BT-Drucksache 18/4415

Erkenntnisse von Bundesbehörden zu einer als Neoschutzstaffel bezeichneten neonazistischen Gruppierung

Vom 24. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4415
18. Wahlperiode 24.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Petra Pau, Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen,
Kersten Steinke, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse von Bundesbehörden zu einer als Neoschutzstaffel
bezeichneten neonazistischen Gruppierung

Im Zusammenhang mit dem Mord an der thüringischen Polizistin Michèle
Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen M. A. im April 2007 in
Heilbronn durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) meldete sich
laut Medienangaben auch F. H., ein junger Aussteiger aus der Neonaziszene,
beim Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg. Er hatte laut Medien-
berichten und Aussagen seiner Familienangehörigen darauf hingewiesen, dass
in Baden-Württemberg eine neonazistische Gruppierung mit der Bezeichnung
„Neoschutzstaffel“ (NSS) aktiv sei, die sich am Vorbild des NSU orientiert habe
und sich in Öhringen auch mit Mitgliedern des NSU getroffen hätte. Die so ge-
nannte NSS sei auch in den Mord an Michèle Kiesewetter verwickelt (vgl. ZEIT
ONLINE vom 14. März 2015, „NSU-Ermittler verfolgen Hinweis auf Neo-
schutzstaffel“, www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/nsu-michele-
kiesewetter-mord-polizistin-rechtsextremismus). F. H. starb unter nicht voll-
ständig geklärten Umständen am 13. September 2013 als sein Auto in Flammen
aufging, wenige Stunden bevor er erneut beim LKA Baden-Württemberg als
Zeuge vernommen werden sollte. Nach der Aussage des Vaters von F. H. vor
dem Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus/NSU des Baden-Württember-
gischen Landtags berichteten u. a. die „STUTTGARTER ZEITUNG“ und
„SWR Aktuell“, dass es sich bei der Kontaktperson von F. H. aus der NSS um
einen Bundeswehrsoldaten namens M. K. aus Neuenstein im Hohenlohekreis
handele. Dessen Vater sei ein Sozialarbeiter mit einem Büro im Untergeschoss
des „Hauses der Jugend“ in Öhringen. Laut Angaben von F. H. soll sich im
„Haus der Jugend“ die NSS einmal mit dem NSU getroffen haben. Der
Ausschussvorsitzende des Untersuchungsausschusses im Stuttgarter Landtag,
Wolfgang Drexler (SPD), erklärte am Rande des SPD-Parteitags in Singen am
14. März 2015, F. H. habe nach neuen Erkenntnissen mit seiner Aussage bisher
Recht gehabt (vgl. u. a. „Die Neoschutzstaffel und der Fall Kiesewetter“, SWR-
Landesschau vom 13. März 2015, www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/nsu-
untersuchungsausschuss-was-wusste-florian-h/-/id=1622/did=15219438/nid=
1622/b9yc8s/). Gegenüber den Medien und den parlamentarischen Unter-
suchungsausschüssen hatten bislang sowohl das LKA Baden-Württemberg als
auch Bundesbehörden wie die Generalbundesanwaltschaft erklärt, es gäbe keine
„Neoschutzstaffel“ und auch keinen Zusammenhang mit dem Mord an Michèle
Kiesewetter. In den Jahresberichten von 2007 bis 2012 des Bundesamtes für
Verfassungsschutz (BfV) wird in der Rubrik Rechtsextremismus eine „Neo-
schutzstaffel“ nicht genannt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) und der
Militärische Abschirmdienst haben bislang gegenüber der Öffentlichkeit keine
Informationen über die Existenz oder Aktivitäten einer neonazistischen Grup-

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pierung namens „Neoschutzstaffel“ bekannt gegeben. In Baden-Württemberg
sind in den Jahren von 2000 bis 2011 allerdings immer wieder neonazistische
Gruppierungen mit Plänen zu gewaltsamen Aktionen aufgefallen, wie zum
Beispiel die „Standarte Baden-Württemberg“, die u. a. im Kreis Backnang aktiv
war und im Juli 2011 vom Innenminister des Landes Baden-Württemberg ver-
boten wurde. Ziel der „Standarte Württemberg“ war es, „Ausländer aus Deutsch-
land zu vertreiben“ (vgl. stern online vom 27. Juli 2011, „Schlag gegen Rechts-
extremisten in Baden-Württemberg“, www.stern.de/politik/ausland/standarte-
wuerttemberg-schlag-gegen-rechtsextremisten-in-baden-wuerttemberg-
1710577.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat das BfV seit wann

über die Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten
neonazistischen Gruppierung, und auf welchem Wege gelangte das BfV
wann zu diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und Informations-
weg, wie z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitungen und Inter-
netseiten, Ermittlungsakten, Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechts-
extremismus (GAR) usw. aufschlüsseln)?

2. Welche Erkenntnisse hat der Militärische Abschirmdienst seit wann über die
Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazis-
tischen Gruppierung, und auf welchen Wegen gelangte der Militärische Ab-
schirmdienst wann zu diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und
Informationsweg, wie z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitun-
gen und Internetseiten, Ermittlungsakten, GAR usw. aufschlüsseln)?

3. Welche Erkenntnisse hat das BKA seit wann über die Existenz und Aktivitä-
ten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung,
und auf welchen Wegen gelangte das BKA wann zu diesen Erkenntnissen
(bitte nach Monat und Jahr und Informationsweg, wie z. B. Auswertung von
Medien, rechtsextremen Zeitungen und Internetseiten, Ermittlungsakten,
GAR usw. aufschlüsseln)?

4. Welche Erkenntnisse hat der Generalbundesanwalt (GBA) seit wann über die
Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazis-
tischen Gruppierung, und auf welchen Wegen gelangte der GBA wann zu
diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und Informationsweg, wie
z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitungen und Internetseiten,
Ermittlungsakten, GAR usw. aufschlüsseln)?

5. Wie viele Quellenmeldungen hat das BfV vom Landesamt für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg wann zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer
als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung erhalten
(bitte Zahlen nach Monat und Jahr aufschlüsseln)?

6. Wie viele Quellenmeldungen hat das BfV von Landesämtern für Verfas-
sungsschutz wann zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutz-
staffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung erhalten (bitte nach den
jeweiligen Landesämtern und nach Monat und Jahr aufschlüsseln)?

7. Wie viele Quellenmeldungen von eigenen Quellen liegen dem BfV zur Exis-
tenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neo-
nazistischen Gruppierung vor?

8. Wie viele Quellenmeldungen von eigenen Quellen liegen dem Militärischen
Abschirmdienst zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutz-
staffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung vor?

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9. Wie viele Quellenmeldungen hat das BfV vom Militärischen Abschirm-
dienst wann zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaf-
fel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung erhalten (bitte Zahlen nach
Monat und Jahr aufschlüsseln)?

10. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, in wie vie-
len Straf- und Ermittlungsverfahren eine als „Neoschutzstaffel“ bezeich-
nete neonazistische Gruppierung aktenkundig geworden ist und von wel-
chen Landes- bzw. Bundesbehörden diese Straf- bzw. Ermittlungsverfahren
geführt wurden bzw. werden (bitte nach Bundes- bzw. Landesermittlungs-
behörden aufschlüsseln)?

11. Wenn ja, durch welches Dokument, welche Zeugen bzw. welche Behörde
sind die Existenz bzw. die Aktivitäten einer neonazistischen Gruppierung
mit der Bezeichnung „Neoschutzstaffel“ aktenkundig geworden (bitte nach
Landes- bzw. Bundesbehörde aufschlüsseln)?

12. Wie viele Aktenvorgänge existieren beim Militärischen Abschirmdienst zur
Existenz und/oder zu Aktivitäten einer „Neoschutzstaffel“?

13. Welche Erkenntnisse zu personellen Überschneidungen zwischen der
„Standarte Württemberg“ und einer neonazistischen Gruppierung namens
„Neoschutzstaffel“ liegen dem BKA vor?

14. Welche Erkenntnisse zu personellen Überschneidungen zwischen der
„Standarte Württemberg“ und einer neonazistischen Gruppierung namens
„Neoschutzstaffel“ liegen dem Generalbundesanwalt vor?

15. Welche Erkenntnisse zu personellen Überschneidungen zwischen der
„Standarte Württemberg“ und einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten
Gruppierung liegen dem BfV vor?

16. Inwieweit lagen und liegen dem BfV und den Verfassungsschutzämtern der
Länder, dem Militärischen Abschirmdienst und/oder den Strafverfolgungs-
behörden Informationen oder Erkenntnisse über den Bundeswehrangehören
und mutmaßlichen Angehörigen einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten
neonazistischen Gruppierung, M. K., vor (bitte unter Angabe möglicher
organisatorischer Bezüge des M. K. in der extremen Rechten, einschlägige
Ermittlungs- und Strafverfahren, Kontakte zum NSU-Unterstützerkreis und
unter Nennung des Zeitraums, seit dem diese Informationen bzw. Erkennt-
nisse bei den Behörden vorliegen)?

17. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Existenz neo-
nazistischer Gruppierungen in Baden-Württemberg in den Jahren von 2006
bis 2013 vor (bitte Namen der Gruppierungen nennen sowie Anzahl der
Mitglieder bzw. Aktivisten, Anzahl von Strafverfahren, die den jeweiligen
Gruppen bzw. ihren Aktivisten zugeordnet werden und unter Zuordnung
von Landkreisen, in denen die Gruppierungen aktiv waren bzw. sind, ange-
ben)?

Berlin, den 23. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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