BT-Drucksache 18/4546

Erleichterung grenzüberschreitender verdeckter Ermittlungen mithilfe der EU-Agenturen CEPOL und Europol

Vom 2. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4546
18. Wahlperiode 02.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Ulla Jelpke,
Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Erleichterung grenzüberschreitender verdeckter Ermittlungen mithilfe der
EU-Agenturen CEPOL und Europol

Die Europäische Kommission betont, die Europäische Union habe keinerlei
Kompetenzen für die Anbahnung oder Durchführung grenzüberschreitender
Einsätze von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern (Kommissionsdokument
E-006072/2014 vom 1. Oktober 2014). Zuständig seien ausschließlich nationale
Polizeibehörden. Die EU-Polizeiagentur sei mit keiner „operativen Rolle“ in
entsprechende Operationen eingebunden, biete aber eine Plattform für den Aus-
tausch von „Best Practice“ und Expertise über die Führung von Informanten.
Gemeint sind Personen, die keinen Behörden angehören, aber für diese Spitzel-
dienste übernehmen („external human sources for law enforcement purposes“).
Auch sei der Kommission zur grenzüberschreitenden Vernetzung von Führe-
rinnen und Führern verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler unter dem Namen
„European Cooperation Group on Undercover Activities“ (ECG) bekannt, es
handele sich aber nicht um eine Gruppe der EU (Kommissionsdokument
E-006472/2013 vom 13. August 2013). Weder die Kommission noch Europol
unterstützten die ECG. Sollten etwaige Verstöße der Beteiligten verfolgt werden
und gehörten diese der EU an, seien die Europäische Menschenrechtskonven-
tion und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union maßgeblich.
Laut der Europäischen Polizeiakademie CEPOL sollen im Juni und Juli 2015 in
Kroatien Kenntnisse zu grenzüberschreitenden Operationen verdeckter Ermitt-
lerinnen und Ermittler ausgetauscht werden (www.cepol.europa.eu/education-
training/what-we-teach/residential-activities/20150629/372015-undercover-
operations). Vermittelt würden auch die Bedeutung und Bedingungen für ent-
sprechende Maßnahmen. Den Teilnehmenden würden auch die rechtlichen Rah-
menbedingungen in Europa vermittelt sowie die „hauptsächlichen Typen“
(„main types“) von Operationen vermittelt. Thema seien auch die „empfind-
lichsten Aspekte“ („most vulnerable aspects“) der Einsätze sowie eine Auf-
listung der internationalen Kooperationsmöglichkeiten. Schließlich sollen die
Teilnehmenden mit Informationen zu „best practice“ versorgt werden. Ziel-
gruppe der Veranstaltung sind Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mit Er-
fahrungen in „Techniken verdeckter Ermittler/Ermittlerinnen“. Ein weiteres
CEPOL-Seminar in Kooperation mit Europol soll Teilnehmende mit existieren-
den Praktiken zur Führung von Informantinnen und Informanten vertraut
machen (www.cepol.europa.eu/education-training/what-we-teach/residential-
activities/20151005/362015-informant-handling-advanced). Themen sind das
Verständnis nationaler Regelungen, stärkere Nutzung der „Produkte“ Europols,
Erkennen des Bedarfs für ein ganzheitliches Risikomanagement („comprehen-
sive risk assessment“), Schutz von Angestellten und Abläufen, Kooperation mit

Drucksache 18/4546 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
„EU-Partnern und Drittstaaten“ bezüglich von Informantinnen und Informanten,
kosteneffektive Nutzbarmachung „verdeckter menschlicher Aufklärung“ („uti-
lise Covert Human Intelligence Sources in a cost effective way“).
Keines der Seminare vermittelt nach Auffassung der Fragesteller Wissen, damit
die derart Ausgeforschten etwaige Rechtsverstöße einfacher verfolgen können.
Betroffene grenzüberschreitender verdeckter Ermittlungen waren im Falle des
britischen Polizisten Mark Kennedy beispielsweise von rechtswidrigen Mitteln
betroffen, darunter dem Einsatz von Sexualität zur Erlangung von Informatio-
nen („Mein Leben wurde zum Gegenstand einer staatlichen Invasion“; taz.die
tageszeitung vom 14. Januar 2015). Zwar wird dies von britischen Betroffenen
vor britischen Gerichten verfolgt. Mark Kennedy war jedoch in mehreren euro-
päischen Ländern eingesetzt, darunter auch in Deutschland (Bundestagsdruck-
sache 17/7567). Etwaige in Deutschland lebende Betroffene wissen womöglich
nicht, dass Mark Kennedy ein Polizist war und leben weiter in dem Glauben, die
persönlichen oder sexuellen Beziehungen seien nicht vorgetäuscht worden. Das
Bundesministerium des Innern (BMI) als zuständige Behörde hat die von Mark
Kennedy in Deutschland ausgeforschten Aktivistinnen und Aktivisten nach
Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller nicht über dessen tatsächliche
Identität unterrichtet. Eine straf- oder zivilrechtliche Verfolgung etwaiger Ver-
stöße wird dadurch unterbunden.
Weder die Bundesregierung noch die Bundesländer Berlin (Senatsverwaltung
für Inneres und Sport, Schreiben des Senators Frank Henkel an den Ab-
geordneten Andrej Hunko vom 21. Mai 2013), Mecklenburg-Vorpommern
(SPIEGEL ONLINE vom 19. Februar 2011, der Freitag vom 24. Februar 2011,
Telepolis vom 23. Februar 2011) noch Baden-Württemberg (Innenministerium
Baden-Württemberg, Bundestagsdrucksache 14/7530) konnten in Erfahrung
bringen, in wessen Auftrag Mark Kennedy jahrelang in Berlin aktiv war. Laut
dem BMI habe sein Aufenthalt aber der „Legendenbildung“ gedient (Bundes-
tagsdrucksache 17/5736).
In einem Briefwechsel des Abgeordneten Andrej Hunko mit der britischen
Innenministerin Theresa May konnte diese nicht erklären, wer Mark Kennedy
zur Zeit seiner Aufenthalte in Berlin beauftragt bzw. geführt hatte (Schreiben
vom 26. Februar 2013). Jedoch empfiehlt Theresa May bzw. der von ihr mit der
Beantwortung beauftragte Abgeordnete Damian Green, eine Eingabe beim BMI
zu machen, damit dieses bei der britischen Polizei über die „üblichen Kanäle“
eine Untersuchung beauftragt („who can then make an investigative request oft
he Britisch police or the IPCC via the usual international cooperation chan-
nels“). Allerdings ist unklar, worin diese „üblichen Kanäle“ bestehen und ob die
Bundesregierung überhaupt willens ist, eine solche Untersuchung zu beantragen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welche Weise ist die EU-Polizeiagentur Europol nach Kenntnis der Bun-

desregierung in der Vergangenheit in operativer Hinsicht mit verdeckten Er-
mittlungen befasst gewesen?

2. Inwiefern kann die Bundesregierung die Aussage der Kommission bestätigen
oder kontern, wonach Europol keinerlei Kontakte zur „European Coopera-
tion Group on Undercover Activities“ hatte oder hat?

3. Inwiefern haben Bundesbehörden bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung
auch Landesbehörden den Einsatz von „Iris Schneider“ auch in der European
Cooperation Group on Undercover Activities (ECG) oder der International
Working Group on Police Undercover Activities (IWG) thematisiert, bzw.
inwiefern ist dies beabsichtigt (Bundestagsdrucksache 18/3754)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4546
4. Auf welche Weise bietet Europol nach Kenntnis der Bundesregierung eine
Plattform für den Austausch von „Best Practices“ und Expertise über die
Führung von Informanten?

5. Welche wesentlichen Empfehlungen werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung in den „Best Practices“ zur Führung von Informanten gegeben?

6. Wann und wie wurden die „Best Practices“ zur Führung von Informanten
nach Kenntnis der Bundesregierung erarbeitet, und wer war daran beteiligt?

7. Welche „hauptsächlichen Typen“ („main types“) von verdeckten Ermittlun-
gen sind der Bundesregierung bekannt?

8. Worin bestehen aus Sicht der Bundesregierung die „empfindlichsten As-
pekte“ („most vulnerable aspects“) der Einsätze?

9. Welche verschiedenen europäischen bzw. internationalen Kooperations-
möglichkeiten existieren aus Sicht der Bundesregierung zur Durchführung
grenzüberschreitender verdeckter Ermittlungen?

10. Auf welche Weise könnten aus Sicht der Bundesregierung „Produkte“
Europols zur Führung von Informantinnen und Informanten besser genutzt
werden?

11. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung der Schutz von
Angestellten und Abläufen verbessert werden?

12. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung „verdeckte
menschliche Aufklärung“ wie von CEPOL beschrieben kosteneffektiver
betrieben werden?

13. An welchen Lehrinhalten zu (grenzüberschreitenden) verdeckten Ermittlun-
gen oder zur Führung von Informantinnen und Informanten haben welche
deutschen Behörden des BMI seit dem Jahr 2010 teilgenommen, und von
wem wurden diese veranstaltet?

14. An welchen entsprechenden, zukünftigen Lehrinhalten ist eine Teilnahme
geplant?

15. Welche der stattgefundenen oder geplanten Seminare vermittelten bzw. ver-
mitteln Wissen zur Verbesserung der Verfolgung von etwaigen Rechtsver-
stößen durch Betroffene?

16. Welche weiteren neuen Regelungen außer zur Führung eines ausländischen
Polizeibeamten in Deutschland durch die zuständige deutsche Behörde, der
Übermittlung des Legendennamens des verdeckt eingesetzten ausländi-
schen Polizeibeamten sowie des Klarnamens seines ausländischen Füh-
rungsbeamten enthalten die Standards, die nach Auskunft der Bundesregie-
rung helfen sollen „den verdeckten Einsatz ausländischer Polizeibeamter in
Deutschland deutlich enger zu kontrollieren und nachvollziehbarer zu ma-
chen“ (Bundestagsdrucksache 18/3754)?

17. An welche „betroffenen VE-VP-Dienststellen der Länder und des BKA“
wurden die neu entwickelten Standards zur Handhabung von ausländischen
verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern in Deutschland übermittelt (Bun-
destagsdrucksache 18/3754; bitte die beschickten Stellen einzeln benen-
nen)?

18. Welche Behörde ist aus Sicht der Bundesregierung für die Verfolgung von
etwaigen während der Aufenthalte des früheren britischen verdeckten Er-
mittlers Mark Kennedy in Berlin durch diesen begangenen Rechtsbrüchen
zuständig?

19. Sofern die Bundesregierung hierzu über keine Kenntnis verfügt, auf welche
Weise kann sie dazu beitragen, die zuständige Behörde zu ermitteln?

Drucksache 18/4546 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
20. Sofern die Bundesregierung zur Ermittlung der für die Aufenthalte von
Mark Kennedy in Deutschland zuständigen Behörden über keine Handhabe
verfügt, inwiefern sieht sie darin ein Defizit der Kontrolle derartiger Ein-
sätze?

21. Inwiefern kann die Bundesregierung, wie von der britischen Innenministe-
rin bzw. dem von ihr beauftragten Abgeordneten Damian Green empfohlen,
bestätigen, dass zur Ermittlung der Auftraggeber der Aufenthalte von Mark
Kennedy in Berlin eine Eingabe beim BMI gemacht werden kann, damit
dieses bei der britischen Polizei über die „üblichen Kanäle“ eine Unter-
suchung beauftragt?

22. Welche Voraussetzungen müssten für eine solche Eingabe bzw. Unter-
suchung erfüllt sein?

23. Welche Abteilungen welcher Bundesbehörden wären für die Bearbeitung
zuständig?

24. Über welche „üblichen Kanäle“ würde die Untersuchung aus Sicht der Bun-
desregierung dann umgesetzt?

25. Inwiefern wäre die Bundesregierung dazu bereit, eine solche Untersuchung
zu beantragen?

Berlin, den 2. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.