BT-Drucksache 18/5083

Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen

Vom 3. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5083
18. Wahlperiode 03.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch,
Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph
Lenkert, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen

Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ist ein finanzwirksamer
Erweiterungsschritt des bestehenden Mautsystems und würde ca. 2,3 Mrd. Euro
pro Jahr an zusätzlichen Einnahmen generieren.
In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. gab die Bun-
desregierung an, noch keine Entscheidung darüber getroffen zu haben, ob die
technische Aufrüstung des Mautsystems durch eine Direktvergabe an den Maut-
betreiber Toll Collect GmbH erfolgen oder dieser Auftrag per Ausschreibungs-
verfahren vergeben werden soll (siehe Antworten zu den Fragen 18 bis 21 sowie
25 bis 28 auf Bundestagsdrucksache 18/3826). Die Bundesregierung hat am
2. Mai 2015 eine Auftragsbekanntmachung im Europäischen Amtsblatt veröf-
fentlicht, die neben der technischen Beratung des laufenden Mautsystems drei
Einzelleistungen umfasst: Die „Durchführung einer technischen Due-Diligence“,
„Technische Beratung Ausschreibung der Geschäftsanteile“ und die „Tech-
nische Begleitung beim Übergang des Systems auf den neuen Betreiber/Wirk-
betrieb“ (vgl. Auftragsbekanntmachung Nr. 2015/S 085-152851, http://ted.
europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:152851-2015:TEXT:DE:HTML&src=0).
Welchen Einfluss diese Auftragsvergabe auf den Fortgang des Erweiterungspro-
zesses der Mautpflicht auf alle Bundesstraßen hat, soll im Rahmen dieser Klei-
nen Anfrage erhellt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist die Entscheidung über die freihändige Vergabe der technischen Vorbe-

reitung der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen an die Toll
Collect GmbH inzwischen getroffen worden (s. Handelsblatt vom 19. No-
vember 2014 „Dobrindt bleibt Toll Collect treu“)?
Wenn ja, wann soll eine freiwillige ex ante Transparenzbekanntmachung im
Amtsblatt der Europäischen Union (EU) erscheinen?
Wenn nein, welche weiteren Optionen erwägt die Bundesregierung zur Vor-
bereitung dieser Ausweitung, und bis wann soll eine Entscheidung getroffen
werden?

2. Hat die Bundesregierung ihre Entscheidung dabei auf externe Rechtsgutach-
ten gestützt, bzw. zieht sie solche bei ihrer Entscheidung zu Rate?
Wenn ja, wer hat diese wann erstellt, und wann wurden oder werden diese
veröffentlicht?

Drucksache 18/5083 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wenn nein, warum wurden demgegenüber externe technische Beratungs-
leistungen in diesem Zusammenhang ausgeschrieben, und auf welcher
Grundlage wurde die Entscheidung getroffen?

3. Sind der Bundesregierung vergaberechtliche Probleme bei einer freihändi-
gen Vergabe der technischen Vorbereitung der Mautausweitung auf alle
Bundesstraßen an die Toll Collect GmbH bekannt?
Wenn ja, welche, und warum muss die notwendige technische Aufrüstung
bzw. Ausweitung des Mautsystems für die Mauterhebung auf allen Bundes-
straßen (s. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 54 auf
Bundestagsdrucksache 18/3616) nicht ausgeschrieben werden, wenn dies
durch die Toll Collect GmbH erfolgt?
Wenn nein, wodurch sind aus Sicht der Bundesregierung vergaberechtliche
Bedenken bei ihrer Entscheidung für die freihändige Vergabe der Vorberei-
tung der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeräumt?

4. Welche Unternehmen haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung bis-
her als Anbieter für den Europäischen Elektronischen Mautdienst (EEMD)
registrieren lassen?

5. Müssen einer Mauterhebung mittels EEMD Vergabeverfahren vorgeschal-
tet werden?
Wenn ja, wie lange würde ein Vergabeverfahren nach Kenntnis der Bundes-
regierung dauern?
Wenn nein, prüft die Bundesregierung, die Ausweitung der Mautpflicht auf
alle Bundesstraßen unter Rückgriff auf einen EEMD-Anbieter zu realisie-
ren (bitte begründen)?

6. Ist die Leistungsbeschreibung für den Auftrag zur technischen Aufrüstung
bzw. Ausweitung des Mautsystems für die Mauterhebung auf allen Bundes-
straßen bereits erstellt worden (bitte begründen)?

7. Ist die Leistung der technischen Aufrüstung des Mautsystems für die Erhe-
bung der Maut auf allen Bundesstraßen durch den für den Verlängerungs-
zeitraum der Jahre 2015 bis 2018 ergänzten Betreibervertrag mit der Toll
Collect GmbH gedeckt (bitte begründen)?

8. Welcher Auftragnehmer ist derzeit mit dem Auftrag der „technische[n] Be-
ratung von BMVI [Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruk-
tur] und Bundesamt für Güterverkehr (BAG) im Bereich Lkw-Maut“ be-
traut, dessen Vertrag nach Angabe des BMVI „demnächst ausläuft“ (vgl.
Auftragsbekanntmachung)?

9. Ist der „demnächst“ auslaufende Vertrag vom Aufgabenspektrum her iden-
tisch mit dem der Auftragsbekanntmachung?
Wenn nein, um welche Aufgaben wurde die Ausschreibung erweitert bzw.
reduziert?

10. Warum wurde der in der Auftragsbekanntmachung skizzierte Auftrag,
welcher vier klar abgrenzbare Aufgaben umfasst, nicht in vier Lose aufge-
teilt?

11. Hat sich die Bundesregierung für den Mautbetrieb ab dem Jahr 2018 (nach
Auslaufen des verlängerten Betreibervertrages mit der Toll Collect GmbH)
dahingehend festgelegt, den Mautbetrieb mit der derzeit von der Toll
Collect GmbH genutzten Technik weiterzuführen?
Wenn ja, wann, und warum?
Wenn nein, warum hat die Bundesregierung bisher keine technikoffene
Ausschreibung des Mautsystems vorgenommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5083
12. Ist eine Mauterhebung nach Auslaufen des Betreibervertrages im Jahr 2018
anders als mit einem Weiterbetrieb mit der derzeit verwendeten Technik
möglich (bitte begründen)?

13. Wie viel Zeit würde nach Kenntnis der Bundesregierung die Etablierung
eines neuen Mautsystems in Anspruch nehmen, angefangen von der technik-
offenen Neuausschreibung des (Lkw-)Mautsystems bis zum reibungslosen
Wirkbetrieb (d. h. inklusive durchschnittlichem Zeitverzug durch Klagen
gegen eine Vergabe)?

14. Bedeutet die Ausschreibung des Auftrags zur Durchführung einer „techni-
schen Due-Diligence“, dass der Bund vor Ablauf des Vertrages mit der Toll
Collect GmbH die Call Option ziehen und selbige zumindest vorüberge-
hend übernehmen wird (bitte begründen)?
Wenn nein, aus welchem Grund wurde der in der Vorbemerkung der Frage-
steller genannte Auftrag ausgeschrieben, und welche anderen Optionen
werden geprüft bzw. deren Prüfung ausgeschrieben?

15. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung im Vorfeld der Verlänge-
rung des Betreibervertrages im Jahr 2014 keine Due-Diligence in Auftrag
gegeben, um sich das Ziehen der Call Option bis Februar 2015 zumindest
offen zu halten?

16. Kann der Bund Anteile an der Toll Collect GmbH nur dann ausschreiben,
wenn er im Besitz dieser Anteile ist (bitte begründen)?
Wenn nein, warum schreibt der Bund Beratungsleistungen für den Über-
gang des Mautsystems auf „den neuen Betreiber“ aus?

17. Bedeutet die Ausschreibung der Leistungen „Technische Beratung Aus-
schreibung der Geschäftsanteile“ und „Technische Begleitung beim Über-
gang des Systems auf den neuen Betreiber/Wirkbetrieb“, dass die Bundes-
regierung vor Ablauf des Vertrages mit der Toll Collect GmbH die Call
Option ziehen, selbige übernehmen und die Anteile wieder veräußern wird
(bitte begründen)?
Wenn nein, warum schreibt die Bundesregierung technische Unterstüt-
zungsleistungen beim Übergang des Systems auf „den neuen Betreiber“
aus?
Wenn ja, wann wird der Bund die Toll Collect GmbH übernehmen, und wird
die Bundesregierung die Anteile erst nach Sicherstellung eines reibungs-
losen Wirkbetriebes des auf alle Bundesstraßen erweiterten Lkw-Mautsys-
tems ausschreiben (bitte begründen)?

18. Haftet die Toll Collect GmbH bzw. die Toll Collect GbR für Mautausfälle
auf Bundesstraßen?
Wenn ja, haftet die Toll Collect GmbH bzw. die Toll Collect GbR hier wie
im Falle der Autobahnen vollumfänglich?
Wenn nein, warum ist die Haftung auf Autobahnen beschränkt?

19. Übernimmt der Bund im Falle des Ziehens der Call Option unmittelbar alle
Haftungsrisiken, auch für technisch bedingte Mautausfälle im Zuge der Er-
weiterung der Mautpflicht auf alle Bundesstraßen?

20. Welchen Einfluss hat nach Ansicht der Bundesregierung das Ziehen der
Call Option auf das Schiedsverfahren I?

21. Inwieweit ist die Beendigung des Schiedsverfahrens I eine Bedingung für
die Übernahme der Toll Collect GmbH?

22. Wie ist der Verfahrensstand der Schiedsverfahren I und II, und wann finden
die nächsten Verhandlungen statt?

Drucksache 18/5083 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit dem Abschluss der
Schiedsverfahren zu rechnen (bitte nach Verfahren getrennt begründen)?

24. Gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, nach dem Ziehen der
Call Option die Anteile der Toll Collect GmbH nicht auszuschreiben, son-
dern die Mauterhebung in eine Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen
(oder alle Straßen in der Baulast des Bundes), wie z. B. nach dem österrei-
chischen Modell der ASFINAG, zu integrieren?
Wenn ja, welches Referat ist damit befasst, und mit welchen Akteuren wird
diese Option diskutiert?
Wenn nein, welche Vorteile hat es nach Ansicht der Bundesregierung, Maut-
erhebung und die Verausgabung des Mautaufkommens nicht zu integrie-
ren?

25. Welche konkreten Änderungen des Bundesfernstraßenmautgesetzes
(BFStrMG) werden derzeit von der Bundesregierung geprüft, „um die
rechtlichen Voraussetzungen für die technische Ausdehnung der Lkw-Maut
auf alle Bundesstraßen Mitte 2018 zu schaffen“ (Bundestagsdrucksache
18/4460)?
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen nach Ansicht der Bundes-
regierung jenseits der Bestimmungen des § 1 Absatz 1 BFStrMG (Fest-
legung der mautpflichtigen Strecken) bezüglich der Ausweitung der Lkw-
Maut auf alle Bundesstraßen geschaffen werden?

Berlin, den 2. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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