BT-Drucksache 18/5086

Reaktionen der Bundesregierung auf das Verbot kommunistischer Symbole in der Ukraine

Vom 3. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5086
18. Wahlperiode 03.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Eva Bulling-Schröter, Niema Movassat
und der Fraktion DIE LINKE.

Reaktionen der Bundesregierung auf das Verbot kommunistischer Symbole
in der Ukraine

Nach Medienberichten hat das ukrainische Parlament ein Gesetzespaket verab-
schiedet, das die Verwendung kommunistischer Symbole und kommunistische
Propaganda unter schwere Strafe stellt: „Für die Verwendung der Symbole Na-
zideutschlands und der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (oder deren
Elemente) in der Öffentlichkeit droht eine Strafe von 5 bis 10 Jahren Haft“ (Inga
Pylypchuk „Für Karl Marx wird es in der Ukraine ungemütlich“, DIE WELT,
15. Mai 2015). Das Gesetz schreibe die „Verurteilung des [der!] kommunisti-
schen und nationalsozialistischen totalitären Regime in der Ukraine und das Ver-
bot der Propaganda von deren Symbolen vor“ (ebd.).
Nach Auffassung der Fragesteller führt die Gleichsetzung von Kommunismus
und Nationalsozialismus zu einer Verharmlosung der historisch einzigartigen
Verbrechen des deutschen NS-Regimes, die zurückgewiesen werden muss. Im
Gegenteil war es die Rote Armee der Sowjetunion, die einen überragenden Bei-
trag zum Sieg über den Faschismus geleistet hat. Dieser Widerspruch kommt
auch in dem Gesetz selbst zum Ausdruck, denn ausgenommen von dem Verbot
der Verwendung kommunistischer Symbole sind Fälle, „bei denen es um die
Darstellung des Sieges gegen den Faschismus […] geht“ (ebd.).
Ein weiteres Gesetz des Gesetzespaketes schreibt die Anerkennung der „Mit-
glieder der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA, 1942 bis 1956) als
Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine“ (ebd.) fest. Die UPA, die im Jahr
1943 in Wolhynien und Ostgalizien Massaker an Polinnen und Polen verübte,
wurde als militärischer Flügel der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“
gegründet, die zeitweise mit dem deutschen Nazi-Regime kollaborierte. Gegen
diese „Heroisierung der UPA-Kämpfer“ hat unter anderem der ehemalige polni-
sche Präsident Bronisław Komorowski Protest eingelegt (ebd.).
Auch innerhalb der Ukraine stößt das Gesetzespaket auf Kritik beispiels-
weise der Präsidentin des Medienverbandes der Juristen der Ukraine, Tetiana
Kotjuschinska: „Dieses Gesetz ist mit der Verfassung der Ukraine nicht kon-
form. Es entspricht nicht ihren Normen, weil es die Tätigkeit von Organisa-
tionen und politischen Parteien einschränken kann“. Auch in Polen und Moldau
habe es früher Verbote kommunistischer Symbole gegeben, die aber durch die
Verfassungsgerichte wieder abgeschafft worden seien, „weil sie mit den Men-
schenrechten nicht konform waren“ (ebd.).
Kritik richtet sich auch gegen die destabilisierende Wirkung des Gesetzespake-
tes. „Die ukrainischen Abgeordneten haben mit dieser Entscheidung eine sehr
explosive Situation geschaffen“, kommentierte der Schriftsteller Serhij Zhadan.

Drucksache 18/5086 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Oleksiy Radynsky, Mitarbeiter des Zentrums für visuelle Kultur und Dokumen-
tarfilmer, fürchtet eine weitere Zuspitzung des Konflikts: „Das Parlament ver-
sucht mit dieser Initiative, den russischen Einfluss einzuschränken, erreicht aber
das Gegenteil davon: Es bringt die ukrainische Staatlichkeit in Gefahr. Die
Ukraine, so wie wir sie kennen, hat verschiedene Traditionen und Identitäten in
sich vereint. Nun will man ein neues Projekt durchsetzen – und das kann zum
Verlust weiterer Gebiete führen“ (ebd.).
Als Mitinitiatorin der beiden Abkommen von Minsk ist die Bundesregierung
nach Auffassung der Fragesteller nicht nur in der Pflicht, den Friedensprozess in
der Ukraine aktiv zu fördern, sondern auch Druck auszuüben, damit Maßnah-
men unterbleiben, die den Friedensprozess be- oder gar verhindern.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist nach Einschätzung der Bundesregierung unter dem Ausdruck „kom-

munistische Symbole“ zu verstehen?
2. Welche der nachfolgenden Beispiele fallen nach Kenntnis der Bundesregie-

rung darunter und welche nicht: Hammer und Sichel, fünfzackiger roter
Stern, Bär und fünfzackiger roter Stern (Flagge des US-Bundesstaates Kali-
fornien), rote Fahne, Statue von Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin), Bildnis
von Karl Marx, Bildnis von Rosa Luxemburg, Bildnis von Herbert Wehner
(Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands von 1927 bis 1942),
Bildnisse von Karl Radek, Nikolai Bucharin oder anderer Mitglieder der
Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die in den Moskauer Schaupro-
zessen zum Tode verurteilt wurden, Bildnisse von Franz Jacob und anderer
kommunistischer Widerstandskämpfer, die von den Nazis ermordet wur-
den?

3. Umfasst nach Kenntnis der Bundesregierung das Verbot kommunistischer
Symbole und Propaganda auch die Schriften von Karl Marx und Friedrich
Engels?

4. Ermächtigen die genannten Gesetze nach Kenntnis der Bundesregierung die
ukrainischen Sicherheitsbehörden zu Hausdurchsuchungen und zu Be-
schlagnahmungen?

5. Ist das Verbot der Verwendung kommunistischer Symbole unter Androhung
von Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren nach Einschätzung der
Bundesregierung mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar?

6. Ist das Verbot der Verwendung kommunistischer Symbole unter Androhung
von Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren nach Einschätzung der
Bundesregierung mit den Menschenrechten vereinbar?

7. Wäre ein Verbot der Verwendung kommunistischer Symbole unter Andro-
hung von Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren nach Einschät-
zung der Bundesregierung mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar?

8. Warum wurde in Deutschland mit dem Verbot der Kommunistischen Partei
Deutschlands (KPD) nicht zugleich auch die Verwendung kommunistischer
Symbole verboten?

9. Wäre ein Verbot der Verwendung kommunistischer Symbole auf der Grund-
lage des Verbotes der KPD möglich und mit dem Grundgesetz und deut-
schen Recht konform gewesen?

10. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Anerkennung der Mitglieder der Ukrainischen Aufständischen
Armee (UPA) als Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5086
11. Sieht es die Bundesregierung als ihre Aufgabe an, gegen die mögliche
Heroisierung von Organisationen zu wirken, die zeitweise mit den Nazis
kollaborierten und während des Zweiten Weltkrieges Massaker verübten?

12. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass nach dem neuen
Gesetz Personen, die die Mitglieder der UPA, wie zum Beispiel den Nazi-
Kollaborateur Stepan Andrijowytsch Bandera, beleidigen, strafrechtlich
verfolgt werden können?

13. Ist es nach Einschätzung der Bundesregierung zutreffend, dass damit Kritik
an den Massakern der UPA und an deren Kollaboration mit dem deutschen
Nazi-Regime in der Ukraine nicht mehr möglich ist?

14. Wann und in welcher Form hat die Bundesregierung gegen die Anerken-
nung der Mitglieder der UPA als Kämpfer für die Unabhängigkeit der
Ukraine Widerspruch eingelegt?

15. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass auf Grundlage des genann-
ten Gesetzespaketes die Tätigkeit von Organisationen und Parteien in der
Ukraine eingeschränkt werden können?

16. Verschärft nach Einschätzung der Bundesregierung das genannte Gesetzes-
paket die Situation zwischen den Konfliktparteien in der Ukraine?

17. Was hat die Bundesregierung unternommen, um der Verabschiedung des
Gesetzespaketes entgegenzuwirken?

18. Hat die Bundesregierung der ukrainischen Regierung hinsichtlich des Ver-
botes kommunistischer Symbole und Propaganda Ratschläge erteilt, und
wenn ja, welche?

19. Steht das Verbot kommunistischer Symbole und Propaganda nach Einschät-
zung der Bundesregierung in Zusammenhang mit dem in der Ukraine dis-
kutierten Verbot der Kommunistischen Partei (www.spiegel.de vom 24. Juli
2014 „Machtkampf in Kiew: Ukraine will Kommunistische Partei verbie-
ten“)?

Berlin, den 3. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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