BT-Drucksache 18/3899

Wirkung des Anerkennungsgesetzes

Vom 30. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3899
18. Wahlperiode 30.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Jan Korte, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Sevim Dağdelen, Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Ralph Lenkert,
Norbert Müller (Potsdam), Petra Pau, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke,
Frank Tempel, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Wirkung des Anerkennungsgesetzes

Seit dem 1. April 2012 ist das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und
Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Kraft. Mit die-
sem sogenannten Anerkennungsgesetz haben Menschen einen allgemeinen
Rechtsanspruch darauf, ihre im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen auf
Gleichwertigkeit gegenüber einem deutschen Referenzberuf überprüfen und an-
erkennen zu lassen, um in Deutschland eine qualifikationsnahe Beschäftigung
aufnehmen zu können.
Das Anerkennungsgesetz gilt für insgesamt 450 Berufe. Es umfasst zum einen
das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG), mit dem die Anerkennung
der ca. 350 nicht reglementierten Berufe des dualen Ausbildungssystems gere-
gelt wird. Zum anderen beinhaltet es Regelungen zur Anerkennung von Berufs-
qualifikationen in 63 bundesrechtlichen Berufsgesetzen und Verordnungen für
reglementierte Berufe, für deren Aufnahme und Ausübung der Besitz einer be-
stimmten Berufsqualifikation durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften vor-
geschrieben ist. Das betrifft u. a. viele Gesundheitsberufe und die Meisterberufe.
Aus den aktuellen Zahlen für das Jahr 2013 geht hervor, dass von den 11 868 po-
sitiv beschiedenen Verfahren 9 888 dem Bereich der medizinischen Gesund-
heitsberufe, darunter allein 6 030 Ärztinnen und Ärzte, zuzuordnen ist. Damit
setzt sich der Trend aus dem Jahr 2012 fort. Die überwiegende Mehrheit entfällt
auf reglementierte Berufe (aus dem Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe),
die größtenteils schnell und ohne eine Gleichwertigkeitsprüfung anerkannt wer-
den können. Die nicht reglementierten Berufe des dualen Systems hingegen sind
deutlich unterrepräsentiert. Sie machen noch nicht einmal 20 Prozent der be-
schiedenen Anträge aus.
Seit Juni 2014 haben nun auch alle Bundesländer eigene Landesgesetze zur An-
erkennung von Berufsqualifikationen verabschiedet, um landesrechtlich gere-
gelte Berufe, beispielsweise Lehrerin bzw. Lehrer oder Erzieherin bzw. Erzieher,
anerkennen zu können. Die Umsetzung in den jeweiligen Ländern läuft jedoch
höchst unterschiedlich. Zudem variieren die Kosten für das Anerkennungsver-
fahren zwischen den Bundesländern und den unterschiedlichen Berufsarten teil-
weise erheblich. Im Durchschnitt betragen sie einen mittleren dreistelligen Wert.
Jedoch steht zu befürchten, dass die Kosten für eine individuelle Gleichwertig-
keitsfeststellungsprüfung sowie eine Qualifikationsanalyse stark variieren und
insgesamt weitaus höher liegen, weshalb ein Anerkennungsverfahren seitens der
Antragstellenden abgebrochen bzw. nicht weiter verfolgt werden kann. Eine

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einheitliche Anerkennungspraxis in Deutschland ist nur bedingt zu erkennen.
Die Aussage der Bundesministerin für Bildung und Forschung Prof. Dr. Johanna
Wanka, „das Anerkennungsgesetz hat sich in kurzer Zeit als ein wirkungsvol-
les Instrument zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland bewährt“
(www.anerkennung-in-deutschland.de „Beratung ist der Schlüssel zur erfolgrei-
chen Anerkennung“), muss angesichts der Konzentration auf einige wenige Be-
rufe angezweifelt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Gründe sieht die Bundesregierung für die geringe Anzahl an bisher

gestellten und vor allem beschiedenen Anträgen bei den nicht reglementier-
ten Berufen?
a) Wie bewertet die Bundesregierung die Zahl der 1 980 positiv beschiede-

nen Anträge außerhalb der medizinischen Gesundheitsberufe im Jahr
2013?

b) Welche Perspektive sieht die Bundesregierung anhand der vorliegenden
Zahlen für die Anerkennungspraxis im Bereich der dualen Ausbildungs-
berufe?

c) Wird die Anerkennungspraxis von beruflichen Qualifikationen im Bereich
der nicht reglementierten Berufe dem vermeintlichen Mangel an Fach-
kräften in diesem Bereich gerecht?

d) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den niedrigen
Antragszahlen im Bereich der Ausbildungsberufe des dualen Systems hin-
sichtlich der Nachfrage von potenziellen Antragstellenden sowie dem Be-
darf von Betrieben an qualifizierten Fachkräften (bitte begründen)?

e) Ist die Positivliste der Bundesagentur für Arbeit mit Berufen, in denen
„die Besetzung offener Stellen mit ausländischen Bewerberinnen und Be-
werbern […] arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar ist“,
ein Kriterium für die Auswahl von Antragstellenden (bitte begründen)?

f) Wie ist das Verhältnis von positiv beschiedenen Anträgen, denen ein Re-
ferenzberuf gemäß der Positivliste zugrunde liegt, und Anträgen, denen
kein Referenzberuf gemäß der Positivliste zugrunde liegt?

2. Wie kann aus Sicht der Bundesregierung das Anerkennungsverfahren für An-
tragstellende attraktiver, einfacher und schneller gemacht werden?
Welche Hemmnisse und Herausforderungen sieht die Bundesregierung vor
allem im Bereich der nicht reglementierten Berufe, und welche Maßnahmen
möchte sie ergreifen, um Hemmnisse abzubauen?

3. Liegen der Bundesregierung Daten darüber vor, wie viele der Menschen, de-
ren im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen in Deutschland aner-
kannt wurden, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachge-
hen (bitte nach Berufsgruppe, Vollzeit, Teilzeit, geringfügig beschäftigt und
erwerbslos aufschlüsseln)?

4. Ist durch die zuständigen Stellen auf Bundes- und nach Kenntnis der Bundes-
regierung auf Landesebene eine flächendeckende Erst- und Einstiegsbera-
tung im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet?
Wie hoch ist der Betreuungsschlüssel für in den zuständigen Stellen mit Be-
ratung betraute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

5. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf hinsichtlich der teil-
weise sehr unterschiedlichen Gebührenregelungen der Länder beziehungs-
weise Kammern?

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Verfolgt die Bundesregierung das Ziel, gemeinsam mit den Ländern und
Kammern eine im Sinne eines einheitlichen Anerkennungsverfahrens ein-
heitliche Gebührenregelung, die beispielsweise eine einheitliche und nied-
rigschwellige Gebührenhöhe bei einer Gleichwertigkeitsfeststellung vor-
sieht, anzustreben?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche Entwicklungen gibt es bereits?

6. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung das Anerken-
nungsverfahren in welchen Berufen aufgrund der Kosten nicht weiter ver-
folgt?
Welche alternativen Finanzierungsmöglichkeiten werden den Antragstel-
lenden empfohlen?

7. Wie viele Menschen haben nach Kenntnis der Bundesregierung das Aner-
kennungsverfahren abgebrochen, etwa weil sie die erforderlichen Doku-
mente nicht nachweisen bzw. beschaffen konnten?

8. Wie viele Qualifikationsanalysen nach § 14 BQFG wurden seit Inkrafttreten
des Gesetzes durchgeführt?
Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten einer Qualifikationsanalyse?
Sieht die Bundesregierung in der Höhe der Kosten einer Qualifikationsana-
lyse einen Grund dafür, dass Personen, die ihre Qualifikationen anerkennen
lassen möchten, auf die Durchführung einer Qualifikationsanalyse verzich-
ten und das Anerkennungsverfahren nicht weiter verfolgen können (bitte
begründen)?

9. Verfolgt die Bundesregierung das Ziel einer vollständigen Gebührenfreiheit
des Anerkennungsverfahrens?
Wenn nein, warum nicht?

10. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Idee einer Gebührenober-
grenze für das Anerkennungsverfahren?
Wenn ja, welche Höhe sollte diese nach Meinung der Bundesregierung auf-
weisen?
Wie ist der aktuelle Diskussionsstand mit den Ländern über eine einheitli-
che Gebührenobergrenze?

11. Welche Möglichkeiten bestehen für Geflüchtete bzw. Asylsuchende, ihre
beruflichen Qualifikationen in Deutschland anerkennen zulassen?
Wie viele Geflüchtete bzw. Asylsuchende haben einen Antrag auf Anerken-
nung ihrer beruflichen Qualifikationen gestellt (bitte nach Herkunftsländern
und anerkanntem Referenzberuf aufschlüsseln)?
Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung, um Geflüchteten bzw. Asyl-
suchenden die Aufnahme eines Anerkennungsverfahrens zu ermöglichen?

12. Wie viele zentrale Stellen zur Prüfung und Anerkennung von Berufsqualifi-
kationen im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe existieren nach
Kenntnis der Bundesregierung bereits auf Landesebene (bitte nach Bundes-
ländern aufschlüsseln)?
Sieht die Bundesregierung einen Bedarf für eine bundesweite Zentralstelle
für diese Berufe (bitte begründen)?
Wie ist der Diskussionsstand hinsichtlich der Einrichtung einer solchen
bundesweiten Stelle, bzw. wann ist mit der Einrichtung einer solchen Stelle
zu rechnen?

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13. Unterstützt die Bundesregierung die Anerkennung von Berufsqualifikatio-
nen von Lehrerinnen und Lehrern, die in nur einem Unterrichtsfach ausge-
bildet wurden?
Hat es diesbezüglich bereits Gespräche mit den Bundesländern gegeben?
Wenn ja, welche Haltung nehmen diese und welche Haltung nimmt die Bun-
desregierung ein?
Wenn nein, warum nicht, und sind solche Gespräche geplant bzw. werden
sie von der Bundesregierung unterstützt?

Berlin, den 28. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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