BT-Drucksache 18/4476

Nutzung und Schutz der arktischen Gewässer

Vom 25. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4476
18. Wahlperiode 25.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Steffi Lemke, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nutzung und Schutz der arktischen Gewässer

Die Arktis ist eines der empfindlichsten Ökosysteme der Erde. Die Folgen des
Klimawandels sind in der Arktis verstärkt spürbar und schon heute unüber-
sehbar. Durch die fortschreitende Erderwärmung schmilzt das Eis in der Arktis
stetig ab, in der Folge entstehen neue Zugangsmöglichkeiten zu arktischen Res-
sourcen wie Gas, Öl und Fischgründen.
Vorhaben zur verstärkten wirtschaftlichen Nutzung der Arktis durch industrielle
Fischerei, Rohstoffabbau, verkürzte Schifffahrtsrouten und Energieerzeugung
gefährden das arktische Ökosystem zusätzlich. Aufgrund stärker abschmelzen-
den Eises in den Sommermonaten ist inzwischen zeitweise Schifffahrt entlang
der Nordostpassage eingeschränkt möglich. Schifffahrtsrouten über arktische
Gebiete eröffnen zwar Chancen für die Schifffahrt, sie sind jedoch mit sehr
großen Risiken verbunden. Die Risiken, die insgesamt durch eine verstärkte
wirtschaftliche Nutzung entstanden sind und noch entstehen werden, sind nicht
absehbar und noch nicht ausreichend erforscht.
Um Eingriffe zu vermeiden und mögliche Folgen abzuschätzen und ihnen vor-
zubeugen, müssen Schutzgebiete in der Arktis ausgewiesen und klare interna-
tionale Regelungen getroffen werden. Es haben sich die Bundesregierung hat
zwar in ihrem Koalitionsvertrag (Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD für die 18. Wahlperiode, S. 84) sowie die Bundeskanzlerin bei der Eröff-
nung der Arctic Circle Conference für einen größeren Schutz der Arktis, etwa
über die Ausweisung von Schutzgebieten, ausgesprochen – Maßnahmen auf
dem Weg dorthin wurden bisher jedoch nicht definiert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Welche international anerkannten Gremien beschäftigen sich nach Kennt-

nis der Bundesregierung ausschließlich mit dem Gebiet der Arktis, und
welche Staaten arbeiten in diesen Gremien ständig mit?

b) Welche informellen Gremien oder Konferenzen, die sich vor allem mit der
Arktis beschäftigen, sind der Bundesregierung bekannt, und in welchen
Gremien arbeitet(e) sie mit, bzw. an welchen Konferenzen nimmt bzw.
nahm sie teil?

2. a) Durch welche Maßnahmen wird die Bundesregierung den Koalitionsver-
trag umsetzen, in dem es heißt „Union und SPD unterstützen die Einrich-
tung von Schutzgebieten in Arktis und Antarktis“?

b) Durch welche weiteren Maßnahmen wird die Bundesregierung den Schutz
der Arktis sicherstellen?

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3. Welche Auffassung hat die Bundesregierung zur EU-Strategie für die Ark-
tis, und inwieweit unterstützt sie die aktuelle Entschließung des Europä-
ischen Parlaments vom 12. März 2015 zur EU-Strategie für die Arktis?

4. Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung der im Jahr 2013 verabschie-
deten Leitlinien deutscher Arktispolitik?
Wenn ja, mit welchem Ziel?
Wenn nein, warum nicht?

5. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, einen dem Antarktisvertrag
aus dem Jahr 1959 vergleichbaren Arktisvertrag auszuhandeln, um die wirt-
schaftliche Ausbeutung und die damit einhergehende Verschmutzung des
arktischen Meeres durch die Anrainerstaaten zu verhindern?

6. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung die Äußerung
der Bundeskanzlerin „Umweltschäden wirken sich im sensiblen arktischen
Ökosystem langfristiger als anderswo aus. Die Folgen eines Umweltunfalls
lassen sich viel schwerer unter Kontrolle bringen, umso wichtiger ist das Vor-
sorgeprinzip als Richtschnur der Arktispolitik.“ (Grußwort der Bundeskanz-
lerin Dr. Angela Merkel zum Artic Circle Assembly am 30. Oktober 2014
(www.vimeo.com/110566843?utm_campaign=bafd85fcf7-Arctic_
Declaration_signatories_BKM9_19_2014&utm_medium=email&utm_
source=Arctic+Declaration+signatories&utm_term=0_d04c606040-
bafd85fcf7-205541541) umsetzen?

7. Mit welchen konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, ihren Bei-
trag zur aktiven Arktispolitik auszuweiten?

8. a) Welche Gebiete in der Arktis plant die Bundesregierung unter besonde-
ren Schutz zu stellen?

b) Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstel-
len, dass das Abschmelzen des arktischen Meereises verhindert bzw. ver-
langsamt wird?

9. In welchem Stadium befinden sich Verhandlungen zu transnationalen
Schutzgebieten im Gebiet der Arktis?

10. a) Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die von Greenpeace vorge-
schlagene Schutzgebietskulisse für die Hohe Arktis?

b) Wird sich die Bundesregierung für dieses Szenario einsetzen?
Wenn nein, warum nicht?

11. Wird sich die Bundesregierung für ein Moratorium gegen industrielle Akti-
vitäten in der Arktis einsetzen, bis ein rechtsverbindliches übergeordnetes
Rahmenwerk verabschiedet ist, das den Schutz des Ökosystems und der in
der Arktis lebenden Menschen gewährleistet?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis über europäische Fischereiflotten, die in
der Arktis fischen (bitte auflisten)?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass der Bereich
des arktischen Meeres, der historisch mit Eis bedeckt war, von der Indus-
triefischerei frei bleiben muss (bitte begründen)?

14. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen der OSPAR-
Konferenz zur Entwicklung eines Netzwerks von Meeresschutzgebieten
außerhalb der Wirtschaftszone der Anrainerstaaten der Arktis?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4476
15. Plant die Bundesregierung im Jahr 2015 bzw. darüber hinaus, internationale
Konferenzen zum Schutz der Arktis auszurichten, wie zuletzt am 21. März
2013?
Wenn ja, wann, und wenn nein, warum nicht?

16. Wird sich die Bundesregierung für eine internationale Vereinbarung über
den Schutz der bisher unregulierten Gewässer des zentralen nördlichen Eis-
meers einsetzen?

17. Wie teilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Gebietsansprüche
aktuell zwischen den Anrainerstaaten der Arktis auf (Fläche in km2 je
Land)?

18. a) Von welchen möglichen Gebieten zur Erdöl- bzw. Erdgasförderung in
arktischen Gebieten hat die Bundesregierung Kenntnis, und inwieweit
unterstützt sie eine Förderung in diesen Gebieten (bitte betroffene Natio-
nen bzw. beanspruchte Gebiete getrennt nach Rohstoffen nennen)?

b) Von welchen konkreten Projekten zur Förderung von Erdöl bzw. Erdgas
in arktischen Gebieten hat die Bundesregierung Kenntnis (bitte beteiligte
Mineralölgesellschaften sowie Nationen getrennt nach Rohstoffen nen-
nen)?

c) Welche konkreten Projekte zur Förderung von Erdöl bzw. Erdgas befin-
den sich nach Kenntnis der Bundesregierung in von Russland zur Nut-
zung beanspruchten Gebieten, und in welchem Projektstadium befinden
sie sich aktuell?

19. Welche weitere Infrastruktur (bestehend sowie in Bau bzw. Planung) zum
Erdöl- bzw. Erdgasumschlag in arktischen Gebieten ist der Bundesregie-
rung bekannt (Häfen, Umschlagsterminals, Pipelines etc.)?

20. Von welchen Ölförderkonzessionen in arktischen Gebieten (Land bzw. Mee-
resboden) hat die Bundesregierung Kenntnis (bitte jeweiligen Anrainerstaat
nennen sowie Fördergebiet)?

21. Setzt sich die Bundesregierung für ein Verbot von neuen Ölbohrungen in der
Arktis ein (bitte begründen)?

22. Welche aktuellen Anlagen bzw. Planungen zum Bau von Atomkraftwerken
(schwimmend bzw. an Land) in arktischen Gebieten sind der Bundesregie-
rung bekannt?

23. Welche Risikoquellen für die Umwelt in Arktisgebieten existieren bzw. ent-
wickeln sich durch eine zunehmende wirtschaftliche Nutzung nach Auffas-
sung der Bundesregierung?

24. Mit wie vielen Schiffspassagen über die Nordost- bzw. die Nordwestpas-
sage rechnet die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 jährlich (bitte Routen
und Tankschiffe getrennt ausweisen)?

25. Welche besonderen Sicherheitsrisiken sind der Bundesregierung bei Passa-
gen von Kreuzfahrtschiffen bzw. sonstigen Passagierschiffen in arktischen
Gewässern bekannt, und welche Vorkehrungen werden nach Kenntnis der
Bundesregierung dagegen getroffen?

26. a) Wie viele eisgängige Schiffe befinden sich nach Kenntnis der Bundes-
regierung in deutschem Eigentum bzw. unter deutscher Flagge?

b) Wie viele eisgängige Schiffe befinden sich in den Flotten der Anrainer-
staaten der Arktis nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Flag-
genstaat sowie Eigentumsstaat aufführen)?

Drucksache 18/4476 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen von Schiffs-
neubauten für eisgängige Schiffe der Flotte der Bundesministerien, LNG
(LNG – Liquefied natural gas; Flüssigerdgas) als Schiffstreibstoff zu be-
rücksichtigen?

d) Durch welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, im Rah-
men von Schiffsneubauten bzw. Umrüstungen von eisgängigen Schiffen
der Flotte der Bundesministerien, die Schiffsemissionen (etwa durch
Einbau von Filtern bzw. Katalysatoren) zu senken?

27. a) Ist der Bundesregierung das Problem bekannt, dass weite Gebiete der
arktischen Schiffspassagen (Nordwest- bzw. Nordostpassage) nicht ver-
messen und keine flächendeckenden Daten zur Wassertiefe verfügbar
sind (www.arte.tv vom 6. Januar 2015 „Das letzte Eldorado“; bitte be-
gründen)?

b) Welche weiteren nautischen Probleme sind in den arktischen Schiff-
fahrtspassagen nach Kenntnis der Bundesregierung gegeben?

c) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Planungen, die Schifffahrts-
routen für die Seekartierung zu vermessen?
Wenn ja, bis wann sollen diese abgeschlossen sein, und wenn nein, wa-
rum nicht (bitte die jeweils betroffenen Anrainerstaaten nennen)?

d) Für welchen maximalen Schiffstiefgang ist aktuell die Nordost- bzw. die
Nordwestpassage nach Kenntnis der Bundesregierung ausgelegt?

28. a) Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung in arktischen Gewäs-
sern eine Ölbeseitigung bzw. Ölbekämpfung, etwa bei Schiffsunfällen
oder Unfällen bei Ölbohrungen, sichergestellt werden?

b) Welche Versorgungshäfen sind nach Kenntnis der Bundesregierung für
die in Frage 28a genannten Vorfälle hinsichtlich Rettungs-, Bergungs-
und Schutzmaßnahmen vorbereitet bzw. für solche Vorfälle auf hoher
See ausgestattet (etwa nach Erfahrungen des Ölunglücks Exxon Valdez)?

29. a) Welche Vorteile bietet der im Jahr 2014 beschlossene IMO-Polar-Code
nach Auffassung der Bundesregierung für die Umwelt bzw. für die See-
schifffahrt?

b) Welchen Geltungsbereich (geographische bzw. politische Gebiete, Wirt-
schaftsbereiche) und welchen Status hat der IMO-Polar-Code nach
Kenntnis der Bundesregierung, und ab wann tritt er in Kraft?

c) Welche Teile des Polar-Codes werden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung verpflichtend sein, und welche werden freiwillig?

d) Welche weiteren internationalen Regelungen werden nach Kenntnis der
Bundesregierung im Zuge des Polar-Codes angepasst (SOLAS und wei-
tere)?

e) Welche weiteren Regelungen zur Schifffahrt in arktischen Gewässern
gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung?

f) Können nach Auffassung der Bundesregierung durch den IMO-Polar-
Code zukünftige ökologische Probleme und Risiken vermieden bzw. ver-
ringert werden?
Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

g) Sind der Bundesregierung weitere Planungen zur Änderung bzw. Ergän-
zung des IMO-Polar-Codes bekannt?
Wenn ja, welche und inwieweit unterstützt sie diese (bitte jeweilige Zeit-
pläne und Inkrafttreten benennen, sofern bekannt)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4476
30. a) Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Ballastwasserpro-
blematik im neuen IMO-Polar-Code berücksichtigt?

b) Inwieweit findet nach Kenntnis der Bundesregierung ein Verbot von
Schweröl im neuen IMO-Polar-Code Berücksichtigung, bzw. inwie-
weit ist ein solches Vorhaben geplant (bitte auch mögliche Emissions-
beschränkungen nennen)?

Berlin, den 25. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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