BT-Drucksache 18/4639

Sicherheit und Kostenentwicklung beim BND-Neubau

Vom 9. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4639
18. Wahlperiode 09.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. André Hahn, Martina Renner,
Kersten Steinke, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheit und Kostenentwicklung beim BND-Neubau

Als Milliardengrab gilt der BND-Neubau (BND – Bundesnachrichtendienst) in
der Chausseestraße in Berlin-Mitte schon lange – nun scheint es, als würde der
Zeitplan für das „größte Bauvorhaben, das von der Bundesrepublik Deutschland
jemals in Angriff genommen wurde“, erneut durcheinander geraten (DER
TAGESSPIEGEL, „Mit Sicherheit wird es teurer“ vom 26. März 2010). Wie
Medien berichten, haben bislang unbekannte Täter am 3. März 2015 in den obe-
ren Stockwerken des Neubaus mehrere Wasserhähne gestohlen und damit einen
Wasserschaden in Millionenhöhe verursacht (vgl. Berliner Zeitung, „Millionen-
schaden in neuer BND-Zentrale in Berlin“ vom 4. März 2015). Demnach seien
über längere Zeit große Wassermengen bis in die unteren Stockwerke geflossen
und hätten elektrische Anlagen und die Lüftung des Gebäudes beschädigt. Laut
Angaben des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ rechne man für den ent-
standenen Schaden mit zusätzlichen Kosten in siebenstelliger Höhe (vgl. DER
SPIEGEL, Printausgabe 13/S. 50, „Undichte Stellen“ vom 21. März 2015). Eine
Ermittlungsgruppe der Berliner Polizei prüft gegenwärtig die Hintergründe der
Tat, für die es bislang keine Hinweise auf einen Einbruch gibt. Das Fehlen von
entsprechenden Spuren legt die Vermutung nahe, dass der oder die Täter zu einer
auf der Baustelle tätigen Firmen gehören könnte bzw. könnten. Die Räume, in
denen die Wasserhähne abmontiert wurden, waren bereits baulich abgenommen
und verschlossen. Die Leitungen, die einen Tag zuvor planmäßig durchgespült
worden waren, standen unter Druck. Zutritt hätte nur einer der 118 Schlüsselkar-
tenbesitzer gehabt, was den Verdacht stärkt, der Schaden könnte bewusst in Kauf
genommen oder sogar vorsätzlich herbeigeführt worden sein. Laut Berichten der
„BILD“ halte die Polizei auch „eine linksterroristische Sabotagetat“ für möglich
(vgl. BILD Online, „Millionenschaden nach Wasserhahn-Klau“ vom 4. März
2015). Fraglich ist dennoch, wie es auf der vermeintlich sichersten Baustelle
Deutschlands und trotz unzähliger Kameras, Sicherheitsschleusen und Wach-
leuten gelingen konnte, einen derart folgenschweren Schaden zu verursachen.
Seit dem ersten Spatenstich reißt die Pannenserie beim Bau von Europas mo-
dernster Geheimdienstzentrale nicht ab. Nachdem im Sommer 2011 bekannt
wurde, dass mehrere geheime Baupläne von dem streng überwachten Gelände
geschmuggelt wurden, berichtete die „Berliner Morgenpost“ noch im gleichen
Jahr über den Ausbau der knapp 10 Mio. Euro teuren Klimaanlage des Haupt-
gebäudes, die aufgrund gravierender hygienischer Mängel zu großen Teilen
ersetzt werden musste. Ende 2012 resultierten aus den entstandenen Schäden
sowie Strom- und Heizkosten für fertige, aber noch nicht zu nutzende Bau-
abschnitte bereits Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe. Hinzu kamen
Kündigungen und Insolvenzen mehrerer Baufirmen. Gegenwärtig droht einer
der wichtigsten Planungsgruppen im Bereich der technischen Gebäudeausstat-

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tung die Komplettinsolvenz. Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft EAS
(ARGE EAS), einst ein Zusammenschluss aus drei Ingenieurbüros, firmiert
heute nur noch ein Gesellschafter. Seit dem Verlust der beiden insolventen Part-
nerfirmen lasten die gesamte Planung und Bauleitung für die hochkomplexe
Gebäudeausstattung auf dem einen verbliebenen ARGE-Partner. Die Folgen, die
ein Komplettausfall für das Bauvorhaben hätte, beschreiben interne Berichte als
„dramatisch“ und „ganz erheblich“ (vgl. DER SPIEGEL, Printausgabe 13/S. 50,
„Undichte Stellen“ vom 21. März 2015).
Entgegen ursprünglichen Ankündigungen dürften die aktuellen Kostenpro-
gnosen und Fertigstellungstermine unter Berücksichtigung der bestehenden
Risiken und Mängel am Bau also kaum haltbar sein. Damit würde sich auch die
Einschätzung des Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenaus-
schusses im Deutschen Bundestag, bestätigen, der bereits Anfang 2012 die
Gesamtkosten von Umzug und Neubau mit 1,5 bis 2 Mrd. Euro beziffert hatte
(vgl. DER TAGESSPIEGEL, „BND-Neubau kommt später und wird teurer“
vom 25. Juni 2012).
Abgesehen von einem erheblichen finanziellen Mehrbedarf von rund 50 Prozent
im Vergleich zu den ursprünglich veranschlagten Ausgaben für die neue BND-
Zentrale kommt es durch die zahlreichen Zwischenfälle und Pannen seit Jahren
zu Verzögerungen im Bauablauf. Ob der Wasserschaden Auswirkungen auf den
Fertigstellungstermin im Juni 2016 haben wird, sei bislang noch nicht absehbar.
Konsequenzen hätte ein verspäteter Fertigstellungstermin sehr wahrscheinlich
auch für den geplanten Umzug von Pullach nach Berlin. Im März 2014 hatten
bereits rund 170 Mitarbeiter ihre Arbeit in der Technik- und Logistikzentrale
aufgenommen, weitere 4 000 BND-Mitarbeiter sollten in den kommenden Jah-
ren schrittweise folgen. Zeitgleich plant der BND auf dem 68 Hektar großen
Areal in Pullach einen Neubau für seine Abteilung „Technische Aufklärung“.
Rund 1 000 Mitarbeiter sollen zu diesem Zweck am alten Standort verbleiben.
Offizielle Aussagen zu Dauer und Kosten der geplanten Umgestaltung des
BND-Geländes gibt es bislang nicht. Medienberichten zufolge rechne man auch
für dieses Vorhaben mit Kosten in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages
(www.sueddeutsche.de vom 20. August 2014, „BND plant teuren Neubau“,
www.br.de vom 19. August 2014, „Neubau in Pullach bei München“).

Wir fragen die Bundesregierung:
Aktuelle Situation am Neubau in Berlin
1. Wie hoch belaufen sich die Baukosten nach derzeitigem Planungsstand, und

wie haben sich die Bau- und Planungskosten sowie die Ausführungs- und
Fertigstellungsfristen im Verhältnis zur Planung seit dem Jahr 2006 ent-
wickelt (bitte entsprechend nach ursprünglicher Planung bzw. Fristenplänen,
fortlaufend überarbeiteten Kostenberechnungen und dem jeweiligen Grund
chronologisch aufschlüsseln)?

2. Wie hoch werden derzeit die Gesamtkosten – Bau, Umzug, Übergangsmaß-
nahmen, Bewirtschaftungskosten, Technik – geschätzt?

3. Welchen aktuellen Planungsstand kann die Bundesregierung zur Einrichtung
der künftigen BND-Zentrale, dort eingesetztem Personal, Aufgabenberei-
chen und benötigten Finanzmitteln für die technische Gebäudeausstattung
mitteilen?

4. Welche Abteilungen ausländischer Nachrichtendienste, Institutionen oder
anderer Behörden sind aktuell und künftig in welcher Personalstärke in der
neuen BND-Zentrale regelmäßig oder unregelmäßig vertreten?

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5. Inwieweit sind die gesamten sicherheitstechnischen Anlagen (z. B. elektro-
nisches Schlüsselsystem, Gesichtsscanner, Videoüberwachungs- und Zu-
trittskontrollanlagen, Einbruchmeldeanlagen) bereits in Betrieb genommen,
bzw. welche Anlagen und Systeme befinden sich derzeit noch in Planung
bzw. in der Testphase?

6. Wie hoch ist die Zahl der eingesetzten Sicherheitskräfte auf dem gesamten
Areal des Neubaus, und wie hoch ist der Anteil privater Sicherheitskräfte an
der Gesamtzahl?

7. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten für den entstandenen
Wasserschaden ein, und in welchem Umfang betrifft der Schaden die Bau-
substanz, technische Anlagensysteme, Sicherheitstechnik etc.?

8. Kann die Bundesregierung Medienberichte bestätigen, wonach nach Anga-
ben des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) insgesamt
10 Kubikmeter Wasser in der neuen BND-Zentrale ausgetreten seien (vgl.
rbb online vom 6. März 2015)?

9. Treffen Berichte zu, wonach in Putzmittelräumen im vierten bis sechsten
Stockwerk des Hauptgebäudes fünf Wasserhähne abmontiert worden wa-
ren, woraufhin sich das austretende Wasser horizontal verteilte und bis ins
Erdgeschoss geflossen sei (vgl. ebd.)?

10. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nach Be-
merken des Wasserschadens von wem konkret eingeleitet?

11. Hält die Bundesregierung die Einhaltung der Terminplanung für die ge-
plante Gesamtübergabe im Juni 2016 unter Berücksichtigung der jüngsten
Ereignisse für realistisch?
a) Falls ja, wie wird das begründet?
b) Falls nein, von welchem Datum der Fertigstellung und Gesamtübergabe

des Komplexes geht sie aktuell aus (bitte begründen)?
12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Hintergründen und

Motiven des aktuellen Vorfalls (Wasserschaden)?
13. Ist nach derzeitigen Erkenntnissen davon auszugehen, dass es sich um eine

politisch motivierte Tat handelt, und auf welche Tatsachen stützt sich eine
solche Beurteilung?

14. Welchen Annahmen lag oder liegt nach Kenntnis der Bundesregierung die
Vermutung zugrunde, es handle sich bei dem verursachten Wasserschaden
um einen „linksterroristischen Sabotageakt“?

15. Welche Hinweise liegen der Bundesregierung vor, die die Annahme stüt-
zen, dass Mitarbeiter einer der auf dem Gelände tätigen Firmen mutwillig
Schaden an dem Bau verursacht haben könnten?

16. Welche Firmen und wie viele Beschäftigte hatten zum Zeitpunkt der Tat
Zutritt zur Baustelle (bitte in Baufirmen bzw. Gewerke, Bauüberwachung,
Sicherheitsunternehmen unterteilen)?

17. Welche Personen waren zum Zeitpunkt der Tat im Besitz einer Schlüssel-
karte bzw. hatten Zugang zu den verschlossenen Räumen, in denen die
Wasserhähne abmontiert wurden?

18. Wie erklärt die Bundesregierung den Vorfall trotz der bestehenden umfang-
reichen Sicherheitsvorkehrungen, und wie schätzt die Bundesregierung den
Vorfall mit Blick auf allgemeine Sicherheitsaspekte ein?

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19. Sieht die Bundesregierung aufgrund des Vorfalles die Notwendigkeit, das
bestehende Sicherheitskonzept zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten
(bitte begründen), und wenn ja, wann wird dies durch wen passieren?

20. In welcher Höhe waren und sind in den Jahren 2013, 2014 und 2015 Forde-
rungen für Bauleistungen bzw. wegen deren Ausführung (auch Gewährleis-
tung und Schadensersatz) streitig (bitte jeweils für Jahr, Gewerk, Höhe der
streitigen Forderungen, Rechtsgrund auflisten)?

21. Welche Auswirkungen hatten und haben die in Frage 20 genannten Streit-
gegenstände auf die Planung, Ausführung und Fertigstellungsfristen (bitte
im Einzelnen Dauer der jeweiligen Unterbrechung, Höhe der Fristverlänge-
rung, Umfang der Bauzeitverlängerung, Planungsänderungen, Nachtrags-
leistungen, Verschiebung von Abnahme bzw. Teilabnahme, Kostensteige-
rung angeben)?

22. Für welche der in Frage 20 genannten Streitgegenstände konnten bisher au-
ßergerichtliche Lösungen erzielt werden?

23. Für welche der in Frage 20 genannten Streitgegenstände sind gerichtliche
Verfahren eingeleitet worden (bitte im Einzelnen Verfahrensart, Streitgegen-
stand, Streitwert angeben)?

24. Sind Auftragnehmer für die Planung, Überwachung und Ausführung von
Leistungen seit Beginn des Bauvorhabens vorzeitig ausgeschieden, und
wenn ja, welche und warum (bitte nach Jahr und Leistungsumfang auflis-
ten)?

25. Welche Auswirkungen sind durch das in Frage 24 genannte (auch vorzei-
tige) Ausscheiden von Auftragnehmern auf die Planung, Ausführung und
Fertigstellungsfristen entstanden (bitte im Einzelnen Dauer der jeweiligen
Unterbrechung, Fristverlängerung, Umfang der Bauzeitverlängerung, Pla-
nungsänderungen, Nachtragsleistungen, Verschiebung von Abnahme bzw.
Teilabnahme, Kostensteigerung angeben)?

26. Welche konkreten Folgen hätte eine Komplettinsolvenz der ARGE EAS für
den Fortgang und die Fertigstellung des Bauvorhabens?

27. Welche Vorkehrungen wurden in der Vergangenheit vonseiten der Bundes-
regierung getroffen, um die Erbringung notwendiger Bauleistungen trotz
eines Ausfalls einer oder mehrerer projektbeteiligter Firmen zu sichern?

28. Welche weiteren Gründe könnten aus Sicht der Bundesregierung nach
jetzigem Kenntnisstand dazu führen, dass sich die Fertigstellung des BND-
Neubaus zeitlich weiter verzögert?

29. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bislang getroffen, um die
Wirtschaftlichkeit des gesamten Bauprojekts zu prüfen?

30. Welche Kosten- und Nutzenfaktoren flossen in welcher Höhe in eventuell
vorhandene oder in Auftrag gegebene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
ein?

31. Inwieweit teilt die Bundesregierung aus heutiger Sicht die Einschätzung des
Abgeordneten Wolfgang Bosbach in Bezug auf die Gesamtkosten für den
Umzug und Bau der neuen BND-Zentrale?

32. Stimmt die Bundesregierung zu, dass die ursprünglichen Kostenschätzun-
gen und Kalkulationen für das gesamte Bauvorhaben zu optimistisch waren,
und wenn ja, welche Gründe hatte dies aus ihrer Sicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4639
Planung für den Standort Pullach
33. Welche Abteilungen des BND sollen nach der Fertigstellung und dem Be-

zug der Zentrale in Berlin am Standort Pullach verbleiben?
34. Wie viele Dienstposten in welchen Abteilungen des BND mit welchen in-

haltlichen Schwerpunkten verbleiben am Standort in Pullach?
35. In welchem Umfang sollen die in Pullach verbleibenden Abteilungen neu

strukturiert und ggf. personell aufgestockt werden?
36. Wie hoch werden derzeit die Kosten für Rück-, Um- bzw. Neubau der Lie-

genschaft in Pullach geschätzt, und wie ist der aktuelle Stand der Umset-
zung?

37. Welche Gründe machen den Rück-, Um- bzw. Neubau der Liegenschaft in
Pullach in der geplanten finanziellen Höhe notwendig?

38. Kann die Bundesregierung Medienberichte (vgl. z. B. www.sueddeutsche.de
vom 20. August 2014, „BND plant teuren Neubau“, www.br.de vom 19. Au-
gust 2014, „Neubau in Pullach bei München“) bestätigen, wonach eine
deutliche Verkleinerung des BND-Geländes in Pullach geplant ist?
a) Wenn ja, welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den genauen

Nutzungs- und Bebauungsplänen des Areals?
b) Rechnet die Bundesregierung mit einem Erlös für ungenutzte Grund-

stücksteile des Geländes, und wenn ja, gibt es innerhalb der Bundes-
regierung bereits erste Überlegungen und Pläne für eine anderweitige
Nutzung des Grundstücks?

39. Welche Abteilungen ausländischer Nachrichtendienste, Institutionen oder
anderer Behörden sind in welcher Personalstärke derzeit und zukünftig in
Pullach regelmäßig oder unregelmäßig vertreten?

Berlin, den 9. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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