BT-Drucksache 18/4414

Personelle Überschneidungen in Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen und Analysen zum Oktoberfestattentat und dem NSU-Komplex

Vom 24. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4414
18. Wahlperiode 24.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Petra Pau, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Personelle Überschneidungen in Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen
und Analysen zum Oktoberfestattentat und dem NSU-Komplex

In einer bemerkenswerten Übersicht beschäftigte sich der Bayerische Rundfunk
mit Parallelen zwischen dem rechtsterroristischen Oktoberfestattentat und den
Mordtaten des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU; vgl.
„Oktoberfestattentat und NSU: Der Rechte Terror, der keiner sein durfte“,
Bayerischer Rundfunk vom 31. Januar 2015, www.br.de/nachrichten/
rechtsextremismus/oktoberfestattentat-nsu-gemeinsamkeiten-100.html). Vor
dem Hintergrund offenkundiger Parallelen insbesondere in der Behandlung von
Asservaten und Akten, verkürzten Ermittlungsansätzen, Verengung der Ermitt-
lungen aufgrund der so genannten Einzeltätertheorie und unzureichenden Ana-
lysen in Bezug auf die ideologischen Hintergründe und die Praxis von neonazis-
tischen Terrornetzwerken und -gruppen stellt sich die Frage nach personellen
Überschneidungen in den zuständigen Ermittlungsbehörden und bei den zustän-
digen Verfassungsschutzbehörden. Weiterhin muss vorausgesetzt werden, dass
Polizeibeamtinnen und -beamte in Thüringen und Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) von Thüringen auch aus dem
bayerischen Landeskriminalamt bzw. dem LfV Bayern rekrutiert wurden. Es ist
daher nicht auszuschließen, dass Beamtinnen und Beamte, die in bayerischen
Strafverfolgungsbehörden und im bayerischen LfV dienstlich mit Vorgängen
rund um das Oktoberfestattentat und die Wehrsportgruppe Hoffmann befasst
waren, später dienstlich mit den fünf Morden des NSU in Bayern oder aber in
Thüringen bei den Ermittlungen in der neonazistischen Szene rund um den Thü-
ringer Heimatschutz eingesetzt waren. Eine enge Zusammenarbeit des bayeri-
schen und des thüringischen LfV erfolgte auch im Kontext der so genannten
Operation Rennsteig, mit der in den 90er-Jahren Neonazis, die in Thüringen ak-
tiv waren, als V-Leute vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rekrutiert
und Informationen über Verflechtungen zwischen der thüringisch-bayerischen
Neonaziszene zwischen dem BfV sowie dem LfV Bayern und dem LfV Thü-
ringen geworben wurden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14600). Karl-Heinz
Hoffmann, der ehemalige Gründer und Anführer der Wehrsportgruppe Hoffmann,
in der auch der einzige bislang bekannte Oktoberfestattentäter Gundolf Köhler
aktiv war, lebte in den 90er-Jahren zeitweise in der thüringischen Kleinstadt
Kahla bei Jena (vgl. Andrea Röpke/Berny Vogl, „Rechte Glücksritter in Ost-
deutschland“ in Antifaschistisches Infoblatt Nr. 2/2003, www.antifainfoblatt.de/
artikel/rechte-gl%C3%BCcksritter-ostdeutschland). Tino Brandt, der lang-
jährige neonazistische V-Mann des Thüringer LfV, hatte in Kahla ein Grund-
stück gepachtet, auf dem sich regelmäßig Aktivisten des Thüringer Heimat-
schutzes trafen (vgl. Frank Jansen „Gefährliches Doppelspiel des Tino Brandt“,

Drucksache 18/4414 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
DER TAGESSPIEGEL vom 24. September 2014, www.tagesspiegel.de/politik/
nsu-prozess-gefaehrliches-doppelspiel-des-tino-brandt/10748744.html).
In beiden Rechtsterrorismuskomplexen, die zu den schwerwiegendsten in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zählen, führt und führte der Gene-
ralbundesanwalt die Ermittlungen und ist als Ermittlungsführer daher auch für
Fragen personeller Kontinuitäten bzw. Überschneidungen zuständig.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welchen Fällen es zu Ermittlungs-

verfahren bzw. Disziplinarverfahren gegen Beamtinnen und Beamte bzw.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizeibehörden und Verfassungs-
schutzämter des Bundes wie der Länder kam, die sowohl dienstlich mit
Ermittlungen und Analysen zum Oktoberfestattentat und später zum NSU
betraut waren (bitte nach Art der Behörde, dienstlicher Verwendung, Jahr und
Art des Ermittlungsverfahrens bzw. Disziplinarverfahrens, Vorwürfen im
Rahmen der Verfahren auflisten)?

2. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Beamte des LfV bzw. der Polizeibehör-
den Bayerns in verantwortlicher Stellung mit Analysen und/oder Ermittlun-
gen zum Oktoberfestattentat befasst waren und später im Rahmen der SOKO
Bosporus bei den Ermittlungen zu den damals so genannten Ceska-Morden
in Nürnberg und München bzw. im LfV Bayern zum Thema Rechtsterror
bzw. NSU eingesetzt waren?

3. Wenn der Bundesregierung dies bekannt ist, um welche Dienststellung in den
Behörden handelt es sich jeweils, und welche Aufgaben fielen den Beamtin-
nen und Beamten jeweils zu?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, ob ehemalige Beamtinnen und Beamte des
Landeskriminalamts (LKA) Bayern, die mit Ermittlungen zum Oktoberfest-
attentat befasst waren, später im Thüringer LKA mit Ermittlungen zum Thü-
ringer Heimatschutz beschäftigt waren?
Wenn ja, um welche Dienststellung im LKA Bayern und LKA Thüringen
handelte es sich jeweils, und welche Aufgaben fielen den Beamtinnen und
Beamten in den jeweiligen Ermittlungen zu?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und welche Arbeitskontakte zwischen
dem BfV sowie dem LfV Bayern und dem LfV Thüringen zur Person des
Anführers der Wehrsportgruppe Hoffmann, Karl-Heinz Hoffmann, existier-
ten, der ab dem Jahr 1990 zeitweise auch in Thüringen in Kahla aktiv war?

6. Wenn der Bundesregierung dies bekannt ist, in welchen Jahren, unter wessen
Federführung und mit welcher Zielstellung erfolgte die Zusammenarbeit des
BfV mit dem LfV Thüringen und dem LfV Bayern?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob Beamte, die beim LKA Bayern
und/oder bei dem LfV Bayern bei den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat
eingesetzt waren, später beim Bundeskriminalamt (BKA) oder BfV beschäf-
tigt waren?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob Beamte, die beim LKA Bayern
und/oder bei dem LfV Bayern bei den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat
eingesetzt waren, später bei den Ermittlungen zur Ceska-Mordserie beteiligt
waren (bitte unter Angabe der jeweiligen Behörde)?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob Beamte, die beim LKA Bayern
und/oder bei dem LfV Bayern bei den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat
eingesetzt waren, ab Januar 1998 an den Ermittlungen bzw. der Suche zu
Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe beteiligt waren (bitte
unter Angabe der jeweiligen Behörde)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4414
10. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung Beamtinnen und Be-
amte bayerischer Behörden, die in den Ermittlungen im Zusammenhang mit
dem Oktoberfestattentat dahingehend in Medienberichten (vgl. Bayerischer
Rundfunk vom 31. Januar 2015, Vorbemerkung der Fragesteller) charakte-
risiert werden, dass sie Einfluss auf das LKA Bayern genommen hätten, an
der „Einzeltäterthese“ festzuhalten, später dienst- bzw. fachaufsichtlich
dem LKA bei den Ermittlungen der Morde in München und Nürnberg im
Rahmen der so genannten Ceska-Mordserie in Bayern vorgesetzt gewesen?

Berlin, den 23. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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