BT-Drucksache 18/4934

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Gipfel Östliche Partnerschaft am 21./22. Mai 2015 in Riga, zum G7-Gipfel am 7./8. Juni 2015 in Elmau und zum EU-CELAC-Gipfel am 10./11. Juni 2015 in Brüssel

Vom 19. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4934
18. Wahlperiode 19.05.2015
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Sevim Da delen, Dr. Dieter Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel,
Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
zum Gipfel Östliche Partnerschaft am 21./22. Mai 2015
in Riga, zum G7-Gipfel am 7./8. Juni 2015 in Elmau
und zum EU-CELAC-Gipfel am 10./11. Juni 2015 in Brüssel

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft (ÖP) im November 2013 in Vilnius
hat den Beginn einer neuen Konfrontation in Europa markiert, wie es sie seit Ende
des Kalten Krieges nicht gegeben hat. Infolge der Nicht-Unterzeichnung des As-
soziierungsabkommens mit der EU durch die damalige ukrainische Regierung hat
sich eine tiefgreifende Krise entwickelt, nachdem schon zuvor krisenhafte Pro-
zesse in und um Südossetien, Abchasien und Moldawien die ÖP in Frage gestellt
hatten. Eine Bestandaufnahme der Entwicklung und des gegenwärtigen Standes
der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union (EU) ist von daher überfällig
und muss auf dem Gipfel in Riga selbstkritisch in Angriff genommen werden.

2. Grundsätzlich ist zu hinterfragen, inwiefern es sich bei der Östlichen Partner-
schaft, wie auch im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, um eine
wirklich gleichberechtigte Partnerschaft handelt. Die Staaten, die nicht der EU
angehören, können entgegen demokratischen Grundsätzen nur in engen Grenzen
an den zu treffenden Entscheidungen teilhaben. Das gilt insbesondere im Hin-
blick auf die durchgängig neoliberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik der
Partnerländer bei fehlendem Auf- und Ausbau sozialstaatlicher Standards.

3. Der Bundestag kritisiert, dass die Östliche Partnerschaft gegenwärtig von der EU
und ihren Mitgliedstaaten sowie mittelbar von der NATO und der Regierung der
USA dazu genutzt wird, die politische Konfrontation gegenüber Russland mit der
Verhängung von Wirtschaftsboykott, mit der Androhung von Sanktionen und mit
Militärmanövern in der Nähe russischen Staatsgebiets zu verschärfen.

4. Auch erscheint es höchst problematisch, dass die Östliche Partnerschaft dazu ge-
nutzt werden soll, weitere osteuropäische Staaten in die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) sowie die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik (GSVP) der EU einzubeziehen und im Ergebnis den Beitritt zur
NATO vorzubereiten.

Drucksache 18/4934 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Eine wirkliche Partnerschaft der EU mit den Staaten Osteuropas muss auch Russ-

land als gleichberechtigten Partner einschließen. Dabei geht es darum, zwischen
der EU und ihren bisherigen Partnerstaaten auf der einen und Russland auf der
anderen Seite Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der fried-
lichen Kooperation und einer Politik der nachbarschaftlichen Verständigung zu
schaffen.

6. Aktuell zeichnen sich die Mängel der gegenwärtigen Politik der EU vor allem in
den Auseinandersetzungen um die Einbeziehung der Ukraine in ein Assoziie-
rungsabkommen mit der EU ab. Das Land wurde strikt vor die Alternative ge-
stellt, entweder ein solches Abkommen mit der EU abzuschließen oder engere
Beziehungen zu der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft aufzubauen. Das Er-
gebnis sind bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, die drohende Spaltung
der Ukraine und eine schwere Wirtschaftskrise des Landes.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich im Rahmen der Europäischen Union für die Durchsetzung folgender Ziele einzu-
setzen:
1. Eine militärische Lösung der schweren Krise in der Ukraine kann und darf es

nicht geben. Die EU muss sich für Frieden, Demokratie, Sozialstaatlichkeit und
für die Entmachtung der Oligarchen einsetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass das
Abkommen Minsk II umgesetzt wird. Eine Verfassungsreform sollte von der EU
in Abstimmung mit Russland begleitet werden, um die Neutralität der Ukraine,
die Entwaffnung nationalistischer sogenannter Freiwilligenbataillone, das Verbot
neofaschistischer Organisationen und Propaganda sowie die Stärkung föderativer
Staatselemente zu befördern. Perspektivisches Ziel ist ein gemeinsamer humani-
tärer und wirtschaftlicher Raum vom Atlantik bis zum Pazifik auf der Grundlage
der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts und der Prinzipien der OSZE.

2. Die Östliche Partnerschaft darf nicht länger einer Konfrontationspolitik gegen-
über Russland und einer einseitig neoliberalen Ausrichtung der Partnerstaaten der
EU dienen. Auch die russische Regierung muss den Weg der Konfrontation be-
enden. Der Beitritt von nicht der EU angehörenden Staaten zur Östlichen Part-
nerschaft darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass engere wirt-
schafts- und außenpolitische Beziehungen zu anderen Ländern ausgeschlossen
werden und die Länder zu einer Entweder-oder-Entscheidung gedrängt werden.

3. Für die eingefrorenen Konflikte in dieser Region sollten verstärkt im Rahmen der
OSZE weiter auf dem Verhandlungswege schrittweise Lösungen gesucht werden.
Diese Konflikte sind vor allen Dingen aus einer „West-Ost-Betrachtung“ heraus-
zulösen. Für die Lösung der Konflikte in Moldawien (Transnistrien), Armenien
und Aserbaidschan (Berg-Karabach), Georgien (Südossetien und Abchasien) ist
die „Östliche Partnerschaft“ mit Moldawien und Georgien bisher nicht dienlich
gewesen, im Gegenteil.

4. Im Rahmen der EU und darüber hinaus sind auf der Grundlage einer weiterent-
wickelten „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)“
ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands und längerfristig
die Überwindung von NATO und GSVP anzustreben. Die Schlussakte von Hel-
sinki 1975 und die 1990 abgeschlossene Charta von Paris bieten dafür wichtige
Ausgangspunkte. In diesem Sinne muss Deutschland, das 2016 den Vorsitz dieser
Organisation übernimmt, im Rahmen einer neuen Entspannungs- und Friedens-
politik vorrangig zur Stärkung der OSZE beitragen.

Berlin, den 19. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4934

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