Vorlage 18/4425 in seiner 40. Sitzung am 20.05.2015
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat die Vorlage 18/4425 in seiner 47.
Sitzung am 20.05.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme des Antrags.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat die Vorlage 18/4425 in seiner 36.
Sitzung am 20.05.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme des Antrags.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 35. Sitzung
am 20.05.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die An-
nahme des Antrags.
Die Fraktion der CDU/CSU begründet den Koalitionsantrag damit, dass man sowohl mit Blick auf die Habi-
tat-Konferenz im kommenden Jahr als auch auf die Gipfel-Treffen in diesem Jahr Leitlinien zum Thema Ur-
banisierung festlegen wolle. Es gebe zwar sehr viele vereinzelte Aktivitäten auf diesem Politikfeld, aber es
fehle sozusagen die „Klammer“, um ein vorausschauendes wie nachhaltiges Planen und Agieren zu ermögli-
chen. Das aber sei notwendig, wenn man bedenke, dass in wenigen Jahren bis zu 75 Prozent der Menschen in
Städten leben würden. Beispielhaft für die Dringlichkeit verweise man auf das Problem der Vermessung und
Erfassung von Grundstücken in Grundbuchkatastern, ohne dass weder eine vernünftige Infrastrukturplanung
durch die öffentliche Hand noch eine Sicherheit für potentielle Investoren gewährleistet werden könne.
Die Fraktion der SPD schließt sich der Einschätzung der Fraktion der CDU/CSU an. Man habe sich in der
Vergangenheit mehr auf die Entwicklung des ländlichen Raumes fokussiert. Mit dem Antrag werde insbeson-
dere dem räumlichen Zusammenhang der Stadt-Land-Beziehungen Rechnung getragen. Dabei verfolge man
einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem es darum gehe, die verschiedenen Maßnahmen der EZ in einem Urbani-
sierungskonzept zu bündeln. Ein Schwerpunkt dieses Ansatzes liege darum auf der Dezentralisierung und in
Verbindung damit auf einer leistungsfähigen kommunalen Selbstverwaltung.
Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, dass die Antragsteller aus entwicklungspolitischer Sicht keine Ursa-
chenanalyse ihrem Antrag zur Urbanisierung zugrundegelegt hätten. So müsse man zum einen die erzwungene
Migration in Rechnung stellen, seien es Binnenvertriebene, Armutsflüchtlinge oder Vertriebene als Folge des
Kampfes um Land in den Ländern des Südens. Zum anderen sei die Handelspolitik zu nennen, die sehr viele
Existenzen in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zerstört habe, so dass den Betroffenen aufgrund fehlender
Perspektiven nichts anderes übrig bleibe, als im informellen Sektor der Städte zu arbeiten. Dazu passe auch die
fortschreitende Gentrifizierung der Städte. Bei den Planern dominierten die Interessen der Privatwirtschaft und
deren Modelle zur Gestaltung des öffentlichen Raumes, die keine Rücksicht auf regionale Bedarfe nehmen und
keine Teilhabe der Bewohner ermöglichen würden. Insbesondere fehle es dem Antrag an dem Willen zur Stär-
kung der kommunalen Strukturen, ohne die die Frage der Sicherung von Grundrechten, wie der Zugang zu
Wasser oder Bildung, nicht angemessen beantwortet werden könne. Was die Antragsteller ebenfalls unberück-
sichtigt gelassen hätten, das sei die Frage der sozialen Ungleichheit in der Entwicklung des Stadt-Land-Gefälles
und der Nutzung bzw. Verteilung von Ressourcen. Insofern werde man den Antrag ablehnen.

Drucksache 18/5130 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hebt lobend hervor, dass mit dem Antrag endlich das in der Ver-
gangenheit vernachlässigte Thema Urbanisierung aufgegriffen worden sei. Da die Bundesregierung selbst eine
Strategie für Städte erarbeitet habe, könne man den vorliegenden Antrag eher nur als flankierenden Beitrag
betrachten. Darüber hinaus bleibe er sehr allgemein gehalten und lasse konkrete Forderungen vermissen. So
werde zwar die Bedeutung von kleinen und mittleren Städten in der EZ hervorgehoben, aber nicht gesagt, wie
das in der Praxis funktionieren solle. Im Übrigen würden auch keine Angaben zur Finanzierung gemacht. Die
Antragsteller ignorierten insbesondere, wie von der Fraktion DIE LINKE. zu Recht moniert werde, die Frage,
warum es zur Verstädterung komme. Vor allem der Strukturwandel im ländlichen Raum als eine der Hauptur-
sachen für das Wachstum der Städte müsse mehr Beachtung finden. Eine rein sektoral ausgerichtete EZ mit
jeweils drei Schwerpunkten könne aber keine ganzheitliche Lösung für die Herausforderungen der Stadtent-
wicklung sein.

Berlin, den 20. Mai 2015

Peter Stein
Berichterstatter

Gabriela Heinrich
Berichterstatterin

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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