BT-Drucksache 18/4232

Auswirkungen der Erleichterung von Räumungsklagen nach §§ 283a und 940a Absatz 3 der Zivilprozessordnung

Vom 3. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4232
18. Wahlperiode 03.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Caren Lay, Jan Korte, Dr. Dietmar Bartsch,
Heidrun Bluhm, Ulla Jelpke, Ralph Lenkert, Kerstin Kassner, Dr. Petra Sitte,
Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der Erleichterung von Räumungsklagen nach den §§ 283a
und 940a Absatz 3 der Zivilprozeßordnung

Mit dem Mietrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2013 (Gesetz über die ener-
getische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte
Durchsetzung von Räumungstiteln, Mietrechtsänderungsgesetz – MietRÄndG,
BGBl. I S. 434) wurden unter anderem die §§ 283a und 940a Absatz 3 der Zivil-
prozeßordnung (ZPO) neu eingeführt.
Der § 283a ZPO sieht vor, dass soweit eine Räumungsklage mit einer Zahlungs-
klage aus demselben Rechtsverhältnis verbunden wird, das Prozessgericht auf
Antrag des Klägers anordnet, dass der Beklagte wegen der Geldforderungen, die
nach Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden sind, Sicherheit zu leisten hat.
Dies soll nur gelten, wenn die Klage auf diese Forderungen hohe Aussicht auf
Erfolg hat und die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur
Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist. Durch den
§ 940a Absatz 3 ZPO wurde die Räumung von Wohnraum durch eine einstwei-
lige Verfügung ermöglicht, soweit die Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges
erhoben wurde und der Beklagte einer Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO
im Hauptsacheverfahren nicht Folge geleistet hat.
Die Regelung bedeutet für den Mieter, soweit er wegen Zahlungsverzuges auf
Räumung verklagt wird, dass er auf Antrag des Vermieters einen sogenannten
Sicherungsbetrag hinterlegen muss. Ist ihm dies nicht möglich oder möchte er
dies aus anderen Gründen nicht tun, kann durch die Neuregelung im einstweili-
gen Rechtsschutz, d. h. ohne dass im eigentlichen Verfahren über das Räumungs-
begehren bereits entschieden wurde, die Räumung durchgeführt werden. Nach
der Begründung im Gesetzentwurf (vgl. Bundestagsdrucksache 17/10485, S. 34)
soll die Sicherungsanordnung dem Schutz des Vermieters über die Dauer des
Räumungsverfahrens dienen. Deshalb, so der Gesetzentwurf, sei es in bestimm-
ten Situationen nötig, „den Mieter aus der Wohnung zu zwingen, bevor über
seine Räumungsklage in der Hauptsache entschieden ist“.
Die Regelung war seinerseits umstritten. So hieße es auf Bundestagsdrucksache
17/9559 zu Recht: „Bei der Räumung aufgrund einer einstweiligen Verfügung
besteht die große Gefahr, dass der Rechtsweg für betroffene Mieter verkürzt
wird. Das Resultat der Regelung wäre, dass es einen Räumungstitel gäbe, ohne
dass die vom Vermieter behaupteten Zahlungsansprüche geprüft und von einem
Gericht für begründet erklärt worden sind (…).“ In der Stellungnahme zur Öffent-
lichen Anhörung des Rechtsausschusses der 17. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages am 15. Oktober 2012 hat beispielsweise der Sachverständige Prof.

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Dr. Markus Artz die mit der Regelung vorgenommene Bevorzugung des Vermie-
ters gegenüber anderen Gläubigern des Schuldners als „nicht systemgerecht“ be-
zeichnet (www.webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=2921&id=
1223). Der Sachverständige Dr. Ulf Börstinghaus ging in seiner Stellungnahme
(www.webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=2921&id=1223) da-
von aus, dass die Regelung vor allem ALG-II-Empfänger betreffen werde und
formulierte: „Eine Räumung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist rechts-
staatlich mehr als bedenklich.“ Der Sachverständige ging davon aus, dass die
meisten Räumungsklagen sich gegen ALG-II-Beziehende richten und die
ARGE oder die Jobcenter die Beträge kaum hinterlegen oder Sicherheit leisten
werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In wie vielen Räumungsklagen, die mit einer Zahlungsklage verbunden

waren, wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ein Antrag auf Siche-
rungsanordnung nach § 283a ZPO durch den Vermieter gestellt (bitte nach
Bundesländern aufschlüsseln)?

2. In wie vielen Fällen der Frage 1 wurde nach Kenntnis der Bundesregierung
die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung durch das Gericht angeordnet
(bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

3. In wie vielen Fällen, in denen die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung an-
geordnet wurde, waren nach Kenntnis der Bundesregierung Transferleis-
tungsbeziehende betroffen (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

4. In wie vielen Fällen der Frage 1 wurde nach Kenntnis der Bundesregierung
die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung aus Gründen des § 283a Absatz 1
Nummer 2 ZPO, d. h. nach Abwägung der beiderseitigen Interessen, abge-
lehnt (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

5. Wie viele Wohnungsräumungen nach § 940a Absatz 3 ZPO und damit im
Rahmen einer einstweiligen Verfügung und vor Entscheidung im Haupt-
sacheverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttre-
ten des Mietrechtsänderungsgesetzes im Jahr 2013 beantragt (bitte nach
Bundesländern aufschlüsseln)?

6. Wie viele Wohnungsräumungen nach § 940a Absatz 3 ZPO wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Mietrechtsänderungs-
gesetzes durchgeführt (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

7. Wie viele Wohnungsräumungen nach § 940a Absatz 3 ZPO betrafen nach
Kenntnis der Bundesregierung Transferleistungsbeziehende (bitte nach Bun-
desländern aufschlüsseln)?

8. Wie viele Betroffene einer Räumung nach § 940a Absatz 3 ZPO wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Räumung obdachlos (bitte
nach Bundesländern aufschlüsseln)?

9. In wie vielen Fällen einer Räumung nach § 940a Absatz 3 ZPO hat sich nach
Kenntnis der Bundesregierung im Hauptsacheverfahren herausgestellt, dass
der Kläger bzw. die Klägerin nicht zur Räumung berechtigt war (bitte nach
Bundesländern aufschlüsseln)?

10. In wie vielen Fällen nach Frage 9 haben nach Kenntnis der Bundesregierung
die Beklagten ihren alten Wohnraum zurückerhalten (bitte nach Bundeslän-
dern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4232
11. Erwägt die Bundesregierung, die Regelungen der §§ 283a, 940a Absatz 3
ZPO wieder abzuschaffen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

12. Geht die Bundesregierung davon aus, dass soweit eine Beibehaltung der
Regelung der §§ 283a, 940a ZPO erwogen wird, eine gesetzliche Schadens-
ersatzleistung für die Fälle notwendig ist, in denen eine Räumung nicht
rechtmäßig war?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 2. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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