BT-Drucksache 18/4788

Umsetzung des zweiten Abkommens von Minsk

Vom 28. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4788
18. Wahlperiode 28.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Andrej Hunko, Niema
Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung des zweiten Abkommens von Minsk

Gemeinsam mit der französischen Regierung initiierte die Bundesregierung die
Verhandlungen, die am 12. Februar 2015 zum zweiten Abkommen von Minsk
(Minsk II) führten. Als maßgebliche Verhandlungspartnerin kann und muss die
Bundesregierung eine aktive Rolle auch bei der Absicherung der Umsetzung des
Abkommens übernehmen. Das Minsk-II-Abkommen umfasst neben militäri-
schen Regelungen hinsichtlich der Umsetzung des Waffenstillstands auch eine
Reihe politischer, sozialer, wirtschaftlicher und humanitärer Vereinbarungen,
die auf die Wiederherstellung der Versorgung der Bevölkerung und die staat-
liche Reintegration der abtrünnigen Gebiete im Osten der Ukraine zielen.
Vereinbart wurde die Wiederaufnahme der eingestellten Versorgungs- und
Sozialleistungen durch die Regierung in Kiew sowie die Aufhebung der Wirt-
schaftsblockade, eine Amnestie für die Aufständischen, Regelungen für den
Gefangenenaustausch, die regionale Selbstverwaltung, zur Vorbereitung lokaler
Wahlen in den abtrünnigen Gebieten und zur Vorbereitung einer Verfassungs-
reform mit dem Ziel, das politisch-administrative System der Ukraine zu dezen-
tralisieren. Die ukrainische Regierung hat sich verpflichtet, sämtliche Maßnah-
men im Dialog mit den Aufständischen zu organisieren; im Gegenzug wurde
von den Aufständischen die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität über
die aufständischen Gebiete in Aussicht gestellt.
Medienberichte über die Verabschiedung eines Gesetzes zum Sonderstatus des
Donbass in der Rada lassen befürchten, dass das Abkommen Minsk II endgültig
scheitern könnte („Minsk 2“ wackelt. Ukrainer erzürnen Russen und Rebellen
mit einseitiger Auslegung der Vereinbarungen, Frankfurter Rundschau vom
20. März 2015). In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich die Häupter der
aufständischen Republiken Donezk und Lugansk, Alexander Sachartschenko
und Igor Plotnizki, dagegen, dass das Gesetz nicht für alle Gebiete unter ihrer
Kontrolle gelten solle, dass in dem Gesetz internationale Friedenstruppen in den
Donbass eingeladen würden, ohne dass dies Gegenstand von Minsk II gewesen
sei. Sie weisen zurück, dass die Oblaste Donezk und Lugansk erst nach der
Durchführung von Lokalwahlen einen Sonderstatus erhalten sollen, die die Re-
gierung in Kiew wiederum erst nach dem Abzug der „ungesetzlichen Militärver-
bände“ durchführen wolle. Juri Luzenko, Fraktionsvorsitzender des regierenden
Blocks Petro Poroschenko wird mit folgender Aussage zitiert: „Wir beschließen
ein Gesetz, das Lokalwahlen erst zulässt, wenn Armee und Staat die ukrainische
Flagge, ukrainische Parteien und das ukrainische Gesetz dorthin gebracht
haben.“ Diese Äußerung bedeutet de facto die Beendigung der Umsetzung von
Minsk II und mithin dessen Aufkündigung.

Drucksache 18/4788 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Nach Meinung der Fragesteller sollte die Bundesregierung alle Möglichkeiten
ausschöpfen, um den Friedensprozess, den sie selbst mit angestoßen hat, in
Gang zu halten. Dazu gehört, ihren Einfluss auf die ukrainische Regierung und
die Häupter der abtrünnigen Oblaste gleichermaßen geltend zu machen, dass
Minsk II weiter umgesetzt wird.
Vor diesem Hintergrund bitten wir die Bundesregierung um die Beantwortung
der folgenden Fragen hinsichtlich der Umsetzung von Minsk II.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand der Umsetzung

des Waffenstillstands?
2. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand des Abzugs

schwerer Waffen durch beide Konfliktparteien?
3. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die ballistischen Raketen von

der ukrainischen Regierung abgezogen?
4. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass das genannte Ge-

setz in der Rada, anders als im Abkommen Minsk II vorgesehen, ohne Kon-
sultationen mit den Vertretern der Aufständischen in Donezk und Lugansk
erarbeitet und verabschiedet wurde?
Wenn ja, was hat die Bundesregierung unternommen, um diesem Verstoß
gegen das Abkommen entgegenzuwirken?

5. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass das genannte Ge-
setz Kommunalwahlen in den aufständischen Gebieten erst zulässt, wenn
diese nach ukrainischem Recht durchgeführt werden können?

6. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass nach dem ge-
nannten Gesetz ein auf drei Jahre begrenzter Sonderstatus und die begrenzte
Selbstverwaltung der aufständischen Gebiete erst nach der Durchführung
von Kommunalwahlen nach ukrainischem Recht gewährt wird?
Wenn ja, erkennt die Bundesregierung darin einen schwerwiegenden Ver-
stoß gegen Minsk II, der den Friedensprozess in Frage stellt, und was be-
absichtigt sie, dagegen zu unternehmen?

7. Sind Berichte zutreffend, wonach der ukrainische Außenminister Pawlo
Klimkin, die Einbeziehung der Oberhäupter der abtrünnigen Gebiete
Donezk und Lugansk in ein Amnestiegesetz ablehnt?
Wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, um auf die Umsetzung der
Regelung von Minsk II für eine Amnestie für alle Aufständischen hinzuwir-
ken?

8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand der Umsetzung
der Verpflichtung zum Austausch aller Gefangenen?

9. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Zugänglichkeit der auf-
ständischen Gebiete für humanitäre Hilfslieferungen jeweils über die inner-
ukrainische sowie über die russische Grenze?

10. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Wiederaufnahme der
unterbrochenen Gehaltszahlungen, Rentenzahlungen und sonstigen Ver-
sorgungs- und Sozialleistungen in die aufständischen Gebiete durch die
ukrainische Regierung?

11. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Umsetzung der Aufhe-
bung der Wirtschaftsblockade gegen die aufständischen Gebiete, zu der sich
die ukrainische Regierung in Minsk II verpflichtet hat?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4788
12. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Wiederherstellung
des Bankensystems in den aufständischen Gebieten, können Überweisun-
gen dorthin wieder vorgenommen werden?

13. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Vorbereitung der
für Ende des Jahres 2015 vorgesehenen Verfassungsreform?
Hat es dazu nach Kenntnis der Bundesregierung Konsultationsgespräche
der ukrainischen Regierung mit Vertretern der aufständischen Gebiete gege-
ben?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Erfolgsaussichten, dass die ukraini-
sche Zentralregierung nach Durchführung von Kommunalwahlen wieder
die vollständige Kontrolle über die Staatsgrenze erhalten kann, unter Be-
rücksichtigung der Bedingungen, die für die Durchführung der Kommunal-
wahlen (vgl. Frage 5) gesetzlich festgelegt wurden?

15. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Umsetzung des
Abzugs aller ausländischen bewaffneten Einheiten und Söldner sowie ihrer
Ausrüstung?

16. Bewertet die Bundesregierung die einseitige Einladung von internationalen
Friedenstruppen in den Donbass in dem genannten Gesetz als Verstoß gegen
die Vereinbarung, alle ausländischen Einheiten abzuziehen?

17. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Entwaffnung ille-
galer Gruppierungen auf beiden Seiten des Konflikts?

18. Wie viele Militärberater und Ausbilder aus anderen Staaten halten sich nach
Kenntnis der Bundesregierung in der Ukraine und in den aufständischen
Gebieten auf?
Wie viele davon stammen aus NATO-Mitgliedstaaten, und wie viele davon
aus Deutschland?

19. Wie viele Freiwillige und wie viel Personal internationaler privater Militär-
firmen halten sich nach Kenntnis der Bundesregierung in der Ukraine und
in den aufständischen Gebieten auf?
Sind darunter auch Personen aus NATO-Staaten und aus Deutschland?
Wenn ja, wie viele?

Berlin, den 28. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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