BT-Drucksache 18/4376

Sachstand bei der Verringerung von Straßenverkehrslärm

Vom 18. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4376
18. Wahlperiode 18.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Oliver Krischer,
Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms, Tabea Rößner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sachstand bei der Verringerung von Straßenverkehrslärm

Die Europäische Kommission schätzte die durch Verkehrslärm verursachten
Kosten – etwa für Gesundheitsaufwendungen – schon im Jahr 2012 auf rund
40 Mrd. Euro pro Jahr. Jeder vierte Europäer ist gesundheitsschädlichem Ver-
kehrslärm ausgesetzt. Der Straßenlärm stellt demnach die dominierende Lärm-
ursache dar (Handelsblatt, 27. Januar 2015). In Deutschland fühlen sich 54 Pro-
zent der Bevölkerung vom Straßenverkehrslärm gestört oder belästigt. Das ist
mehr als beim Schienen- oder Fluglärm. Auch sind viele Menschen gegenüber
negativen Umwelteinwirkungen generell und insbesondere im Hinblick auf
Lärm deutlich sensibler geworden. Dem Schutz der Menschen vor Verkehrslärm
ist daher eine größere Aufmerksamkeit entgegenzubringen als bisher. Ein beson-
deres Problem stellen Motorräder dar. Die bisherigen Lärmschutzvorgaben grei-
fen hier nicht und sind schwer zu überwachen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der
Motorräder deutlich an und offenbar haben sich auch die Erwartungen vieler
Motorradkäufer an ihre Maschine gewandelt: „Heute fühlen sich die Kunden als
‚Streetfighter‘ mit entsprechendem Soundbedürfnis“ wird etwa ein Motorrad-
hersteller zitiert (WELT am SONNTAG vom 5. Oktober 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie weit ist die Bundesregierung mit der Umsetzung ihres Versprechens im

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, in dem es heißt „Wir wol-
len im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe die straßenverkehrsrecht-
lichen Regelungen überprüfen, um die Belastungen der Bevölkerung im
Sinne eines Miteinanders von Mensch und Verkehr zu vermindern“, wie oft
hat sich die Arbeitsgruppe getroffen, und welche Ergebnisse wurden dabei er-
zielt?

2. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Versprechen im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, in dem es heißt „Wir
werden deshalb den Schutz vor Verkehrslärm deutlich verbessern und Rege-
lungen für verkehrsträgerübergreifenden Lärmschutz an Bundesfernstraßen
und Bundesschienenwegen treffen. Der Gesamtlärm von Straße und Schiene
muss als Grundlage für Lärmschutzmaßnahmen herangezogen werden“, und
was unternimmt die Bundesregierung, um dieses umzusetzen?

Drucksache 18/4376 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Versprechen im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, in dem es heißt „Das frei-
willige Lärmsanierungsprogramm für Bestandsstrecken wird ausgebaut und
rechtlich abgesichert“, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses
umzusetzen?

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Versprechen im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, in dem es heißt „Der
Stand der Technik zur Geräuschminderung muss konsequenter in die Praxis
eingeführt werden“, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses
umzusetzen?

5. Wird der Bund interessierten Bundesländern wie Baden-Württemberg Mo-
dellversuche für die Ausweisung von Tempo 120 auf ausgewählten Auto-
bahnabschnitten ermöglichen, um unter wissenschaftlicher Begleitung die
Auswirkungen auf Lärm- und Verkehrssicherheitsaspekte zu erforschen,
und wann hat nach Kenntnis der Bundesregierung letztmalig ein wissen-
schaftlich begleiteter Versuch auf einer ausreichend langen Strecke über ei-
nen Zeitraum von mindestens zwei Jahren stattgefunden?

6. Welche Geschwindigkeiten (Durchschnittsgeschwindigkeit wie auch Anteil
der „Ausreißer“) werden der Lärmberechnung an Autobahnen zugrunde ge-
legt, und entsprechen diese Geschwindigkeitsannahmen nach Kenntnis der
Bundesregierung den real gefahrenen Geschwindigkeiten?
Wenn ja, woher hat die Bundesregierung diese Erkenntnis gewonnen?
Wenn nein, was wird die Bundesregierung ändern, um zu realistischen Ge-
schwindigkeitsannahmen zu kommen?

7. Wird die Bundesregierung den Kommunen einen größeren Entscheidungs-
spielraum bei der Ausweisung von Tempo 30 innerhalb geschlossener Ort-
schaften verlaufenden Abschnitten von Bundesstraßen einräumen?
Wenn nein, wie lässt sich dies aus Sicht der Bundesregierung mit dem Sub-
sidiaritätsprinzip vereinbaren, und auf welche andere Weise soll der Belas-
tung durch gesundheitsschädliche Lärmbelastungen in Ortsdurchfahrten be-
gegnet werden?

8. Welche Versuche mit „Flüsterasphalt“ sind der Bundesregierung bekannt
(bitte tabellarisch mit Versuchszeiträumen, jeweils zulässigen Höchstge-
schwindigkeiten, Ergebnissen bei der Lärmminderung, Lebensdauer des
Belages und Mehrkosten gegenüber herkömmlichen Fahrbahnbelagen an-
geben)?

9. Aus welchem Grund wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die im Jahr
2010 vorgenommene Absenkung der Grenzwerte für bauliche Lärmsanie-
rung nicht im Bereich des Verkehrsrechts vollzogen, sodass die Orientie-
rungswerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV nun deutlich über den Werten
für bauliche Maßnahme liegen?

10. Von welchem Ausgangswert bzw. -niveau soll nach dem Nationalen Ver-
kehrslärmschutzpaket II der Straßenverkehrslärm bis zum Jahr 2020 im Ver-
gleich zum Jahr 2008 um 30 Prozent reduziert werden, und wie wird die
Zielerreichung gemessen, geprüft und dokumentiert?

11. Welche Fortschritte sind aus Sicht der Bundesregierung seit Verabschiedung
des Verkehrslärmschutzpakets II bei den Geräuschgrenzwerten für Kraft-
fahrzeuge, den Geräuschgrenzwerten für Reifen und der Überwachung des
Geräuschverhaltens von Motorrädern erreicht worden?

12. Konnten die im Verkehrslärmschutzpaket II abgesteckten Ziele in den drei
Handlungsfeldern erreicht werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4376
Wenn nein, warum nicht, und wie und bis wann will die Bundesregierung
ihre Ziele erreichen?

13. Welche Gesetzesinitiativen oder Anpassungen von Verordnungen plant die
Bundesregierung in der 18. Wahlperiode, um die Ziele des Verkehrslärm-
schutzpakets II in Bezug auf den Straßenverkehrslärm zu erreichen?

Motorradlärm
14. Wie bewertet die Bundesregierung Lärmbelästigungen durch Motorradver-

kehr, und welche Entwicklungen sieht sie hierbei angesichts einer Zunahme
auf inzwischen über vier Millionen Krafträdern (www.kba.de/SharedDocs/
Publikationen/DE/Statistik/Fahrzeuge/FZ/2014/fz21_2014_pdf.pdf?_blob=
publicationFile&v=3)?

15. In welchen Regionen Deutschlands sieht die Bundesregierung besondere
Lärmprobleme durch Motorradverkehr für Anwohnerinnen und Anwohner
sowie für den Tourismus?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die im Jahr 2016 in Kraft tretende neue
Europäische Verordnung für die Durchführung von Lärmtests (Ausweitung
des zugrunde gelegten Geschwindigkeitskorridors von bisher 50 bis 80 km/h
auf 20 bis 80 km/h), und wie soll kontrolliert werden, dass Schalldämpfer-
einsätze tatsächlich nicht entfernt werden können bzw. entfernt wurden?

17. Ist die Bundesregierung weiterhin der Ansicht, dass die Regelungen bezüg-
lich des Inverkehrbringens zu lauter Ersatzschalldämpfer ausreichend sind
(siehe Bundestagsdrucksache 17/9380)?

18. Hält die Bundesregierung es für möglich, über die Veränderung der Typge-
nehmigung der entsprechenden Bauteile dafür zu sorgen, dass nur manipu-
lationssichere Schalldämpfer auf den Markt kommen?
Wenn nein, über welche Veränderungen bei der Marktüberwachung kann
gewährleistet werden, dass zu laute Ersatzschalldämpfer und Schalldämpfer
erst gar nicht in den Verkehr gebracht werden?

19. Welche Verbesserungen hat in diesem Zusammenhang die Überarbeitung
der UNECE-Regelung Nummer 41 (UNECE – United Nations Economic
Commission for Europe) und deren Übernahme in europäisches Recht ge-
bracht?

20. Hält die Bundesregierung es für nachvollziehbar, dass auf europäischer
Ebene der Geschwindigkeitskorridor für die Durchführung von Lärmtests
weiterhin auf 80 km/h begrenzt werden soll angesichts der Tatsache, dass
besonders belästigende Lärmentwicklungen häufig erst im höheren Ge-
schwindigkeitsbereich entstehen?

21. Hält die Bundesregierung die Reduzierung der EU-Grenzwerte für Motor-
räder um 2 bis 3 dB(A) bis zum 1. Januar 2017 (siehe Antwort der Bundes-
regierung auf die Schriftliche Frage 68 des Abgeordneten Matthias Gastel
auf Bundestagsdrucksache 18/2038) für ausreichend, und wenn nein, was
unternimmt sie konkret, um eine deutlich spürbare Absenkung der zulässi-
gen Lärmwerte zu erreichen?

Berlin, den 18. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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