BT-Drucksache 18/4511

zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/972 - Programm zur Beseitigung von Barrieren auflegen

Vom 30. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4511
18. Wahlperiode 30.03.2015
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine
Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/972 –

Programm zur Beseitigung von Barrieren auflegen

A. Problem
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden:
1. ein Sofortprogramm zur Beseitigung bestehender baulicher und kommunikati-

ver Barrieren von jährlich 1 Mrd. Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren auf-
zulegen;

2. entsprechende Verwaltungsvereinbarungen nach Artikel 104b des Grundgeset-
zes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen zu erwirken und dazu in § 164b
Absatz 2 des Baugesetzbuchs Barrierefreiheit und „universelles Design“ (Arti-
kel 2 der UN-Behindertenrechtskonvention) als Grundsätze für den Einsatz von
Finanzhilfen festzuschreiben;

3. im Zusammenwirken mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, dass auch finanz-
schwache Kommunen Zugang zu den Mitteln aus dem Programm erhalten;

4. das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit e. V. (BKB) für die Laufzeit des
Investitionsprogrammes aus dessen Mitteln zu finanzieren und zu prüfen, ob das
BKB die Evaluation der Umsetzung des Bundesprogrammes übernehmen sollte;

5. in das Förderprogramm 2014 „Wohnungswesen und Städtebau“ Maßnahmen
zur Barrierefreiheit als Vergabekriterium im Stadtumbau Ost wie West, im
Denkmalschutz Ost wie West, im Programm „Soziale Stadt“, für aktive Stadt-
und Ortsteilzentren sowie kleinere Städte und Gemeinden aufzunehmen (Bun-
destagsdrucksache 18/700, Kapitel 1606).

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
der SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

Drucksache 18/4511 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4511
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.

Berlin, den 25. März 2015

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Artur Auernhammer
Vorsitzender

Karsten Möring
Berichterstatter

Ulli Nissen
Berichterstatterin

Heidrun Bluhm
Berichterstatterin

Christian Kühn (Tübingen)
Berichterstatter

Drucksache 18/4511 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Karsten Möring, Ulli Nissen, Heidrun Bluhm und
Christian Kühn (Tübingen)

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/972 wurde in der 27. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. April 2014 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und zur Mit-
beratung an den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Familie, Seni-
oren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur,
den Ausschuss für Menschenrechte sowie den Ausschuss für Tourismus überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Antragsteller legen dar, dass Barrierefreiheit mehr sei als Zugänglichkeit oder Erreichbarkeit. Sie müsse
auch die selbständige Nutzbarkeit bestehender Gebäude, Anlagen, Verkehrsmittel, Wege, Informationen und
Dienstleistungen für alle Menschen mit Beeinträchtigungen, unabhängig von der Behinderungsart, einschlie-
ßen.
Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention habe sich die Bundesrepublik Deutschland als Ver-
tragsstaat in Artikel 9 verpflichtet, „geeignete Maßnahmen mit dem Ziel“ zu ergreifen, „für Menschen mit
Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und
Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu an-
deren Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen
oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.“ Nach Auffassung der Antragsteller schließen diese Maß-
nahmen die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und Barrieren ein.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 11. Sitzung am 8. Mai 2014 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 18/972 abzulehnen.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 26. Sitzung am 12. November 2014 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 34. Sitzung am 25. März 2015 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzu-
lehnen.
Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 35. Sitzung am 25. März 2015 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.
Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat in seiner 38. Sitzung am 25. März 2015 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.
Der Ausschuss für Menschenrechte hat in seiner 33. Sitzung am 25. März 2015 mit den Stimmen der Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.
Der Ausschuss für Tourismus hat in seiner 28. Sitzung am 25. März 2015 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4511
IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Antrag auf Drucksache 18/972 in
seiner 42. Sitzung am 25. März 2015 abschließend beraten.
Die Fraktion der CDU/CSU konstatierte noch große Aufgaben, die noch zu lösen seien. Es handele sich um
einen typischen Oppositionsantrag, der ein Ziel formuliere, bei dem bereits Einigkeit bestehe und verknüpfe
dieses mit der Forderung nach mehr Geld. Die Opposition konzentriere sich in ihrem Antrag unter anderem auf
die Städtebauförderung, dabei werde schon heute bei allen Neubauten und Erneuerungen im Städtebau – und
auch im ÖPNV – die Barrierefreiheit berücksichtigt. Zwar gebe es erheblichen Nachholbedarf, aber die Länder
hätten dafür auch erhebliche Finanzmittel, unter anderem aus den Regionalisierungsmitteln, zur Verfügung,
die aber natürlich von der Politik priorisiert werden müssten. Im Wohnungsbau unterstütze die Kreditanstalt
für Wiederaufbau mit ihren Programmen den Umbau von Wohnungen, wobei schon für das Zuschussprogramm
54 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden seien. Insgesamt seien bisher schon weit mehr als 100 000
Wohnungen gefördert worden. Als Vorstufe zur Barrierefreiheit sei es schon wichtig, erst einmal eine Barrie-
rearmut zu erreichen. Die in dem Antrag genannte Zahl von 400 000 fehlenden Wohnungen stimme statistisch
zwar, zu beachten seien aber die Bedürfnisse vor Ort. Es müsse daher ein konkretes Steuerungselement gefun-
den werden, damit der Bedarf auch genau dort gedeckt werde, wo ein solcher überhaupt bestehe, um den Men-
schen zu ermöglichen, auch im Alter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können.
Die Fraktion der SPD erklärte, auch sie würde gern in jedem Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen.
Geld könne man allerdings immer nur einmal ausgeben und Barrieren gebe es auf vielfältigen Ebenen, bei-
spielsweise bei Gehörlosen. Zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention habe die Bundesregierung bereits
einiges auf den Weg gebracht. Dies umfasse nicht nur Kreditprogramme, sondern auch Zuschüsse zum alters-
gerechten und barrierefreien Umbau von Wohnungen, was ein wichtiger Schritt gewesen sei. Durch das 10-
Milliarden-Investitionsprogramm sollten weitere Finanzmittel in den altersgerechten Umbau fließen. Im Übri-
gen formuliere auch das Baugesetzbuch, dass die Bedürfnisse älterer und behinderter Menschen zu den Grunds-
ätzen der Bauleitplanung gehörten, auch wenn dies leider in der Praxis nicht immer berücksichtigt werde. Der
Antrag der Fraktion DIE LINKE. sei wieder ein „Wünsch-Dir-was-Antrag“. Zwar sei das formulierte Ziel
richtig, die Barrierefreiheit auf allen Ebenen anzustreben. Umsetzung in die Realität sei aber eben eine andere.
Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, der Antrag lege den Daumen auf die Wunde, was auch notwendig sei,
weil es sehr großen Nachholbedarf bei der Umsetzung der Barrierefreiheit gebe. Man lasse sich bei entspre-
chender Gelegenheit gern für Erfolge bei UN-Konventionen feiern und wolle in vielen Bereichen beispielge-
bend sein. Bei der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention müsse man jedoch feststellen, dass bisher we-
niger als 1 Prozent der Wohnungen in Deutschland barrierefrei seien. Es gebe rund 7,3 Millionen Behinderte
in Deutschland, wobei nicht alle in ihrer Mobilität eingeschränkt seien. Insgesamt bestehe in etwa ein Bedarf
für 1,4 Millionen barrierefreie Wohnungen für die betroffenen Menschen. Schon bei der Bereitstellung von
altersgerechten Wohnungen scheitere man in Deutschland. Für mobilitätseingeschränkte Menschen sei die Si-
tuation noch dramatischer. Aktuell müssten kurzfristig mindestens 400 000 Wohnungen umgebaut werden,
wofür entsprechende Unterstützungen notwendig seien. Dieses Defizit sende ein schlechtes politisches Signal
aus, weshalb man im vorgelegten Antrag 5 Jahre lang pro Jahr einen Betrag von 1 Milliarde Euro fordere, der
auch für städtebauliche Maßnahmen im Umfeld der Wohnbebauung Verwendung finden solle. Außerdem
werde angeregt, die vorhandenen Förderprogramme im Hinblick auf die Barrierefreiheit umzugestalten und
auch die Auszahlung der Mittel an diese zu knüpfen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erläuterte, dass die statistischen Zahlen einen dramatischen Be-
darf aufzeigten. In den nächsten 15 Jahren werde sich der Anteil derjenigen, die auf Unterstützung in ihrer
Wohnung angewiesen seien, verdoppeln. Es gebe aktuell 500 000 bis 750 000 altersgerechte Wohnungen, wo-
bei der Bedarf bei 2 500 000 Wohnungen liege. Bis zum Jahr 2030 müssten rund 50 Milliarden Euro investiert
werden. Investitionen von 3 Milliarden Euro pro Jahr seien nötig, um die Entwicklungen des demografischen
Wandels abzufedern und den Betroffenen zu ermöglichen, in ihrem bekannten Wohnumfeld zu bleiben. Ange-
sichts der hohen Kosten von Pflegeheimplätzen könnten Milliardenbeträge gespart werden, wenn Pflegebe-
dürftige in ihren Wohnungen bleiben könnten. Die Wiedereinführung der Zuschussvariante bei den Förderpro-
grammen sei ein wichtiger Schritt gewesen. In dem Antrag, als auch bei der Öffentlichkeitsarbeit der Bundes-
regierung fehle es allerdings an Informationskampagnen zum altersgerechten Umbau von Wohnungen und
insbesondere bei Bädern. Vorstellbar sei ein Netzwerk von Wohnberatungsstellen, die Hilfestellung sowohl zu
Fragen der energetischen Sanierung, als auch zum altersgerechten Umbau von Wohnungen geben könnten. Das
fehle leider in dem Antrag, einiges sei offen und manches bleibe unklar, beispielsweise wie das Geld zu den

Drucksache 18/4511 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Kommunen und zu den Menschen komme. Die Zielrichtung sei jedoch richtig – zu mehr Investitionen in Woh-
nungen und das Wohnumfeld zu kommen, Barrieren in den Blick zu nehmen und so eine Vision einer barrie-
refreien Stadt zu entwickeln.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit betonte, es handele sich um
eine große Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden könne. Die Bundesregierung wolle es nicht
nur bei Zeichen belassen, sondern auch konkrete Verbesserungen erreichen. Daher würden die Mittel der Kre-
ditanstalt für Wiederaufbau verdoppelt, was auch ein deutliches Zeichen an private Investoren sei, die man
brauche. Bereits die Erhöhung der Zuschüsse der Pflegeversicherung auch für Umbaumaßnahmen sei ein wich-
tiger Schritt gewesen. Außerdem werde man bei den national bedeutsamen Maßnahmen einen Schwerpunkt
darauf legen, dass Quartiere nicht nur energetisch, sondern auch altersgerecht umgebaut würden, um zu Leucht-
turmprojekten zu kommen. Darüber hinaus sei aber auch wichtig, dass die mit Umbauten befassten Planer die
Ziele verinnerlichten und intelligent in Planungen umsetzten. Im Übrigen sei das Programm „Soziale Stadt“
auch für diese Zwecke von 22 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt worden, wobei die
Städte Umschichtungen vornehmen könnten.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 18/972 abzulehnen.

Berlin, den 25. März 2015

Karsten Möring
Berichterstatter

Ulli Nissen
Berichterstatterin

Heidrun Bluhm
Berichterstatterin

Christian Kühn (Tübingen)
Berichterstatter

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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