BT-Drucksache 18/5027

Konsequenzen aus der Einstufung von Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend durch die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation und Deutschlands Rolle im laufenden Wiederzulassungsverfahren der Europäischen Union

Vom 21. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5027
18. Wahlperiode 21.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
Bärbel Höhn, Kordula Schulz-Asche, Steffi Lemke, Uwe Kekeritz und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konsequenzen aus der Einstufung von Glyphosat als wahrscheinlich
krebserregend durch die Krebsforschungsagentur der
Weltgesundheitsorganisation und Deutschlands Rolle im laufenden
Wiederzulassungsverfahren der Europäischen Union

Die Arbeitsgruppe der Krebsforschungsagentur (International Agency for
Research on Cancer, IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Gly-
phosat als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft (vgl.
www.bfr.bund.de/cm/343/loest-glyphosat-krebs-aus.pdf). Damit wurde Gly-
phosat in die zweithöchste Risikostufe eingeordnet, zu der u. a. auch Acrylamid,
Blei und Nitrosamine gehören (vgl. www.monographs.iarc.fr/ENG/
Classification/). Die IARC-Arbeitsgruppe hat am 20. März 2015 einen zusam-
menfassenden Kurzbericht zur Neueinstufung von Glyphosat und anderen Pes-
tiziden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „The Lancet Oncology“ ver-
öffentlicht (vgl. www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045%
2815%2970134-8/abstract); die ausführliche Monographie liegt noch nicht vor.
Ende des Jahres 2015 steht auf Ebene der Europäischen Union (EU) die Ent-
scheidung über einer Zulassungserneuerung für den Herbizidwirkstoff Gly-
phosat an; Deutschland ist hierbei berichterstattender Mitgliedstaat. Die neue
Risikoeinschätzung durch das IARC befindet sich im Widerspruch zur Risiko-
einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das die IARC-
Einstufung bzw. Anhaltspunkte für ein kanzerogenes Potenzial von Glyphosat
auf Basis der vorliegenden Veröffentlichung für nicht nachvollziehbar hält (vgl.
www.bfr.bund.de/cm/343/loest-glyphosat-krebs-aus.pdf). Das BfR hat im Rah-
men des Wiederzulassungsverfahrens für Glyphosat auf EU-Ebene Anfang
April 2015 seinen Bewertungsbericht zu Glyphosat an die EU-Risikobewer-
tungsbehörde EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) weiter-
geleitet, ohne die Publizierung der ausführlichen Monographie zur IARC-Ein-
stufung abzuwarten und deren fundierte Prüfung und Einarbeitung in den Be-
wertungsbericht vorzunehmen.
Glyphosat wird auch in Deutschland in erheblichem Umfang (im Jahr 2012 ca.
6 000 Tonnen reine Wirkstoffmenge) in der Landwirtschaft, bei kommunalen
Grünflächen und im Haus- und Kleingartenbereich eingesetzt (für letzteren sind
in Deutschland 51 Mittel zugelassen). Es existieren vermehrt Hinweise, dass
gerade Hausbesitzer und Hobbygärtner Glyphosat-Herbizide unsachgemäß
anwenden. Das Einsatzverbot auf befestigten Flächen, wie Gehwegen, Gara-
geneinfahrten oder Terrassen, wird häufig nicht beachtet (vgl. u. a. Bericht
„Roundup und Co – unterschätzte Gefahren“ S. 44 ff. von Pan Germany/Agrar-

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koordination, Dezember 2014 sowie Behördenerkenntnisse in Rheinland-Pfalz
unter www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/archive/2013/june/article/glyphosat-
einsatz-reduzieren/). Ohne ausreichende Bodenbindung wird ein erheblicher
Teil der Wirkstoffmengen durch Niederschläge in Gewässer gespült und kann
dort Fische und Wasserorganismen schädigen. Zudem bestehen im Haus- und
Kleingartenbereich besonders hohe Risiken eines direkten Kontaktes mit dem
Gift auf behandelten Flächen, etwa für spielende Kinder und andere nichts-
ahnende Personen. Bereits im Jahr 2013 hat sich der Bundesrat daher für ein
Verbot glyphosathaltiger Herbizide für den Haus- und Kleingartenbereich aus-
gesprochen (vgl. Bundesratsdrucksache 704/13).
Urin-Tests haben eine Glyphosatbelastung der breiten Bevölkerung aufgezeigt,
damit sind auch Personen betroffen, die in Großstädten leben und keinen
landwirtschaftlichen Kontakt zum Gift aufweisen (vgl.www.bit.ly/1zZ4IDi und
www.bit.ly/1JGM6bt). Einige Untersuchungen ergaben eine wesentlich gerin-
gere Glyphosat-Belastung von Personen, die sich vorwiegend mit ökologisch er-
zeugten Lebensmitteln ernähren (www.bit.ly/1zZBBjr). Diese Ergebnisse deu-
ten darauf hin, dass der Wirkstoff über Nahrungsmittel aufgenommen wird und
ein besonderer Zusammenhang mit der Sikkation (Vorerntebehandlung u. a. von
Getreide) besteht, die trotz Anwendungsbeschränkungen grundsätzlich nach wie
vor in Deutschland gestattet ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich der Absatz von glyphosathaltigen Herbiziden seit dem Jahr 2012

entwickelt, und inwieweit liegen bereits Erkenntnisse vor, ob sich die An-
wendungsbeschränkungen im Bereich der Sikkation auf die Einsatzmenge
ausgewirkt haben?

2. Aus welchen Gründen hat sich das Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) – im Gegensatz zum US-amerikanischen Äquivalent, der Environmen-
tal Protection Agency (EPA), die mit mehreren Teilnehmerinnen und Teil-
nehmern vertreten war – nicht an dem Treffen der Arbeitsgruppe der Inter-
nationalen Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) zur Ermittlung der
Kanzerogenität von Glyphosat vom 3. bis zum 10. März 2015 in Lyon be-
teiligt (vgl. Teilnehmerliste unter www.monographs.iarc.fr/ENG/Meetings/
vol112-participants.pdf), wo die Entscheidung zur Einstufung von Glyphosat
als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ getroffen wurde?

3. Falls keine direkte Einladung zu dieser Konferenz vorlag, warum hat kein
Mitarbeiter des BfR als Behördenvertreter beobachtend teilgenommen, wie
das vergleichbare Behörden (u. a. in den USA und Frankreich) getan haben,
und wäre das nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor dem Hinter-
grund der Rolle des BfR als zentrale Risikobewertungsinstitution des EU-Be-
richterstatters Deutschland angebracht gewesen, um den neuesten Stand der
Debatte zu kennen?

4. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es nicht zu den Kernaufgaben
des BfR zählt, sich an Verfahren wie dem des IARC zu beteiligen, obwohl
dabei die Kanzerogenität eines Wirkstoffs wissenschaftlich erörtert wird, für
den Deutschland auf EU-Ebene Berichterstatter ist?

5. Warum hat das BfR die Möglichkeit einer Teilnahme an der IARC-Working
Group als Behörde bzw. als Beobachter nicht genutzt, obwohl das BfR an
anderen WHO-Treffen, wie denen des JMPR (Joint FAO/WHO Meetings on
Pesticide Residues), teilnimmt?

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6. Wie erklärt die Bundesregierung das Verhalten des BfR, welches bereits
am 1. April 2015 seinen Bewertungsbericht (im Rahmen des Neuzulas-
sungsverfahrens) an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens-
mittelsicherheit (BVL) zur Weiterleitung an die EFSA übersandt hat
(www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-zuarbeit-im-eu-genehmigungsverfahren-
von-glyphosat-abgeschlossen.pdf), ohne die Veröffentlichung der genann-
ten ausstehenden Monographie der IARC abzuwarten (vgl. www.iarc.fr/en/
media-centre/iarcnews/pdf/MonographVolume112.pdf)?

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Verzicht auf eine Auswer-
tung der IARC-Monographie für den Bewertungsbericht im Rahmen des
EU-Wiederzulassungsverfahrens von Glyphosat vereinbar ist mit der Aus-
sage der Bundesregierung, die Bundesregierung nehme die IARC-Ein-
stufung sehr ernst (vgl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft, Dr. Maria Flachsbarth, in der Fragestunde des Deut-
schen Bundestages am 25. März 2015, Plenarprotokoll 18/96)?

8. Gab es vor der Weiterleitung des Berichts eine Absprache mit der Euro-
päischen Kommission, der EFSA und den anderen EU-Mitgliedstaaten über
das weitere Vorgehen, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

9. Welche Unternehmen, Organisationen oder Personen außerhalb des Kreises
der Angestellten, Beamtinnen oder Beamten des BfR, des BVL sowie des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hatten während der
Erstellung, d. h. vor der Konsultationsphase, Zugang zum vorläufigen Be-
wertungsbericht bzw. zu Auszügen oder Entwürfen davon?

10. Ist der vorläufige Bewertungsbericht, der in der öffentlichen Kosultations-
phase kommentiert wurde, weiterhin öffentlich zugänglich?
Wenn ja, wie und wo?

11. Sind die während der öffentlichen Konsultationsphase bei der EU-Risiko-
bewertungsbehörde EFSA eingereichten Kommentare zum vorläufigen Be-
wertungsbericht öffentlich zugänglich?
Wenn ja, wie und wo?
Wenn nein, warum nicht?

12. Ist der überarbeitete endgültige Bewertungsbericht des BfR, der Anfang
April 2015 an die EFSA versandt wurde, öffentlich zugänglich?
Wenn ja, wie und wo?
Wenn nein, warum nicht?
Ist eine Veröffentlichung geplant?

13. Wie lautet der genaue Titel der „großen Konferenz“ zu Glyphosat, die am
24. April 2015 unter Einbindung von „Wissenschaft, Politik, Industrie und
Nichtregierungsorganisationen“ in Brüssel stattgefunden haben soll, worauf
am 22. April 2015 im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft von-
seiten der Bundesregierung mehrfach verwiesen wurde?

14. Wer hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Durchführung der in
Frage 13 beschriebenen Konferenz wann beschlossen, wie sah die Tages-
ordnung aus, welche Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik,
Industrie und Nichtregierungsorganisationen waren mit welchen Personen
wie eingebunden, und in welcher Form und mit welchen Personen war das
BfR beteiligt?

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15. Ist das BfR der Auffassung, dass die Toxizität von Glyphosat mit der von
Kochsalz vergleichbar ist, wenn ja, teilt die Bundesregierung eine solche
Einschätzung, und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass solche Ver-
gleiche angesichts der IARC-Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich
krebserregend beim Menschen“ einen angemessenen wissenschaftlich se-
riösen Umgang mit der Frage nach gesundheitlichen Risiken dieses Wirk-
stoffs darstellen?

16. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer am 25. März 2015 durch die Staats-
sekretärin Dr. Maria Flachsbarth im Deutschen Bundestag vertretenen Ein-
schätzung, dass sich aus der Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich
krebserregend bei Menschen“ durch die IARC kein kurzfristiger Hand-
lungsbedarf ableiten lässt, und bezieht sich diese Haltung auch auf die Ab-
gabe von Glyphosat an Privatpersonen ohne Sachkundenachweis und das
nach wie vor erlaubte Glyphosatbehandlung von z. B. Backgetreide kurz
vor der Ernte (Sikkation), welches ein vermuteter Grund für die im Jahr
2012 von Öko-Test festgestellten Glyphosat-Rückstände in Brötchen war
(vgl. www.bit.ly/1JGM6bt und www.bit.ly/1zZBBjr)?

17. Teilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der IARC-Einstufung die
Auffassung des BfR, dass Rückstände von Glyphosat bzw. seiner Metabo-
liten im menschlichen Urin „gesundheitlich unbedenklich“ sind und „kei-
nen Grund zur Besorgnis“ darstellen (vgl. www.bit.ly/1LcX8WM)?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Argumentation des BfR, die über
Nahrungsmittel aufgenommenen Glyphosatmengen seien gesundheitlich
unbedenklich (www.bfr.de „Fragen und Antworten zur gesundheitlichen
Bewertung von Glyphosat“), vor dem Hintergrund des begründeten Ver-
dachts der Kanzerogenität und der Tatsache, dass bei erbgutschädigenden
und krebserregenden Substanzen auch sehr geringe Mengen gesundheitlich
schädlich sein können, da keine Schwellen- oder Grenzwerte festgelegt
werden können, deren Einhaltung ein Gesundheitsrisiko sicher ausschließen
würde?

19. Hält das BfR seine Empfehlung (im Bewertungsbericht im Rahmen des
Neuzulassungsverfahrens von Glyphosat), den ADI-Wert (d. h. die duld-
bare tägliche Aufnahmemenge) für Glyphosat von derzeit 0,3 mg/kg auf
0,5 mg/kg anzuheben (vgl. www.pan-germany.org/download/Glyphosat-
Broschuere_2014.pdf S. 39), trotz der IARC-Einstufung, aufrecht, und
wenn ja, schließt sich die Bundesregierung dieser Empfehlung an?

20. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass, entsprechend dem EU-
Vorsorgeprinzip bei wissenschaftlich ausreichend begründeten Hinweisen
auf eine Gefährdung von Umwelt oder Gesundheit, die Politik in der Ver-
antwortung ist, einzugreifen, und zwar unabhängig von einer endgültigen
wissenschaftlichen Klärung oder eines Beweises für diese Gefährdung?
Wenn nein, warum nicht?

21. Ist das BfR der Auffassung, dass es bei der Interpretation bzw. Anwendung
des EU-Vorsorgeprinzips auch um eine „ökonomische Vorsorge“ geht, d. h.
die wahrscheinlich krebserregende Wirkung von Glyphosat gegen die wirt-
schaftliche Bedeutung dieses Unkrautvernichtungsmittels für die Landwirt-
schaft abzuwägen ist, und wenn ja, inwieweit teilt die Bundesregierung
diese Auffassung?

22. Ist aus Sicht der Bundesregierung die Entscheidung, in welchen Fällen das
im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip anzuwenden ist, eine Frage, die
wissenschaftlich oder politisch zu entscheiden ist, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Antwort?

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23. Ist für die Bundesregierung angesichts der aktuellen divergierenden wissen-
schaftlichen Erkenntnisse bzw. Einschätzungen hochrangiger wissenschaft-
licher Institutionen bezüglich der Kanzerogenität von Glyphosat ein Fest-
halten am bisherigen Zeitplan des Wiederzulassungsverfahrens bzw. eine
baldige Verlängerung der Zulassung mit dem Vorsorgeprinzip vereinbar?
Inwieweit ist bereits absehbar, dass die Entscheidung über die Zulassungs-
erneuerung von Glyphosat auf das Jahr 2016, in welchem die IARC-Mono-
graphie vorliegen wird, vertagt wird?

24. Welche weiteren Voraussetzungen hinsichtlich der wissenschaftlichen Er-
kenntnislage zur Kanzerogenität von Glyphosat (über die vorliegende
IARC-Stellungnahme hinaus) müssten gegeben sein, damit die Bundes-
regierung eine Aussetzung der Zulassung glyphosathaltiger Herbizide in
Erwägung zieht?

25. Wird die Bundesregierung der Forderung des Bundesrates aus dem Jahr 2013
nachkommen, die rechtlichen Grundlagen für ein Verbot von glyphosat-
haltigen Herbiziden im Haus- und Kleingartenbereich zu schaffen und die
Sikkation bis auf klar abgegrenzte Ausnahmen grundsätzlich zu verbieten,
wie es in den Niederlanden (für den Haus- und Kleingartenbereich, vgl.
www.bit.ly/1bOQlG4) bzw. in Österreich (im Bereich Sikkation, vgl.
www.bit.ly/1KIoIKC) der Fall ist?
Wenn nein, warum nicht?

26. Plant die Bundesregierung eine Initiative zur Ausweitung des Humanmoni-
torings auf Glyphosat, zum Beispiel im Urin und in der Muttermilch, um die
Belastung der Bevölkerung überhaupt quantifizieren zu können, und wird
sie sich in Zukunft dafür einsetzen, auch tierische Lebensmittel auf Glypho-
satrückstände zu überprüfen?

27. Welche konkreten Strategien und Maßnahmen verfolgt die Bundesregie-
rung, um die Belastung von Nahrungsmitteln mit Glyphosat deutlich zu ver-
ringern?

28. Warum hat der Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung und
Landwirtschaft, Peter Bleser, in der Fragestunde vom 22. April 2015 im
Sinne der Fragestellung auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner
(„[…] ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Verlängerung der
Zulassung von Glyphosat erteilt werden soll – ja oder nein?“) nicht ein-
deutig mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet, und ist die Bundesregierung jetzt
bereit, auf diese Frage entsprechend eindeutig zu antworten?
Gibt es Unstimmigkeiten in den Ressorts zu dieser Frage, und wenn ja,
wann soll eine Einigung erzielt werden?

29. Welche formellen und informellen Kontakte gab es seit dem Jahr 2009 zu
Glyphosat zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BfR sowie Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern der EPA, welche für die ebenfalls im Jahr
2015 in den USA anstehende Zulassungserneuerung zuständig ist, und in
welcher Weise war die hier wie dort anstehende Zulassungserneuerung
Thema im Rahmen der Verhandlungsrunden zum geplanten Freihandels-
abkommen zwischen der EU und den USA (TTIP), bei zugehörigen
„technischen Treffen“ oder im Rahmen anderer bilateraler Kontakte zwi-
schen der EU und den USA bzw. zwischen Deutschland und den USA seit
dem Jahr 2009?

Drucksache 18/5027 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
30. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um das (Miss-)Verhältnis von
unveröffentlichten, von der Industrie beauftragten Studien zu veröffent-
lichten, begutachteten (peer review) Risikobewertungsstudien im Bereich
Pestizide und gentechnisch veränderte Organismen, welches sich laut der
Antwort auf die Kleine Anfrage (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14291
„Neue Hinweise auf mögliche gesundheitliche Risiken durch den Herbizid-
Wirkstoff Glyphosat und durch glyphosathaltige Herbizide“, Antwort zu
Frage 14 bzw. Anlage 1a) beispielsweise bei Langzeitfütterungsstudien zu
Glyphosat auf ca. 25:1 (letztere nur Studie von Seralini et al., 2012) beläuft,
zu beheben?

31. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele der (seit
der letzten Risikobewertung von Glyphosat vor zehn Jahren) neu
erstellten und im aktuellen Bewertungsbericht des BfR berücksichtigten
über 150 toxikologischen Originalstudien nach OECD/GLP-Standard (vgl.
www.bfr.bund.de/cm/343/eu-wirkstoffpruefung-zu-glyphosat-stand-der-
dinge-und-ausblick.pdf) zu Glyphosat einem wissenschaftlichen „peer
review“ unterworfen und in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden?

32. Kann die Bundesregierung den Sachverhalt bestätigen, dass die elf vom
BfR als valide eingestuften Langzeitstudien an Ratten und Mäusen bezüg-
lich der Kanzerogenität von Glyphosat (vgl. www.bfr.bund.de/cm/343/loest-
glyphosat-krebs-aus.pdf) nicht veröffentlicht wurden, und dass das IARC
grundsätzlich nur Studien berücksichtigt, die veröffentlicht und von dritter
wissenschaftlicher Seite (peer review) auf wissenschaftliche Korrektheit
und Plausibilität überprüft wurden?

33. Welche Studien wurden vom BfR zur Bewertung der Kanzerogenität von
Glyphosat herangezogen (bitte mit Autoren, Titel, Jahr und ggf. Ort der Ver-
öffentlichung auflisten)?
Welches Verhältnis von unveröffentlichten zu veröffentlichten, begutachte-
ten Studien ergibt sich hier?

34. Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung auf der Ebene des BfR
oder der EFSA erwogen, eine Teilveröffentlichung der Industriestudien und
deren Bewertung durch die Behörden, wie sie derzeit von der vergleichba-
ren US-Behörde EPA bereits praktiziert wird, einzuführen?

35. Wird die Bundesregierung künftig die Zulassung glyphosattoleranter gen-
technisch veränderter Pflanzen wie der Maislinie GA21, die von der EFSA
trotz des mit dem Anbau einhergehenden intensiven Glyphosat-Einsatzes
bereits eine positive Risikobewertung erhalten hat (vgl. www.efsa.europa.
eu/en/efsajournal/doc/2480.pdf), auf der Ebene der EU klar ablehnen und
diese Sicht auch für die anderen EU-Mitgliedstaaten nachvollziehbar im Rat
und dessen untergeordneten Gremien vertreten?
Inwieweit liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor, ob auf EU-Ebene
eine Überprüfung der genannten EFSA-Bewertung für GA21 erwogen
wird?

36. Was will die Bundesregierung unternehmen, um das mögliche Gesundheits-
risiko durch das Einatmen von Glyphosat weiter zu quantifizieren bzw. un-
tersuchen und ggf. die Schutzmaßnahmen für Landwirte zu verbessern,
auch in Bezug auf z. B. glyphosathaltige Stäube, die beim Aufschütteln von
sikkiertem Stroh entstehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5027
37. Inwieweit war die IARC-Einstufung von Glyphosat bzw. der Stand des Wie-
derzulassungsverfahrens Thema im Rahmen von Gremiensitzungen auf
EU-Ebene (mit Vertretung Deutschlands) im Jahr 2015, und was wurde in
diesen Sitzungen zum Thema Glyphosat zwischen den anwesenden Vertre-
tern der Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und ggf. weiterer
Institutionen besprochen?

38. Teilt die Bundesregierung bzw. das BfR die Aussage von Monsanto, dass
Glyphosat ausschließlich bei Pflanzen wirksam sei (vgl. www.bit.ly/
1B1eno5), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
zunehmenden wissenschaftlichen Hinweisen, dass Glyphosat durch seine
schädigende Wirkung auf wertvolle Mikroorganismen im Körper negative
Effekte auf die Gesundheit von Mensch sowie Tieren haben kann, die auf
die Symbiose mit solchen Mikroorganismen angewiesen sind (vgl.
www.bit.ly/1HhXUjV, S. 5)?

39. Inwieweit waren die BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre
Rückstände oder andere BfR-Kommissionen in die Neubewertung von Gly-
phosat eingebunden, und wie haben sich die Mitglieder zum Bewertungs-
bericht im Allgemeinen und zur Einstufung als „wahrscheinlich krebs-
erregend“ im Besonderen geäußert?
Gibt es eine schriftliche Stellungnahme?

40. Nach welchen methodischen und wissenschaftlichen Ansätzen bewertet das
BfR die Toxizität bzw. Kanzerogenität von Mehrfachrückständen?

41. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer Studie
(vgl. www.bit.ly/1Hnot7n und www.bit.ly/1GjspYb), wonach Glyphosat
eine östrogenähnliche Wirkung hat und die Entwicklung von Brustkrebs-
zellen stimuliert?

42. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer aktuellen
Studie der Universität Cordoba (Argentinien), wonach ein Zusammenhang
zwischen einer hohen Dichte an Lagersilos (für Getreide und Soja) sowie
Pestizidlagern (auch für Glyphosat) einerseits und einer extrem erhöhten
Krebsrate andererseits besteht (vgl. www.gmwatch.org/index.php/news/
archive/2015-articles/16093-argentina-cancer-increased-fivefold-in-town-
near-gm-soy-and-maize-fields-study), und über welche Kenntnisse verfügt
die Bundesregierung zu Forschungsaktivitäten, die diese Zusammenhänge
und insbesondere die mögliche Rolle von Glyphosat bei der Krebshäufung
in den Sojaanbaugebieten Südamerikas genauer untersuchen?

43. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer aktuellen
Studie (vgl. www.mbio.asm.org/content/6/2/e00009-15.abstract), wonach
glyphosathaltige Herbizide die Wirkkraft von Antibiotika senken können
und in einigen Fällen die Entstehung multiresistenter Keime begünstigen?

44. Welche rechtlichen Schritte und Rechtswege stünden Pflanzenschutzmittel-
herstellern aktuell offen, gegen eine mögliche Aussetzung der Zulassung
glyphosathaltiger Mittel vorzugehen?

45. Welche rechtlichen Schritte und Rechtswege stünden Pflanzenschutzmit-
telherstellern im Falle einer Unterzeichnung des Freihandelsabkommens
zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) offen, gegen eine
Aussetzung bzw. Nichtverlängerung der Zulassung von Glyphosat vorzu-
gehen?

Drucksache 18/5027 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
46. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung zu möglichen Folgen von
Investitionsschutzabkommen im Rahmen von CETA oder TTIP im Hinblick
auf die bestehenden Regulierungs- und Bewertungskompetenzen von EU-
Mitgliedstaaten im Bereich der Pflanzenschutzmittel vor dem Hintergrund
einer Investitionsschutzklage des Pestizidherstellers DOW Agro Sciences
gegen die kanadische Provinz Québec, bei der zwar im Rahmen einer Eini-
gung die Klage zurückgezogen wurde, gleichzeitig sich die Regierung Qué-
becs aber verpflichten musste, ihre vorher erhobene Aussage, der Herbi-
zidwirkstoff 2,4-D stelle ein „inakzeptables Risiko für die menschliche
Gesundheit“ dar, nicht zu wiederholen (vgl. www.mddelcc.gouv.qc.ca/
pesticides/ententeDAS-en.htm)?

47. Wie bewertet die Bundesregierung die Verunreinigungsrisiken von Glypho-
sat für das Grundwasser sowie die Folgen für die Trinkwasseraufbereitung
vor dem Hintergrund, dass in Katalonien (Spanien) bei 140 Grundwasser-
proben 41 Prozent mit Glyphosat belastet waren (vgl. www.ncbi.nlm.nih.
gov/pubmed/22101424), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung hinsichtlich der Einschätzung der Abbaubarkeit von Glyphosat
und seiner Metaboliten in der Umwelt?

48. Wird die Bundesregierung das Vorgehen Niedersachsens, bei der Schu-
lung von Landwirten nur noch Referenten, die unabhängig von Pflanzen-
schutzmittelherstellern sind, einzusetzen (vgl. www.noz.de/deutschland-
welt/niedersachsen/artikel/570571/land-drangt-auf-verbot-von-
pflanzenschutzmittel-glyphosat), zum Vorbild für eine entsprechende Ini-
tiative im Rahmen der Weiterentwicklung des sogenannten Nationalen
Aktionsplans Pflanzenschutz nehmen?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 21. Mai 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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