BT-Drucksache 18/468

Fonds Heimerziehung in der DDR

Vom 10. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/468
18. Wahlperiode 10.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Diana Golze, Sigrid Hupach, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Fonds Heimerziehung in der DDR

Am 17. Februar 2009 konstituierte sich der Runde Tisch „Heimerziehung in den
50er und 60er Jahren“, nachdem der Petitionsausschuss des Deutschen Bundes-
tages die Notwendigkeit einer Aufarbeitung und Debatte verdeutlicht hatte. Der
Runde Tisch sollte sich mit der Aufarbeitung der Heimerziehung unter den
damaligen rechtlichen, pädagogischen und sozialen Bedingungen beschäftigen
sowie Hinweise auf an Heimkindern verübtes Unrecht prüfen.
Mit Abschluss des Runden Tisches wurde am 26. März 2012 der Bericht „Auf-
arbeitung der Heimerziehung in der DDR“ vorgelegt. Der Fonds „Heimerzie-
hung in der DDR“ wurde zum 1. Juli 2012 eingerichtet. Er umfasst ein Vermö-
gen von 40 Mio. Euro, das jährlich in vier Teilbeträgen von den Errichtern des
Fonds eingezahlt wird.
Laut der Vorsitzenden des Runden Tisches, Dr. Antje Vollmer, wurden 30 000 Be-
troffene für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ erwartet (Protokoll 17/42).
Der Fonds soll den Betroffenen mit seinem niedrigschwelligen Angebot schnell
und unbürokratisch finanzielle Hilfen gewähren sowie verminderte Renten-
ansprüche durch Ausgleichzahlungen beseitigen. Von diesen Mitteln werden
10 Prozent für die Verwaltungskosten des Fonds genutzt, so dass das Vermögen,
das ausgezahlt wird, nur noch 36 Mio. Euro umfasst. Bereits in den ersten neun
Monaten wurden über 1 400 Vereinbarungen zwischen Fonds und ehemaligen
Heimkindern abgeschlossen. Und der Bedarf an Beratung ist weiterhin so groß,
dass in den Anlauf- und Beratungsstellen wegen der geringen personellen Aus-
stattung bereits seit Mai 2013 nur noch Termine für Mitte 2014 vergeben werden
konnten (Bundestagsdrucksache 17/13671).
Im August 2013 wurde seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend angekündigt, dass aufgrund der hohen Anmeldezahlen der
Lenkungsausschuss über die Einzahlungsintervalle diskutieren wird (Bundes-
tagsdrucksache 17/14577, zu Frage 60). Durch das Bundesamt für Familie und
zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) wurden bereits mehr Mittel bewilligt
als vorhanden sind, inzwischen wurde ein Auszahlungsstopp verhängt. Seit Ok-
tober 2013 ist der Fonds „Heimerziehung in der DDR“ illiquide. Die Bundes-
regierung hatte veranlasst, dass Ende 2013 noch 6,05 Mio. Euro als überplan-
mäßige Ausgabe bewilligt wurden (Bundestagsdrucksache 18/133), auch die
Bundesländer sollen bereits ihre ersten Teilzahlungen aus dem Jahr 2014 zur
Verfügung stellen. Es besteht die Gefahr, dass die finanziellen Mittel nicht aus-
reichen, um allen Betroffenen, die das Angebot des Fonds wahrnehmen wollen,
die ihnen zustehende Hilfe zukommen zu lassen. Wie die Nachrichtenagentur
dpa am 28. Januar 2014 meldete, benötigt der Fonds voraussichtlich 200 Mio.
Euro mehr als bislang vorgesehen.

Drucksache 18/468 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie entwickelt sich der Mittelzufluss und der Mittelabfluss im Fonds

„Heimerziehung in der DDR“ seit Einrichtung des Fonds (bitte quartals-
weise und nach Bundesländern aufschlüsseln)?

2. Wie wurden die Mittel aus den Sachleistungen in den Bereichen Konsum-
güter, Verbesserung der Wohnsituation, medizinische Unterstützung, För-
derung der individuellen Mobilität und sonstige Leistungen genutzt?
Wie ist die prozentuale Verteilung auf die genannten Bereiche?

3. Wie hoch sind die kalkulierten und die zu erwartenden Verwaltungskosten
für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ insgesamt, und in welchem
Verhältnis stehen diese zu den Fondsmitteln?

4. Wie hoch sind voraussichtlich die Kosten für die Anlauf- und Beratungs-
stellen für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ insgesamt (bitte nach
Personal- und Sachkosten aufschlüsseln), und in welchem Verhältnis stehen
diese Kosten zu den Fondsmitteln?

5. Wie viele Beraterinnen und Berater gibt es in den Anlauf- und Beratungs-
stellen, wie viele Personen wurden in den Anlauf- und Beratungsstellen be-
raten, und wie viele Erst- und Folgeberatungen gab es?
a) Wie viele Vollzeit- und Teilzeitstellen gibt es in den Anlauf- und Bera-

tungsstellen (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?
b) Werden die Mitarbeiter in den Anlauf- und Beratungsstellen speziell für

ihre Aufgaben geschult, bzw. erhalten sie eine Supervision?
6. Arbeiten ehrenamtliche Mitarbeiter in den Anlauf- und Beratungsstellen?

Erhalten die ehrenamtlichen Mitarbeiter eine Aufwandsentschädigung, und
wenn ja, aus welchen Mitteln werden diese Aufwandsentschädigungen ge-
zahlt?

7. Wie viele Vereinbarungen zwischen dem ehemaligen Heimkind, der An-
lauf- und Beratungsstelle und dem BAFzA zur Gewährung von finanziellen
Hilfen und Ausgleichszahlungen bei verminderten Rentenansprüchen wur-
den seit der Einrichtung des Fonds „Heimerziehung in der DDR“ ab-
geschlossen, wie viele Vereinbarungen wurden abgelehnt, und wie viele
Verfahren für die Erstellung einer Vereinbarung wurden abgebrochen (bitte
nach Bundesländern aufschlüsseln)?

8. Aus welchen Gründen wurden Vereinbarungen durch das BAFzA nicht be-
stätigt?

9. Wie viele Verfahren für die Erstellung einer Vereinbarung wurden abgebro-
chen (bitte nach Abbruch durch die Antragstellerinnen und Antragsteller
und Abbruch durch die Anlauf- und Beratungsstellen aufschlüsseln)?

10. Aus welchen Gründen wurden Verfahren für die Erstellung einer Verein-
barung durch die Betroffenen oder die Anlauf- und Beratungsstellen abge-
brochen?

11. Mit wie vielen Vereinbarungen insgesamt rechnet die Bundesregierung bis
zum 30. Juni 2016?

12. Wie lang ist die durchschnittliche Wartezeit in den Anlauf- und Beratungs-
stellen für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ derzeit für einen ersten
Beratungstermin (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/468
13. Wie lange dauert durchschnittlich eine Plausibilitätsprüfung einer Verein-
barung durch das BAFzA?

14. Wie lange dauert die Auszahlung von Leistungen für ehemalige Heimkin-
der, nachdem die Vereinbarung durch das BAFzA geprüft und bestätigt
wurde?

15. Gibt es Fälle, in denen die Auszahlung der Leistungen überdurchschnittlich
lange gedauert hat, und wenn ja, wie viele und welche Gründe wurden für
die Verzögerung der Auszahlung angegeben?

16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Bearbei-
tungszeit beim BAFzA für die Vereinbarungen von ehemaligen Heim-
kindern mit dem Fonds „Heimerziehung in der DDR“?
Sieht sie hier auch die Notwendigkeit, die personellen Kapazitäten, ähnlich
wie bei den Anlauf- und Beratungsstellen, zu erhöhen?

17. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die langen Bearbeitungsfristen
in diesem Verfahren – unter dem Aspekt, dass die Betroffenen besonders
vorbelastet sind – annehmbar sind, zumal der Fonds als niedrigschwelliges
Mittel gewählt wurde, um schnell und unbürokratisch den Betroffenen hel-
fen zu können?

18. Wurden, wie im Bericht zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des
Runden Tisches Heimerziehung sowie der Empfehlungen zur Prävention
und Zukunftsgestaltung (Bundestagsdrucksache 17/13671) angekündigt,
die personellen Kapazitäten in den Anlauf- und Beratungsstellen in den
Ländern erhöht, und wenn ja, um wieviel (bitte nach Bundesländern und
Voll- und Teilzeitstellen aufschlüsseln), und wenn nein, warum nicht (bitte
begründen)?

19. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die bisher eingezahlten Fonds-
mittel bereits ausgeschöpft sind und dennoch weitere Vereinbarungen abge-
schlossen werden, ohne dass die bewilligten Mittel derzeit an die ehema-
ligen Heimkinder ausgezahlt werden können?

20. Auf welcher Berechnungsgrundlage hat die Bundesregierung festgestellt,
dass 40 Mio. Euro für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ ausreichend
sind?

21. Hält die Bundesregierung die vereinbarten Entschädigungsmittel von
40 Mio. Euro für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ für ausreichend
vor dem Hintergrund, dass die bereits eingezahlten Mittel fast ausgeschöpft
sind (wenn ja, bitte begründen)?
Wenn nein, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass alle ehemali-
gen Heimkinder, die eine Vereinbarung zusammen mit den Anlauf- und
Beratungsstellen erarbeitet haben, eine angemessene Sachmittelleistung
und Rentenersatzleistung erhalten?

22. Gab es bereits im Vorfeld Finanzierungs- bzw. Zahlungsschwierigkeiten bei
Entschädigungsfonds, die von der Bundesregierung eingerichtet wurden
(wenn ja, bitte aufführen, und wenn nein, bitte die angenommenen Ur-
sachen für diese neue Entwicklung erläutern)?

23. Wie möchte die Bundesregierung mit dem Fonds „Heimerziehung in der
DDR“ umgehen, wenn die finanziellen Mittel aufgebraucht sind, es aber
noch unbearbeitete Vereinbarungen von Betroffenen beim BAFzA gibt?
Wird sie diesen dann satzungsgemäß nach § 10 Absatz 1 der Satzung des
Fonds auflösen?

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24. Wird die Bundesregierung die zusätzlich entstehenden Kosten, die bei den-
jenigen Betroffenen entstehen können, die aufgrund der Nichtauszahlung
der Sachleistungsmittel die mit Aussicht auf die erhofften Auszahlungen
getroffenen Rechtsgeschäfte (Kaufverträge für Wohnungseinrichtungen,
Mobilität oder Ähnliches) nicht erfüllen können, unbürokratisch erstatten
bzw. ausgleichen?

Berlin, den 7. Februar 2014

Gregor Gysi und Fraktion

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