BT-Drucksache 18/41

Ermittlungs- und Strafverfahren gegen bundesdeutsche Neonazis durch österreichische Sicherheitsbehörden

Vom 8. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/41
18. Wahlperiode 08.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Ulla Jelpke, Petra Pau, Katrin Kunert,
Kersten Steinke, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Ermittlungs- und Strafverfahren gegen bundesdeutsche Neonazis durch
österreichische Sicherheitsbehörden

Seit Oktober 2013 muss sich eine Gruppe Neonazis vor dem Landgericht Wels
in Österreich u. a. wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verantwor-
ten. Der Gruppe, die dem Nazi-Netzwerk rund um den „Freizeit- und Kulturver-
ein Objekt 21“ entstammt, wird darüber hinaus die Bildung einer kriminellen
Bande, Körperverletzung, Brandstiftung, Erpressung, Drogenhandel und Förde-
rung der Prostitution vorgeworfen. Außerdem ist in der Anklage von illegalem
Waffenbesitz die Rede. Neben österreichischen Staatsbürgern wird auch gegen
deutsche Neonazis ermittelt. Drei Bundesbürger sind zwischenzeitlich in diesem
Zusammenhang verhaftet worden. A. P. wurde im November 2012 aufgrund
eines Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Wels in Gotha (Thüringen) in Haft
genommen. Dieser Festnahme folgten dann die Inhaftierungen von P. T. aus
Sachsen-Anhalt und S. M. ebenfalls aus Thüringen (vgl. Berliner Zeitung vom
22. Oktober 2013). Die „Berliner Zeitung“ spricht von einer „Nazi-Kamerad-
schaft mit engen Verbindungen nach Bayern und Thüringen“ und von „rund
30 Mitgliedern und etwa 200 Anhängern aus Österreich und Deutschland.“
(ebd.). Daraufhin deutet auch ein Artikel der Tageszeitung „ÖSTERREICH“ be-
reits vom 3. März 2013.
Die Waffenfunde – neben Maschinenpistolen und Faustfeuerwaffen wurden
auch zehn Kilo Sprengstoff gefunden – und die Verbindungen nach Deutschland
könnten auf ein verzweigtes Netzwerk mit rechtsterroristischem Charakter hin-
deuten. Darauf verweisen auch Durchsuchungsaktionen des Landeskriminal-
amtes (LKA)-Thüringen im August 2013 u. a. in Crawinkel und Ballstädt im
Landkreis Gotha, die sich u. a. gegen Mitglieder der „Hausgemeinschaft Jonas-
tal“ richteten, einem ähnlichen Projekt wie das „Objekt 21“ in Oberösterreich.
Der in Österreich angeklagte deutsche Staatsbürger S. M. gehört zur „Haus-
gemeinschaft Jonastal“. Weiter werden der bayerischen Neonazigruppe
„aktionsNSgruppen Passau“ und anderen Neonazis aus Bayern Kontakte zum
„Objekt 21“ nachgesagt (vgl. SPIEGEL ONLINE vom 30. August 2013).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Rolle der deutschen

Staatsbürger A. P., P. T. und S. M. im Rahmen des „Objekt 21“ bzw. im Zu-
sammenhang mit Straftaten in Österreich?

Drucksache 18/41 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Welche Erkenntnisse über die drei liegen der Bundesregierung generell vor,
und stehen deutsche Sicherheitsbehörden deshalb im Kontakt mit den öster-
reichischen Behörden?
Wenn ja, welche Behörden stehen seit wann miteinander in Kontakt?

2. Sind die drei inhaftierten bundesdeutschen Neonazis bereits in der Bundes-
republik Deutschland strafrechtlich in Erscheinung getreten?
Wenn ja, welche Straftaten wurden ihnen wann vorgeworfen, und welchen
Ausgang nahmen die jeweiligen Ermittlungen?

3. Inwieweit unterstützen die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden die Straf-
verfolgungsbehörden in Österreich z. B. durch Bereitstellung von Informa-
tionen und Unterlagen?

4. Inwieweit liegen den bundesdeutschen Behörden zu den verhafteten bun-
desdeutschen Neonazis Informationen aus Ermittlungsakten in Österreich
vor?

5. Beobachten die Bundesregierung bzw. deutsche Sicherheitsbehörden den
Prozess in Österreich, und sind die deutschen Behörden regelmäßig vor Ort
vertreten?

6. Sind der Bundesregierung weitere deutsche Staatsbürger bekannt, gegen die
im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen das „Objekt 21“ ermittelt
wird?
Wenn ja, welche Straftaten werden diesen zur Last gelegt, wann wurden die
Straftaten begangen, und aus welchen Bundesländern stammen die Beschul-
digten?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Beziehungen deutscher
Neonazigruppen und Personen der extremen Rechten zum „Objekt 21“ bzw.
zu den jetzt in Österreich angeklagten Neonazis?

8. Hat es im Vorfeld der Festnahmen einen Austausch deutscher und österrei-
chischer Sicherheitsbehörden zu den grenzüberschreitenden Aktivitäten
von Nazigruppen aus beiden Ländern gegeben, und gibt es einen generellen
und regelmäßigen Austausch zum Thema extreme Rechte zwischen beiden
Ländern?

9. Ist im Rahmen des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremis-
mus (GAR) über den Prozess in Österreich und über mögliche Verstrickun-
gen deutscher Neonazis in das österreichische Netzwerk gesprochen wor-
den?
a) Wenn ja, wann ist darüber gesprochen worden, und welche Erkenntnisse

wurden hier vorgetragen?
b) Wenn nein, wird die Bundesregierung den Vorgang im GAR zum Thema

machen?
10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Durchsuchungen des

Thüringer LKA im August 2013 u. a. in Crawinkel und Ballstädt bezogen
auf die Verbindung deutscher Nazigruppen nach Österreich oder zu anderen
ausländischen Nazigruppen, und ist über diese Erkenntnisse im GAR be-
richtet worden?

11. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass Mitglieder aus dem
Umfeld der in Deutschland verbotenen Organisationen Blood & Honour,
Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige
e. V. (HNG) und Heimattreue Deutsche Jugend e. V. (HDJ) Kontakte zum
„Objekt 21“ in Österreich haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/41
12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Auftritten bundesdeut-
scher neonazistischer Musikgruppen und Einzelinterpreten in Österreich in
den Jahren 2007 bis 2013 (bitte unter Angabe des Namens der Band bzw.
des Interpreten, Ort des Konzertes, Datum, Teilnehmerzahl und ggf. polizei-
liche bzw. ordnungspolitische Maßnahmen, ggf. Konzert bzw. Teilnehmer)?

13. Sind der Bundesregierung aus dem Umfeld der „Hausgemeinschaft Jonas-
tal“ oder im Zusammenhang mit dem „Objekt21“ Unterstützungsleistungen
für Angeklagte im NSU-Prozess bekannt, und wie sehen diese Unterstüt-
zungen gegebenenfalls aus?

14. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass Neonazis in der
Bundesrepublik Deutschland, die mit dem „Objekt 21“ oder österreichischen
neonazistischen Personen oder Gruppierungen in Kontakt stehen, auf dem
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Straftaten aus dem Bereich der
organisierten Kriminalität verwickelt sind (bitte unter Nennung der Straftat,
Ort und Datum der Straftatbegehung)?

Berlin, den 8. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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