BT-Drucksache 18/475

Anwerbung von Vertrauenspersonen in Gefängnissen

Vom 11. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/475
18. Wahlperiode 11.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Petra Pau, Ulla Jelpke, Kersten Steinke,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Anwerbung von Vertrauenspersonen in Gefängnissen

Der Fall der Vertrauensperson (VP) des Landeskriminalamtes (LKA) Berlin,
N. G. (vgl. Berliner Zeitung vom 27. Januar 2014) zeigt einmal mehr, dass das
VP-Wesen der deutschen Sicherheitsbehörden im Bereich Rechtsextremismus
zahlreiche Fragen aufwirft. Zum wiederholten Mal handelt es sich um eine Per-
son, die als verurteilter Rechtsextremist im Gefängnis angeworben wurde. Eine
Reihe von VPs aus dem rechtsextremen Bereich wurden von deutschen Behör-
den direkt in Gefängnissen als VPs geworben, teilweise handelt es sich dabei um
Personen, die wegen schwerer Kriminalität verurteilt waren. Im Rahmen des
NSU-Untersuchungsausschusses wurden Details der staatlichen Betreuung sol-
cher VPs bekannt, die, wie im Fall des Brandenburger V-Manns Piatto, unfass-
bare Zustände ans Tageslicht brachten.
Nach offizieller Darstellung wurde dem Problem der Auswahl und Führung in
der behördeninternen Auswertung des NSU-Debakels ein besonderes Augen-
merk gewidmet. In einem Sachstandsbericht des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz von Mai/Juni 2013 wurde dazu die Einrichtung einer zentralen V-Leute-
Datei noch für das Jahr 2013 in Aussicht gestellt, wenn auch in einer Minimal-
lösung, da die Länder auf eine Datei ohne Klarnamen bestanden haben. Die
Datei soll dennoch nach dem Willen der Initiatoren erstmals an zentraler Stelle
einen Gesamtüberblick über die eingesetzten V-Leute ermöglichen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wurden oder werden von Sicherheitsbehörden des Bundes gezielt Gefängnis-

insassen angesprochen, um als VPs im Bereich Rechtsextremismus gewor-
ben zu werden?
Wie viele Ansprachen von potenziellen VPs im Bereich Rechtsextremismus
durch Sicherheitsbehörden des Bundes gab es seit dem Verbot der Hilfsorga-
nisation für nationale Gefangene im Jahr 2011 (bitte nach Sicherheitsbehör-
den aufschlüsseln)?

2. Nach welchen Kriterien erfolgt bzw. erfolgte eine Auswahl der anzuspre-
chenden potenziellen VPs im Bereich Rechtsextremismus in Gefängnissen?

3. Welche Rolle spielte in der Vergangenheit das für die Gefängnisstrafe zu-
grunde liegende Delikt einer potenziellen VP im Bereich Rechtsextremismus,
hat es hier im Laufe der Zeit Veränderungen gegeben, und wenn ja, welche?

4. Wie erfolgt bzw. erfolgte der Zugang der Sicherheitsbehörden in die Gefäng-
nisse und zu den potenziellen VPs, und auf welche Art und Weise werden die
Gefängnisleitungen über den jeweiligen Zugang regelmäßig informiert?

Drucksache 18/475 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Gibt es Absprachen der Sicherheitsbehörden mit den Justizbehörden, wenn
VPs im Gefängnis geworben werden sollen, und wenn ja, welcher Art sind
diese Absprachen?

5. Gibt es, im Falle einer Zusammenarbeit, vonseiten der Sicherheitsbehörden
gegenüber potenziellen VPs im Bereich Rechtsextremismus Hinweise auf
mögliche Hafterleichterungen, und wenn ja, welche Art von Hafterleichte-
rungen werden in Aussicht gestellt?

6. Wurden im Gefängnis angeworbene VPs im Bereich Rechtsextremismus
auch zur Informationsbeschaffung über rechtsextreme Bestrebungen im Ge-
fängnis bzw. über einzelne Mitgefangene eingesetzt?

7. Gibt es Absprachen zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und der
Länder bezüglich der Werbung von VPs im Bereich Rechtsextremismus in
Gefängnissen, und wie sehen diese Absprachen gegebenenfalls aus?

8. Hat es im Rahmen der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren
der Länder (IMK), des Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechtsextremismus/
Rechtsterrorismus (GAR) bzw. des Gemeinsamen Extremismus- und Ter-
rorismusabwehrzentrums (GETZ) eine Auswertung bisheriger Anwerbungen
von VPs im Bereich Rechtsextremismus, die in Gefängnissen angeworben
wurden, gegeben, und welche Ergebnisse liegen hierzu vor?

9. Inwiefern waren in der bisher geltenden „Dienstvereinbarung Beschaffung
des BfV“ (BfV = Bundesamt für Verfassungsschutz) die besonderen Bedin-
gungen einer Werbung und Führung in Haftanstalten berücksichtigt, und
inwiefern sind diese in dem neuen, mit den Ländern vereinbarten Leitfaden
zu gemeinsamen Standards zur Auswahl, Führung und Einsatz von V-Leuten
aufgenommen (bitte den neuen Leitfaden als Anhang beilegen)?

Berlin, den 10. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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