BT-Drucksache 18/3903

Gruppe der EU9

Vom 30. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3903
18. Wahlperiode 30.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan Korte, Christine
Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Dr. Petra Sitte
und der Fraktion DIE LINKE.

Gruppe der EU9

Laut der Europäischen Kommission ist eine „EU9 group“ aus neun Innenminis-
terien der Europäischen Union damit befasst, Maßnahmen gegen „ausländische
Kämpfer“ zu entwickeln und umzusetzen (Antwort der Europäischen Kommis-
sion, E-005638/2014). Diese Gruppe arbeite dabei eng mit dem Anti-Terror-
Koordinator der Europäischen Union zusammen. Der Rat der Europäischen
Union sei nicht Teil des Prozesses der „EU9“. Unbekannt ist aber, wer die Ein-
richtung der Gruppe überhaupt anregte und über welche Aufgaben und Kom-
petenzen diese verfügt. Laut dem Anti-Terror-Koordinator der Europäischen
Union sei deren Gründung in den Jahren 2013 und 2014 auf eine belgisch-fran-
zösische Initiative erfolgt (www.statewatch.org/news/2015/jan/eu-2014-10-10-
13971-report-implementation-ct-strategy.pdf). Demnach vereine die von Bel-
gien geführte, weitgehend unbekannte Gruppe die neun am meisten vom Phä-
nomen „ausländischer Kämpfer“ betroffenen Staaten. Bei Treffen würden Infor-
mationen über Bedrohungen ausgetauscht und gemeinsame Maßnahmen verab-
redet. Es kann nach Ansicht der Fragesteller davon ausgegangen werden, dass
dabei die halbjährlichen Empfehlungen des Anti-Terror-Koordinators der Euro-
päischen Union zu neuen Maßnahmen gegen Terrorismus eine große Rolle
spielen. Im Juli 2014 hatten die „EU9“ die verstärkte Nutzung des Schengener
Informationssystems (SIS II), gezielte Grenzkontrollen, mehr Informationsaus-
tausch mit der Polizeiagentur der Europäischen Union „Europol“ und die „prak-
tische Kooperation“ beschlossen. Allerdings ist unklar, welchen Rang solche
Beschlüsse von lediglich neun Innenministerien überhaupt haben. Laut dem
Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union würden diese dann auf Ebene
der Europäischen Union „beworben“ („promoted“). Die Maßnahmen richten
sich aber nicht nur gegen „ausländische Kämpfer“, sondern führen auch zu mehr
Überwachung und damit zu weitgehenden Einschränkungen von Bürger- und
Freiheitsrechten. Formate wie die „EU9“ sind geeignet, die Durchsetzung der
Maßnahmen ohne eine ausreichende gesellschaftliche Debatte oder demokra-
tische Kontrolle zu beschleunigen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wurde die „EU9 group“ nach Kenntnis der Bundesregierung gegrün-

det, und wer gehört bzw. gehörte ihr an?
2. Von wem und auf welche Weise wurden die teilnehmenden Staaten be-

stimmt?

Drucksache 18/3903 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Über welche Aufgaben und Kompetenzen verfügt die Gruppe?
4. Inwiefern existieren weitere Unterarbeitsgruppen, Sekretariate oder sons-

tige Einrichtungen im Rahmen der „EU9“?
5. Welche Aufgabe kommt dem Anti-Terror-Koordinator der Europäischen

Union im Rahmen der „EU9“ zu?
6. Welche Treffen haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit ihrer Grün-

dung stattgefunden?
7. Wer richtete diese jeweils aus?
8. Welche Tagesordnungspunkte hatten die Treffen?
9. Zu welchen der Treffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung weitere

Agenturen, Behörden, Regierungen eingeladen?
10. Welche Beschlüsse wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei den

Treffen jeweils gefasst?
11. Wo und von wem wurde nach Kenntnis der Bundesregierung daraufhin für

deren Übernahme auf Ebene der Europäischen Union „geworben“?
12. Was ist der Bundesregierung über die Haltung anderer Mitgliedstaaten der

„EU9“ bekannt, Diensteanbieter im Internet dazu zu verpflichten, Hinter-
türen zum Abhören verschlüsselter Kommunikation vorzuhalten, und wer
trug hierzu mit welchem Inhalt bereits vor?

13. Was ist der Bundesregierung über die Haltung anderer Mitgliedstaaten der
„EU9“ bekannt, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung trotz ablehnen-
dem Votum des Parlaments der Europäischen Union und des Europäischen
Gerichtshofes wieder einzuführen, und wer trug hierzu bei der „EU9“ mit
welchem Inhalt bereits vor?

14. In welchem Format haben sich die Innenministerien welcher Mitgliedstaat-
ten der Europäischen Union nach Kenntnis der Bundesregierung nach den
Anschlägen in Frankreich am 7. Januar 2015 in Paris getroffen?
a) Wie kam nach Kenntnis der Bundesregierung die Auswahl der nach

Information der Fragesteller zehn anwesenden Innenminister der Euro-
päischen Union zustande?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, aus welchem Grund nach
Information der Fragesteller Österreich nicht an dem Treffen teilnahm?

15. Nach welchem Verfahren wurde nach Kenntnis der Bundesregierung eine
Sondersitzung des Ständigen Ausschusses für die innere Sicherheit (COSI)
am 20. Januar 2015 anberaumt?
a) Welche einzelnen Themen zu „Terrorismus“ standen auf der Tagesord-

nung?
b) Welche Beschlüsse wurden gefasst?

16. Inwiefern sieht auch die Bundesregierung, wie in der Erklärung von Innen-
ministern der Staaten Frankreich, Belgien, Spanien, Polen, Großbritannien
bereits im September 2014 unterzeichneten Absichtserklärung zur beschleu-
nigten Durchsetzung eines PNR-Abkommens der Europäischen Union
(PNR – Passenger Name Record, Fluggastdatensatz) (www.nopnr.org/
mitgliedstaaten-wollen-auch-ohne-eu-pnr-datenaustausch-von-reisedaten/)
niedergelegt, ein Defizit, das behoben werden muss?

17. Inwiefern war diese Erklärung nach Kenntnis der Bundesregierung bereits
auf Treffen der G6 beraten worden, zumal die unterzeichnenden Staaten
allesamt Mitglieder der G6 sind?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3903
18. Welche existierenden nationalen bilateralen und EU-Regelungen könnten
aus Sicht der Bundesregierung zur beschleunigten Durchsetzung eines
PNR-Abkommens der Europäischen Union genutzt werden (bitte komplett
aufzählen)?

19. Votiert die Bundesregierung für die Verarbeitung von Fluggastdaten auch
auf Flügen innerhalb der Europäischen Union, und wenn ja, aus welchem
Grund?

20. Was ist der Bundesregierung über Vorschläge oder Pläne bekannt, ein Aus-
lieferungsabkommen der Europäischen Union mit den USA zu schließen?

21. Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, eine „Sicherheitserklä-
rung“ zwischen der Europäischen Union und den USA abzuschließen, und
worum handelt es sich dabei?
a) Wann und wo wurde diese „Sicherheitserklärung“ bislang beraten?
b) Welche Behörden wären „Partner“ einer solchen „Sicherheitserklärung“?
c) Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung eine solche „Sicherheits-

erklärung“ für erforderlich oder entbehrlich?

Berlin, den 29. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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