BT-Drucksache 18/5119

zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/3918 - Arbeitsförderung neu ausrichten - Nachhaltige Integration und Teilhabe statt Ausgrenzung

Vom 10. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5119
18. Wahlperiode 10.06.2015
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Beate
Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/3918 –

Arbeitsförderung neu ausrichten – Nachhaltige Integration und Teilhabe
statt Ausgrenzung

A. Problem
Die Förderpolitik für Arbeitslose steckt nach Einschätzung der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN in einer Sackgasse. Dies drücke sich u. a. in der anhaltend hohen
Langzeitarbeitslosigkeit aus. Betroffen sei mehr als eine Million Menschen in
Deutschland, von denen die meisten Arbeitslosengeld II bezögen.

B. Lösung
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert, die Voraussetzung für Förde-
rung und Integration von Arbeitslosen zu verbessern. Dafür sei es erforderlich, die
Arbeitsförderung finanziell und personell besser auszustatten. U. a. müsse mit dem
Aufbau eines verlässlichen Sozialen Arbeitsmarkts auf Basis des Passiv-Aktiv-
Transfers begonnen werden.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Genaue Kostenrechnungen wurden nicht angestellt.
Drucksache 18/5119 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/3918 abzulehnen.

Berlin, den 20. Mai 2015

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Sabine Zimmermann (Zwickau)
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5119
Bericht der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau)

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/3918 ist in der 91. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. März 2015 an
den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Zehn Jahre nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) ist nach Einschätzung der
Antragsteller erheblicher Reformbedarf festzustellen. Dieser umfasse neben der Leistungsseite vor allem die
Förderpolitik für Arbeitslose. Anspruch und Wirklichkeit bei der Förderung insbesondere von Langzeitarbeits-
arbeitslosen klafften immer noch weit auseinander. Dieses Ungleichgewicht führe nicht nur zu einer mangeln-
den Akzeptanz von „Hartz IV“, sondern auch zu unzureichenden Ergebnissen der Arbeitsmarktpolitik. Das
zeige sich an der fehlenden Nachhaltigkeit von Arbeitsmarktintegrationen genauso wie an der anhaltend hohen
Langzeitarbeitslosigkeit. Zudem sei es für Gruppen wie ältere oder alleinerziehende Arbeitslose nach wie vor
besonders schwer, ihre Arbeitslosigkeit zu beenden.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Antrags auf Drucksache 18/3918 in seiner 38. Sit-
zung am 18. März 2015 aufgenommen und die Durchführung einer öffentlichen Anhörung von Sachverständi-
gen beschlossen. Diese fand in der 43. Sitzung am 18. Mai 2015 statt.
Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellungnahmen dazu und zugleich zu dem Antrag der Frak-
tion DIE LINKE. auf Drucksache 18/3146 abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 18(11)372 zusammen-
gefasst sind.
Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:
Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA)
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Deutscher Landkreistag
Bundesagentur für Arbeit (BA)
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
BAG Katholische Jugendsozialarbeit
Deutscher Caritasverband e. V.
Diakonie Deutschland
AWO Bundesverband e. V.
Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen
Institut der deutschen Wirtschaft
Prof. Dr. Gerhard Bosch
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. ab. Die Langzeitarbeitslosigkeit habe sich seit dem Jahr 2004 auf rund 1 Mio. im Jahr 2014 mehr als
halbiert. Der weitere Abbau werde zu einer wachsenden Herausforderung. Der vorliegende Antrag ziele über-
wiegend darauf ab, öffentlich geförderte Beschäftigung erheblich auszuweiten, Ausgaben zu erhöhen, Arbeit-
geber zusätzlich zu belasten, ihnen die Verantwortung für Langzeitarbeitslosigkeit zuzuschieben und Arbeits-
kosten weiter zu erhöhen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien nicht geeignet, Menschen aus Langzeitar-
beitslosigkeit in dauerhafte Beschäftigung zu bringen. Stattdessen führten sie zu einer Verfestigung von Lang-
zeitarbeitslosigkeit und zum Verbleib der Betroffenen in künstlicher Beschäftigung. Langzeitarbeitslosigkeit
sei ein komplexes Problem, das nicht pauschal mit der Ausdehnung der öffentlich geförderten Beschäftigung
zu lösen sei. Langzeitarbeitslose bedürften kompetenter und intensiver Betreuung sowie besonderer Unterstüt-
zungsleistungen, die an den individuellen Problemlagen ausgerichtet seien.

Drucksache 18/5119 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht in dem Antrag viele seiner Vorschläge zur Neuausrichtung
der Arbeitsförderung aufgegriffen. Dies gelte insbesondere hinsichtlich einer stärkeren Nutzung öffentlich ge-
förderter Beschäftigung und einer mehr qualitativen Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik, etwa im Bereich der
Weiterbildung. Eine grundlegende Überarbeitung des SGB II hinsichtlich der Arbeitsmarktinstrumente, der
Finanzierung und der Organisation einschließlich der Verwaltungsverfahren sei notwendig. Dem Problem der
verhärteten Arbeitslosigkeit sowie des faktischen Ausschlusses vieler Langzeitarbeitsloser bzw. Langzeitbe-
zieher von sozialen Teilhabemöglichkeiten lasse sich nicht durch einige wenige isolierte Maßnahmen begeg-
nen. Hierfür sollten auf den Einzelfall bezogene passgenaue Eingliederungsmaßnahmen, häufig in modularer
Form aufeinander aufbauend, eingesetzt werden. Dabei seien arbeitsmarktbezogene Hilfestellungen mit sozial
flankierenden Leistungen zu verknüpfen. Die Eingliederungsstrategie solle langfristig und auf nachhaltige In-
tegration ausgerichtet sein, wodurch sie sich der bisherigen Erfolgsmessung im SGB-II-Rechtskreis zumindest
in Teilen entziehe.
Der Deutsche Landkreistag distanziert sich von der Auffassung, dass maßgeblich verantwortlich für die hohe
Langzeiterwerbslosigkeit eine falsche Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sei. Dagegen treffe die Kritik
zu, dass die Mittel der Arbeitsförderung zusammengestrichen worden seien. Folgerichtig sei die geforderte
Aufstockung des Eingliederungsbudgets. Öffentlich geförderte Beschäftigung habe seit Bestehen des SGB II
besondere Bedeutung. Insofern setze sich der Deutsche Landkreistag auch für die Ausgestaltung eines Sozialen
Arbeitsmarktes ein. Bei dem geforderten Rechtsanspruch auf Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen
gebe man zu bedenken, dass bei einem begrenzten Eingliederungsbudget jeder Rechtsanspruch zulasten der
ansonsten vorgesehenen Ermessensansprüche gehe. Der Antrag setze sich für die Abschaffung von Sanktionen
ein. Der Deutsche Landkreistag unterstütze die Streichung der besonderen Sanktionsregelungen für Unter-25-
Jährige. Der generelle Verzicht auf Sanktionen erscheine aus Sicht der Praxis jedoch nicht zielführend.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellt fest, dass Langzeitarbeitslose in den letzten
Jahren von der Zunahme der Beschäftigung in Deutschland profitiert hätten. Parallel zur Arbeitslosigkeit ins-
gesamt sei seit 2012 allerdings kein Rückgang der Zahl von Langzeitarbeitslosen mehr zu verzeichnen. Höheres
Alter und geringes Qualifikationsniveau gehörten zu den Merkmalen, die die Chancen von Arbeitslosen auf
Integration in den Arbeitsmarkt beeinträchtigten. Weitere Hemmnisse könnten in der Vereinbarkeit von Fami-
lie und Beruf oder in gesundheitlichen Einschränkungen begründet sein. Die geringen Integrationschancen von
Langzeitarbeitslosen würden auch von einem Missverhältnis der Anforderungen der offenen Stellen und dem
Qualifikationsniveau der Langzeitarbeitslosen bedingt. Erschwerend könne eine regional geringe Aufnahme-
fähigkeit des Arbeitsmarktes hinzukommen. Zentrale Ansätze zu einer nachhaltigen Verringerung von Lang-
zeitarbeitslosigkeit seien die intensive Betreuung von Arbeitslosen, an den jeweiligen Problemlagen der Ar-
beitslosen orientierte Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sowie ein am Prinzip der Teilhabe orientier-
ter sozialer Arbeitsmarkt. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigten, dass eine intensivere Beratung mit besserem
Betreuungsschlüssel zu mehr Vermittlungen führe. Gleichzeitig fänden sich Hinweise auf qualitative Probleme
der Beratung und Vermittlung in beiden Rechtskreisen des Arbeitsmarktes, insbesondere aber im SGB II. For-
derungen nach einer individuelleren und nachhaltigeren Betreuung der Arbeitslosen erschienen vor diesem
Hintergrund berechtigt. Öffentlich geförderte Beschäftigung, etwa im Rahmen eines sozialen Arbeitsmarktes,
könne das Teilhabeempfinden von Langzeiterwerbslosen verbessern. In der konkreten Gestaltung eines sozia-
len Arbeitsmarkts sei die strenge Einhaltung einer Zielgruppe von Personen ohne Chancen auf dem regulären
Arbeitsmarkt allerdings von zentraler Bedeutung. Als Einstieg erscheine die Zahl von 10.000 Teilnehmern
nachvollziehbar, um Erfahrungen mit dem Programm zu sammeln. Die von der Fraktion DIE LINKE. gefor-
derten Zahlen von 200.000 bis 400.000 Teilnehmern lägen hingegen an der Obergrenze der potenziellen Ziel-
gruppe bzw. weit darüber.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) begrüßt die Initiative, da sie auf die nachhaltige Integration von Langzeitar-
beitslosen ziele. Öffentlich geförderte Beschäftigung werde dabei als zentrales Mittel betrachtet, um Langzeit-
arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Grundsätzlich bestehe in der Fachwelt seit langem Konsens darüber,
dass die rigorose Ausrichtung auf den ersten Arbeitsmarkt nicht für alle eine Lösung biete und öffentlich ge-
förderte Beschäftigung eine Option sein könne, um besonders verfestigt Langzeitarbeitslosen neue Perspekti-
ven zu eröffnen. Der Antrag wolle im Kern eine neue Balance aus Fördern und Fordern herstellen. Dies sei
ausdrücklich zu begrüßen. Mit den Arbeitsmarktreformen seit Anfang der 2000er Jahre sei in erster Linie der
Druck auf Arbeitslose erhöht worden – u. a. mit Aktivierungs- und Zumutbarkeitsregeln sowie Sanktionen. Die
Daten zeigten, dass diese Politik zu kurz greife. Auch wenn die Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit in ungeför-
derte Beschäftigung für kurzfristig Arbeitslose gestiegen seien, bleibe ein wesentliches Ziel der Einführung des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5119
SGB II unerreicht: Wer lang-zeitarbeitslos sei, habe heute selbst bei guter Konjunkturlage keine besseren Chan-
cen, dauerhaft Arbeit aufzunehmen als vor Einführung des SGB II.
Die Diakonie Deutschland begrüßt den Antrag der Fraktion DIE LINKE. Der Bedarf an öffentlich geförderter
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sei groß. Diese solle daher längerfristig für eine größere Anzahl
von Personen gefördert werden, der Passiv-Aktiv-Transfer per Bundesgesetz eingeführt werden; denn Erfah-
rungen zeigten, dass Arbeitgeber Vorbehalte gegen die Einstellung langzeitarbeitsloser Personen hätten. Daher
sei es wichtig, auf alle Arbeitgeber zuzugehen und sie durch passgenaue Vermittlung, finanzielle Anreize und
insbesondere durch ein verlässliches Angebot der Unterstützung und Begleitung für die Einstellung von Lang-
zeitarbeitslosen zu gewinnen. In lokalen Arbeitsmarktprogrammen seien die gemeinsamen Einrichtungen, die
kommunalen Träger, Sozialpartner und Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege/Ligen der Freien Wohl-
fahrtspflege an der Planung des Mittel- und Instrumenteneinsatzes zu beteiligen, um einen lokalen Konsens
über den finanziellen Umfang für die Förderung in der Region und die mögliche Zahl der geförderten Arbeits-
plätze zu verabreden. Das geeignete Gremium zur Beratung des lokalen Konsens sei der Beirat nach § 18
SGB II. Ein Angebot an Nachqualifizierungen im SGB II und III, die eine Qualifikation entsprechend der
identifizierten Bedarfe ermögliche, sei zu schaffen. Die Angebote zur Qualifizierung und Weiterbildung müss-
ten auch Eingewanderten ohne berufliche Abschlüsse und Langzeitarbeitslosen offenstehen, um Nachteile
durch fehlende schulische und berufliche Abschlüsse auszugleichen und neue berufliche Orientierungen zu
ermöglichen. Die finanzielle Situation von Personen in Weiterbildung sei beispielsweise durch ein Unterhalts-
geld zu verbessern. Insgesamt dürfe das Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum nicht beschnit-
ten werden. Sanktionen führten zunehmend in existentielle Armut und Wohnungslosigkeit. Zudem gebe es
keinen wissenschaftlichen Beleg für positive Effekte von Sanktionen auf die Leistungsberechtigten. Daher plä-
diere die Diakonie für die Abschaffung von Sanktionen im SGB II.
Der Deutsche Caritasverband fordert, zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit in den Jobcentern viel-
fältige Handlungsmöglichkeiten zu geben. Wünschenswert sei es u. a., den Passiv-Aktiv-Transfer zu erproben,
dessen Einführung auch von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen werde. Folgende Punkte müssten bei der
Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik in dieser Legislaturperiode gelöst werden: Damit arbeitsmarktferne
Personen eine echte Chance auf Aufwärtsmobilität erhielten, müsse der Teilhabegedanke explizit im SGB II
verankert werden. Wichtig sei ein Rechtsanspruch auf sozialintegrative SGB-II-Leistungen für alle Langzeit-
arbeitslosen und ein Rechtsanspruch auf SGB-III-Instrumente zur beruflichen Integration für Jugendliche bis
27 Jahre. Arbeitsgelegenheiten, die Förderung von Arbeitsverhältnissen und die Freie Förderung müssten als
Regelinstrumente so weiterentwickelt werden, dass Auf- und Ausstiegsmobilität durch sie erreicht werden
könne. Zudem müsse die Zielsteuerung weiterentwickelt werden und die Finanzierung der Arbeitsmarktförde-
rung auf eine langfristige Integrationsstrategie ausgerichtet werden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit argumentiert, dass Langzeitarbeitslosig-
keit nicht nur bei älteren Arbeitslosen oder Menschen mit fehlenden oder veralteten beruflichen Qualifikationen
auftrete. Auch junge Menschen seien betroffen. Besonders sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte
Jugendliche seien beim Übergang in Ausbildung und Arbeit gefährdet. Bei der Bekämpfung von Langzeitar-
beitslosigkeit sei daher u. a. besonders zu beachten, auch langzeitarbeitslose junge Menschen in den Blick zu
nehmen. Durch Nachholen von Schulabschlüssen und die Umsetzung eines Rechts auf Ausbildung bzw. der
im Koalitionsvertrag benannten Ausbildungsgarantie könne hier geholfen werden. Ferner müsse die Finanzie-
rung sichergestellt werden. Nach dem Leistungsgrundsatz der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 3 Ab-
satz 2 SGB II) seien erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren unverzüglich in Ausbildung oder Ar-
beit zu vermitteln. Diese Regelung speziell für arbeitslose Jugendliche müsse konsequent umgesetzt werden.
Die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen bewertet das Fünf-Punkte-Programm
der Fraktion DIE LINKE. als umfassendes Konzept. Ausgesprochen positiv sei, dass die Vorschläge über ak-
tive Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinn hinausgingen. Das Missverhältnis zwischen Arbeitskräfteangebot und
-nachfrage werde thematisiert und über ein Investitions- und Zukunftsprogramm sollten zusätzliche Arbeits-
plätze geschaffen werden. Würden die Vorschläge umgesetzt, dann würden Langzeiterwerbslosen neue Chan-
cen auf Erwerbsarbeit eröffnet, die Qualität der Arbeitsförderung deutlich gesteigert und die Rechte von Er-
werblosen gegenüber der Arbeitsverwaltung spürbar gestärkt. Ausgesprochen positiv zu bewerten sei auch,
dass das Konzept eine deutlich verbesserte materielle Absicherung von Erwerbslosen beinhalte.
Das Institut der deutschen Wirtschaft konstatiert ebenfalls anhaltend hohe Zahlen bei Langzeiterwerbslosen.
Eine, wenngleich nicht die einzig mögliche, Antwort bestehe in der Ausweitung oder Verbesserung der aktiven
Arbeitsmarktpolitik. Dazu gehöre eine bessere Betreuung in Aktivierungszentren.

Drucksache 18/5119 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Sachverständige Prof. Dr. Gerhard Bosch fordert einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik.
Diese müsse einen stärkeren Beitrag zur Qualifizierung von Arbeitslosen leisten, da der Arbeitsmarkt für ein-
fache Tätigkeiten immer enger geworden sei und Arbeitslose ohne Berufsausbildung aufgrund des „Überange-
bots“ von gering qualifizierten Arbeitskräften ohne zusätzliche Qualifikation geringe Integrationschancen hät-
ten. Durch den Fokus auf eine schnelle Vermittlung sei die Zahl der abschlussbezogenen Weiterbildungsmaß-
nahmen sowohl im SGB II als auch im SGB III bis 2007/08 auf ein historisch tiefes Niveau zurückgefahren
worden. Besonders hoch seien die Einbrüche bei den abschlussbezogenen Weiterbildungsmaßnahmen gewe-
sen.
Weitere Einzelheiten der Stellungnahmen sind der Materialzusammenstellung auf Drucksache 18(11)372 so-
wie dem Protokoll der Anhörung zu entnehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf Drucksache 18/3918 in seiner 44. Sitzung am
20. Mai 2015 abschließend beraten. Dabei hat der Ausschuss dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.
Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag ab. Inhaltlich bringe er wenig Neues. Die Koalition werde sich
für den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit engagieren und dabei einen arbeitsmarktnahen Ansatz verfolgen.
Dabei sollten die Betroffenen auf die Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung vorbereitet wer-
den. Die Koalition wolle die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik anpassen. Das gelte u. a. für die Unterstützung
und Begleitung von Arbeitslosen. Die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten solle weiterhin möglich bleiben.
Die Fraktion der SPD betonte, dass die Bundesregierung mit ihrem Programm zum Abbau der Langzeitar-
beitslosigkeit auf dem richtigen Weg sei. Mit der Einrichtung von Netzwerken für Aktivierung, Beratung und
Chancen werde der Kerngedanke des erfolgreichen Programms Perspektive 50plus umgesetzt. 1.000 Stellen,
die ursprünglich 2015 hätten auslaufen sollen, hätten hierfür bis 2018 verlängert werden können. Beachtet
werde u. a., dass die Nachbetreuung für das Gelingen der Arbeitsmarktintegration Langzeiterwerbsloser be-
sondere Bedeutung habe. Bei der Einführung eines Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) bleibe die SPD weiterhin
,,am Ball“. In Baden-Württemberg werde derzeit das deutschlandweit einzige flächendeckende Modellprojekt
eines PAT von einem SPD-geführten Arbeitsministerium durchgeführt.
Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte angesichts von einer Million Langzeiterwerbsloser eine Verfestigung
der langdauernden Erwerbslosigkeit. Die Maßnahmen der Bundesregierung dagegen seien lediglich wie ,,ein
Tropfen auf den heißen Stein“. Die Fraktion setze sich für ein umfassendes Programm gegen (Langzeit-)Er-
werbslosigkeit ein, u. a. seien 200.000 öffentlich geförderte Stellen zu schaffen, um Menschen nach langer
Erwerbslosigkeit wieder Teilhabe an der Erwerbsarbeit zu eröffnen. Dafür sei auch ein Passiv-Aktiv-Transfer
zu ermöglichen, um Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu fördern. Zudem brauche man ein öffentliches Investitions-
programm, eine Qualifizierungsoffensive sowie einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Dem Antrag der
Grünen-Fraktion könne man nicht zustimmen, da er nicht weit genug reiche.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verwies auf Kritik von Sachverständigenseite an einem „Pro-
gramm Hopping“ mit vielen kurzen Programmen. Gefordert seien stattdessen verlässliche, auf längere Zeit
konzipierte Programme sowie flexible Regelinstrumente. 13 Prozent Integrationsquote in den Arbeitsmarkt bei
den Langzeitarbeitslosen bei einem hohen Anteil von Vermittlung in Leiharbeit und insgesamt eine kurze Ver-
weildauer in Beschäftigung zeigten, dass Sonderprogramme nicht wirkten. Darüber hinaus müsse man für diese
Personengruppe vom Vermittlungsvorgang wegkommen – zugunsten von wirklicher Qualifizierung. Auf an-
dere Weise fänden Menschen nach langer Arbeitslosigkeit den Weg in einen so qualifizierten Arbeitsmarkt wie
den deutschen nicht mehr. Die Forderungen der Fraktion DIE LINKE. seien dagegen so weit gefasst, dass sie
sich kontraproduktiv auswirken würden. Das gelte u. a. für den Rechtsanspruch auf öffentlich geförderte Be-
schäftigung für alle über 55-Jährigen und für einen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro für diese Personengruppe.

Berlin, den 20. Mai 2015

Sabine Zimmermann (Zwickau)
Berichterstatterin
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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