BT-Drucksache 18/4603

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im ersten Quartal 2015

Vom 13. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4603
18. Wahlperiode 13.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner,
Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im ersten Quartal 2015

Laut einer Anfang Januar 2015 veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung
empfinden 57 Prozent der nichtmuslimischen Bürgerinnen und Bürger „den Is-
lam“ als Bedrohung. 61 Prozent der Befragten gaben an, der Islam passe nicht
in die westliche Welt, 40 Prozent fühlten sich durch Muslime als Fremde im ei-
genen Land, jeder Vierte will Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland
verbieten (www.tagesschau.de/inland/islam-101.html). Auch andere Studien
über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie die im Zweijahresrhythmus
durchgeführte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, verweisen auf eine
tiefsitzende Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit in beträchtlichen Teilen der Be-
völkerung (www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/141120presse-hand-
out.pdf).
Auf islamfeindlichen Internetportalen, wie dem nach eigenen Angaben von teil-
weise über 100 000 Besucherinnen und Besuchern am Tag gelesenen Blog „Po-
litically Incorrect“ (PI), werden insbesondere in den Leserkommentaren Mus-
lime und Muslimas in fremdenfeindlicher, beleidigender, hasserfüllter und zum
Teil gewaltbefürwortender Weise pauschal erniedrigt und beschimpft. Für die
Pro-Bewegungen (Pro NRW, Pro Deutschland) und die NPD dient islamfeind-
liche Agitation, etwa gegen Moscheeneubauten, als ein Mittel, um die so ge-
nannte Mitte der Gesellschaft mit ihrer rechtsextremen Programmatik zu errei-
chen.
Im Herbst 2014 entstand in Dresden die Pegida-Bewegung, die sich von ihrem
Namen her explizit gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ richtet. An wö-
chentlichen Demonstrationen beteiligten sich in Dresden vorübergehend bis zu
25 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den islam- und fremdenfeindlichen
Aufmärschen.
Die in Teilen der Bevölkerung verankerte Islam- und Muslimfeindlichkeit
äußert sich auch in Übergriffen und Anschlägen auf Moscheen in Deutschland,
die von Schändungen mit Schlachtabfällen oder Fäkalien bis hin zu Brandan-
schlägen reichen (Bundestagsdrucksache 18/1627). Das ganze Ausmaß islam-
bzw. muslimfeindlich motivierter Straftaten verbleibt allerdings im Dunkeln, da
sich Bundes- und Landesbehörden bislang weigern, den Themenfeldkatalog
beim Begriff der „Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“ bzw.
„muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es insbesondere von muslimischen Ver-
bänden und Kriminologen gefordert wird und im Falle des Unterthemas „Anti-
semitismus“ seit längerem geschehen ist (Bundestagsdrucksachen 17/13686 und
18/1627).

Drucksache 18/4603 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Überlegungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit bei

Polizei- und Innenbehörden von Bund und Ländern, den Themenfeldkatalog
beim Begriff der „Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“
bzw. „muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es im Falle des Unterthemas „An-
tisemitismus“ seit längerem geschehen ist?

2. Welche islam- bzw. muslimfeindlichen Websites und Gruppierungen werden
nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Bundesländern als verfas-
sungsfeindlich (auch Verdachtsfälle) eingestuft bzw. von Landesämtern für
Verfassungsschutz überwacht?

3. Welche und wie viele islam- bzw. muslimfeindliche Aufmärsche einschließ-
lich Protesten gegen eine angeblich drohende Islamisierung Europas oder den
Bau von Moscheen in Deutschland fanden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im ersten Quartal 2015 statt (bitte Datum, Ort, Teilnehmerzahl, Anlass
bzw. Thema und Veranstalter angeben)?

4. Wie viele Anschläge auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islamische
Einrichtungen in Deutschland gab es nach Kenntnis der Bundesregierung im
ersten Quartal 2015 (bitte einzeln nach Ort, Datum, Namen der Moschee und
ihrer möglichen Dachorganisation, Art des Anschlags und Schadenshöhe,
Phänomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen
auflisten)?
a) Wie viele Schändungen von Moscheen, Moscheevereinen und sonstigen

islamischen Einrichtungen durch Farbschmierereien, Fäkalien, Schlacht-
abfälle etc. im ersten Quartal 2015 sind der Bundesregierung bekannt ge-
worden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Namen der Moschee und ihrer
möglichen Dachorganisation, Art der Schändung und Schadenshöhe, Phä-
nomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen
auflisten)?

b) Wie viele Bombendrohungen gegen Moscheen, Moscheevereine und
sonstige islamische Einrichtungen im ersten Quartal 2015 sind der Bun-
desregierung bekannt geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Namen
der Moschee und ihrer möglichen Dachorganisation, Phänomenbereich,
Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen auflisten)?

5. Wie viele mutmaßlich antimuslimisch oder islamfeindlich motivierte Strafta-
ten außer Übergriffen auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islami-
sche Einrichtungen wurden im ersten Quartal 2015 nach Kenntnis der Bun-
desregierung bundesweit verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation der
Straftat und Bundesländer aufschlüsseln)?

6. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im ersten
Quartal 2015 bei Überfällen mit mutmaßlich antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation oder mit vermuteter antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation
a) leicht verletzt,
b) schwer verletzt bzw.
c) getötet
(bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)?

7. Welcher materieller Schaden entstand nach Kenntnis der Bundesregierung
bei mutmaßlich antimuslimischen und islamfeindlichen Straftaten im ersten
Quartal 2015 (bitte nach Schadenshöhe, Art der Motivation und Bundeslän-
dern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4603
8. Wie viele Tatverdächtige wurden nach Kenntnis der Bundesregierung we-
gen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im ersten
Quartal 2015 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

9. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten
im ersten Quartal 2015 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und
Motivation der Straftaten aufschlüsseln)?

10. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Ermitt-
lungen wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten
im ersten Quartal 2015 eingestellt (bitte nach Bundesländern, Art und Mo-
tivation der Straftaten aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen anti-
muslimischer und islamfeindlicher Straftaten im ersten Quartal 2015 zu
welchen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

12. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es nach Kennt-
nis der Bundesregierung wegen überregionaler antimuslimischer und islam-
feindlicher Straftaten mit welchem Ergebnis im ersten Quartal 2015 gege-
ben?

Berlin, den 13. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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