BT-Drucksache 18/4465

Bürgerbeteiligung und Erdverkabelung beim Stromnetzausbau

Vom 25. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4465
18. Wahlperiode 25.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock,
Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen),
Steffi Lemke, Peter Meiwald und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bürgerbeteiligung und Erdverkabelung beim Stromnetzausbau

Die Bundesregierung hat sich das gesetzliche Ziel gesetzt, den Anteil der erneu-
erbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 Pro-
zent und auf 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035 zu erhöhen. Dazu muss die Netz-
infrastruktur fit gemacht werden für die dezentrale Einspeisung teils stark
schwankender erneuerbarer Stromquellen sowie für die effiziente und weiträu-
mige Übertragung von Windstrom aus dem Norden in die Verbrauchshochbur-
gen in Süd- und Westdeutschland und in Zeiten, in denen der Wind nicht weht,
aber die Sonne scheint, die Übertragung von Fotovoltaik-Strom aus dem Süden
Deutschlands in den Norden. Insbesondere die verbrauchsstarken Regionen
werden zunehmend auf Windstrom aus dem Norden angewiesen sein. Dies führt
zu einem besonderen Ausbaubedarf des Hoch- und Höchstspannungsnetzes.
Diesem Bedarf soll das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) Rechnung tragen.
Von den hier vorgesehenen Höchstspannungsleitungen (Korridor A, C und D)
fühlen sich viele Bürgerinnen und Bürger sehr betroffen. Das Verfahren zum
Stromnetzausbau ist in vielerlei Hinsicht sehr komplex, was dazu führt, dass das
Informationsbedürfnis bei den Betroffenen zunimmt.
Das Leitungsausbauverfahren im Höchstspannungsübertragungsbereich befin-
det sich derzeit noch am Anfang, für die Höchstspannungsübertragungsleitung
von Osterrath–Philippsburg (Korridor A des BBPlG) hat der zuständige Über-
tragungsnetzbetreiber Amprion GmbH für den ersten von fünf Genehmigungs-
abschnitten (Südhessen) die Bundesfachplanung zur Festlegung des Trassenver-
laufs beantragt, für die Höchstspannungsübertragungsleitung SuedLink (Korri-
dor C des BBPlG) hat der zuständige Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO
GmbH im Dezember 2014 den Antrag auf Bundesfachplanung für die erste, aber
wesentliche SuedLink-Verbindung Wilster–Grafenrheinfeld bei der Bundes-
netzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
eingereicht.
Im Vorfeld dieses Verwaltungsverfahrens und auch noch derzeit werden von den
Übertragungsnetzbetreibern zu den beschriebenen Vorhaben des BBPlG Bürge-
rinformationsveranstaltungen durchgeführt. Die Netzbetreiber informieren auch
auf ihren Internetseiten in unterschiedlicher Form über die Vorhaben.
Den gesteigerten Informationsbedarf hat auch die Bundesregierung erkannt und
angekündigt, dass es auch ihre und Aufgabe der Bundesnetzagentur sei, Maß-
nahmen zur Bürgerinformation zu ergreifen.
Aus dieser Ankündigung ergeben sich aber diverse, noch ungeklärte Fragen.

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Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung sind nach Ansicht der Fragesteller
zentral bei der Frage nach Akzeptanz für den Leitungsausbau. Nicht minder
zentral ist aber auch die Frage nach dem „Wie“ des Leitungsausbaus. Die Frage-
steller sind der Meinung, dass der Ausbau nur der Energiewende dienen und so
natur- und bürgerfreundlich wie möglich erfolgen darf.
Eine Möglichkeit, den Leitungsausbau natur- und bürgerfreundlich zu gestalten,
ist dabei die Erdverkabelung der Höchstspannungsleitungen. Diese kann in sen-
siblen Regionen maßgeblich zur Akzeptanz des Leitungsausbaus beitragen.
Das BBPlG ermöglicht die Erdverkabelung dieser Leitungen grundsätzlich. Vor-
liegen müssen jedoch die Voraussetzungen für die Erdverkabelung, die im Ener-
gieleitungsausbaugesetz (EnLAG) näher geregelt sind.
Die Bundesregierung hat kürzlich einen Referentenentwurf zum Leitungsaus-
baurecht vorgestellt, in dem auch die gesetzlichen Regelungen zur Erdverkabe-
lung teilweise neu gestaltet werden sollen. Unabhängig von diesem Entwurf
aber ergeben sich ungeklärte Fragen zur Erdverkabelung der Leitungen des
BBPlG und der Leitungen des EnLAG.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Aufgaben übernimmt die Bundesnetzagentur bei der Bür-

gerbeteiligung zum Stromnetzausbau (es wird um Abgrenzung zu der Rolle
der Netzbetreiber gebeten)?

2. Welche konkreten Aufgaben übernimmt die Bundesnetzagentur bei der Infor-
mation der Bürger zum Stromnetzausbau (es wird um Abgrenzung zu der
Rolle der Netzbetreiber gebeten)?

3. Wie viele Personalstellen befassen sich in der Bundesnetzagentur direkt mit
der Abwicklung der Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation im Zusam-
menhang mit der Netzentwicklungsplanung, und plant die Bundesregierung,
zusätzliche Stellen zu schaffen?

4. Welche Haushaltsmittel stehen im laufenden Jahr für die Abwicklung der
Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation im Zusammenhang mit der Netz-
entwicklungsplanung bereit, und soll dieser Haushaltsansatz künftig erhöht
werden?

5. Hat sich die Bundesnetzagentur bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im Pla-
nungsverfahren zu SuedLink beteiligt, und wenn ja, wie (es wird um Auflis-
tung der Aktivitäten gebeten)?

6. Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi) bisher zur Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation zu
den geplanten Hochspannungsübertragungsleitungen des BBPlG umgesetzt?

7. Ist eine Information der Bürger zu den geplanten Hochspannungsübertra-
gungsleitungen aus dem BBPlG durch das BMWi geplant (wenn ja, wird um
eine möglichst genaue Beschreibung des Konzeptes gebeten)?

8. Welche Informationen wurden von der Bundesregierung erstellt und veröf-
fentlicht, aus denen für die Bürger hervorgeht, wann sie in das Planungsver-
fahren einbezogen werden, wann sie sich äußern können und wann sie sich
spätestens geäußert haben müssen, damit ihre Stellungnahme noch in das Ver-
fahren einfließen kann?

9. Wie viel Zeit haben Bürgerinnen und Bürger bei der formellen Bürgerbetei-
ligung innerhalb des Bundesfachplanungsprozesses, bis sie ihre Stellung-
nahme abgegeben haben müssen?

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10. Haben bereits Bürgerbeteiligungsverfahren zu SuedLink stattgefunden, bei
denen die Bundesnetzagentur beteiligt war, und wenn ja, wann und zu wel-
chen Teilabschnitten?

11. Wie stellen sich die zeitlichen Abläufe der Netzplanung zu SuedLink dar (es
wird um eine zeitliche Auflistung aller Planungsschritte und bzw. oder eine
Darstellung anhand eines Zeitstrahls gebeten)?

12. Hält die Bundesregierung es für erforderlich, dass die Korridorführung und
die Entscheidung für einen Korridor aus den zur Verfügung gestellten Un-
terlagen für alle Beteiligten und Betroffenen ersichtlich werden?

13. Für wie groß schätzt die Bundesregierung den Zeitaufwand, um die ver-
öffentlichten Unterlagen im Fall des Teilabschnitts 1 für SuedLink Wilster–
Grafenrheinfeld zu sichten und zu bewerten, um eine qualifizierte Stellung-
nahme dazu abgeben zu können, und hält sie diesen Zeitaufwand für ange-
messen?

14. Wurden zusätzliche Informationen durch die Bundesnetzagentur oder durch
das BMWi zur Verfügung gestellt, die ein Nachvollziehen der Planung er-
leichtert haben?
Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

15. Bei welchen Projekten der im EnLAG und im BBPlG verankerten Leitungs-
ausbauten kam es bislang zu zeitlichen Verzögerungen, und welches waren
die jeweiligen Gründe dafür?

16. Welche Teilabschnitte der im EnLAG vorgesehenen Pilotstrecken für die
Erdverkabelung sind bislang tatsächlich als Erdkabel realisiert worden, und
auf wie viele Kilometer summieren sich diese Teilabschnitte?

17. Wie viele Anträge auf Erdverkabelung sind bei der Bundesnetzagentur bis-
her eingegangen, wie viele wurden positiv beschieden, wie viele wurden
abgelehnt, und aus welchen Gründen?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Gründe dazu geführt haben, dass
die für die Erdverkabelung freigegebene Pilotstrecke Lauchstädt–Redwitz
(Teil der EnLAG-Leitung Halle/Saale–Schweinfurt) zur Querung des
Rennsteigs nun doch nicht als Erdkabel, sondern als Freileitung errichtet
wird (www.focus.de vom 19. September 2014, „Kommunen fordern mehr
Informationen über Stromtrasse Suedlink“)?

19. Für den Fall, dass keine der Pilotstrecken bisher durch eine Erdverkabelung
realisiert wurde, wurde mit dem Bau einer Erdkabelstrecke begonnen, und
wenn ja, mit welcher (es wird um Benennung des konkreten Ortes bzw. der
konkreten Orte gebeten)?

20. Hat die Bundesregierung aus den Pilotvorhaben zur Erdverkabelung Er-
kenntnisse über die tatsächlichen Kosten gewinnen können, und wenn ja,
welche (es wird um Abgrenzung zu den Kosten einer alternativen Freilei-
tung gebeten)?

21. Hat die Bundesregierung aus den Pilotvorhaben zur Erdverkabelung Er-
kenntnisse über deren technische Sicherheit und Zuverlässigkeit gewinnen
können, und wenn ja, welche?

22. Hat die Bundesregierung aus den Pilotvorhaben zur Erdverkabelung Er-
kenntnisse über deren Akzeptanz und die Naturverträglichkeit gewinnen
können, und wenn ja, welche?

23. Gibt es weitere Erkenntnisse, die die Bundesregierung bislang aus den
Pilotvorhaben zur Erdverkabelung gezogen hat?

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24. Für den Fall, dass bisher keine Erkenntnisse zur Erdverkabelung gewonnen
werden konnten, welche Gründe gibt es dafür?

25. Für den Fall, dass bisher keine der Pilotstrecken als Erdverkabelung reali-
siert wurde, welche Gründe sieht die Bundesregierung hierfür?

26. Seit wann besteht die gesetzliche Möglichkeit, die Erdverkabelung in
Deutschland zu testen?

27. Hält die Bundesregierung es für erforderlich, weitere Maßnahmen zu er-
greifen, um Anreize dafür zu setzen, die Erdverkabelung zu erproben, um
Erkenntnisse über diese gewinnen zu können, und wenn nicht, warum
nicht?
Wenn ja, welche wären das?

28. Hält die Bundesregierung die derzeitige grundsätzliche Einschränkung der
Erdverkabelung auf Pilotstrecken für geeignet, die Akzeptanz für den Netz-
ausbau insbesondere in Regionen, durch die (künftig) Höchstspannungs-
übertragungsleitungen verlaufen, die keine Pilotstrecken sind, zu fördern?
Wenn ja, warum, und wenn nicht, welche Schlüsse zieht sie daraus?

29. Hält die Bundesregierung es für erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um
die Akzeptanz für den Netzausbau zu fördern?
Wenn nicht, warum nicht, und wenn ja, welche wären das, und unterschei-
den sich die Maßnahmen in Regionen, die vom Netzausbau betroffen sind
und in denen die Erdverkabelung nicht zugelassen ist, von denen, die vom
Netzausbau betroffen sind und in denen die Erdverkabelung zugelassen ist?

30. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dagegen, die Erd-
verkabelung grundsätzlich auf allen Strecken zu erlauben und die Entschei-
dung darüber, welche konkreten Leitungsabschnitte als Erdkabel und
welche als Freileitung errichtet werden, der Planungs- und Genehmigungs-
behörde zu überlassen?

31. Gibt es Gleichstromleitungen in Deutschland, die als Erdkabel bereits ver-
legt sind, und wenn ja, wo befinden sich diese?

32. Welche Praxiserfahrungen liegen der Bundesregierung zu der Stromüber-
tragung im Höchstspannungsgleichstrombereich vor?

33. Sind Höchstspannungsgleichstromleitungen in Deutschland bereits reali-
siert, und wenn ja, um welche Leitungen handelt es sich (es wird um Benen-
nung des Anfangs- und des Endpunktes gebeten)?

34. Wie kommt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass es sich bei der
Höchstspannungsgleichstromübertragung mittels Freileitungen in Abgren-
zung zur Erdverkabelung um die geeignetere Alternative handelt?

35. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse zu dem Einsatz von Hochtempera-
turleitern bei der Stromübertragung, und um welche handelt es sich?

36. Hält die Bundesregierung den Einsatz von Hochtemperaturleitern für eine
geeignete Alternative für die Höchstspannungsgleichstromübertragung?

37. Ist der Einsatz von Hochtemperaturleitern grundsätzlich gesetzlich zuläs-
sig, und wenn nicht, sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

Berlin, den 25. März 2015

Katrin Göring Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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