BT-Drucksache 18/3885

Schifffahrtsstandort Deutschland

Vom 28. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3885
18. Wahlperiode 28.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dieter Janecek, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schifffahrtsstandort Deutschland

Der Schifffahrtsstandort Deutschland befindet sich seit 2008 in einer langanhal-
tenden Krisensituation. Seitdem haben sich die Handelsflotte sowie die Anzahl
der Schifffahrtsunternehmen hierzulande deutlich reduziert.
Zur Verbesserung von Ausbildung und Beschäftigung in der deutschen See-
schifffahrt sowie zur Stärkung des Standorts wurde im Jahr 2003 auf der Mari-
timen Konferenz in Lübeck das Maritime Bündnis geschlossen, während der
damaligen Boomphase in der deutschen Seeschifffahrt. Partner sind die vier
Akteure Reeder (VDR), Arbeitnehmervertreter (ver.di), die Bundesregierung
sowie die Küstenländer.
Aufgrund der damaligen Ausgangssituation schienen die vereinbarten Ziele des
Bündnisses erreichbar. Doch heute, im sechsten Jahr seit Krisenbeginn, werden
die Vereinbarungen des Bündnisses nicht bzw. kaum mehr eingehalten. So ge-
hen die Reeder aus Kostengründen vermehrt aus der deutschen Flagge und die
besorgniserregende Ausbildungssituation im maritimen Bereich spitzt sich zu.
Bis zur nächsten Maritimen Konferenz im Oktober 2015 müssen Wege und Lö-
sungen gefunden werden, den Schifffahrtsstandort Deutschland wieder zu-
kunftsfest aufzustellen. Dabei müssen vor allem die Verabredungen im Rahmen
des Maritimen Bündnisses überprüft und nötigenfalls angepasst werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Entwicklung ist nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Arbeits-

losigkeit von Seeleuten sowie arbeitsuchenden Seeleuten zu verzeichnen
(bitte Entwicklung seit 2003 pro Jahr nennen und bundesweit sowie bei der
Zentralen Heuerstelle Hamburg ausweisen)?

2. Wie viele Schiffe fuhren in den Jahren 2013 und 2014 unter deutscher Flagge
(bitte jeweils auch den sog. Monitoringbestand nennen)?

3. Wie viele Schiffsgesellschaften der gesamten Handelsflotte hatten seit 2003
die Tonnagebesteuerung anstelle des üblichen steuerrelevanten Gewinner-
mittlungsverfahrens gewählt (bitte pro Jahr ausweisen)?

4. Welche Haushaltsmittel wurden seit 2003 für die Förderung der maritimen
Ausbildung jährlich aufgewendet (bitte Haushaltstitel und jeweiligen Betrag
nennen)?

Drucksache 18/3885 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. a) Hält die Bundesregierung am Maritimen Bündnis für Ausbildung und
Beschäftigung in der Seeschifffahrt (Maritime Bündnis) weiterhin fest,
obwohl einige Bestandteile krisenbedingt nicht mehr eingehalten werden
können?

b) Welche Zusagen vonseiten der Reeder gab es im Rahmen des Maritimen
Bündnisses, konnte das vereinbarte Ziel des Maritimen Bündnisses, dass
500 bis 600 Handelsschiffe unter deutscher Flagge (im sog. Monitoring-
bestand) fahren sollen, eingehalten werden, wenn ja, wann und wie
lange, und wenn nein, warum nicht?

c) Welche Zusagen vonseiten des Bundes gab es im Rahmen des Maritimen
Bündnisses, konnten die Ziele zur Schifffahrtsförderung des Bundes seit
2003 dauerhaft eingehalten werden, und wenn nein, warum jeweils nicht,
für wie lange jeweils nicht und welche Zusagen waren jeweils betroffen?

d) Welche Zusagen der Arbeitnehmervertreter gab es im Rahmen des Mari-
timen Bündnisses, konnten die Zusagen der Arbeitnehmervertreter ein-
gehalten werden, und wenn nein, warum jeweils nicht, für wie lange
jeweils nicht und welche Zusagen waren jeweils betroffen?

e) Welche Zusagen vonseiten der Küstenländer gab es im Rahmen des
Maritimen Bündnisses, konnten die Zusagen der Küstenländer zur Aus-
bildungssicherung dauerhaft eingehalten werden, und wenn nein, warum
jeweils nicht, für wie lange jeweils nicht und welche Zusagen waren je-
weils betroffen?

6. Zieht die Bundesregierung ein neues Fördermodell für die deutsche See-
schifffahrt in Betracht, wenn ja, mit welchen Aspekten, und wenn nein, wa-
rum nicht?

7. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Kapazitätsentwicklung
an den deutschen Seefahrt-Hochschulen seit 2003/2004 bis 2013/2014 dar-
gestellt, und wie haben sich im Vergleich dazu die tatsächlichen Studieren-
denzahlen seit 2003/2004 bis 2013/2014 entwickelt (bitte tabellarisch aus-
weisen)?

8. Aus welchen Gründen werden nach Kenntnis der Bundesregierung durch
deutsche Reeder Schiffsregister anderer Staaten gegenüber den deutschen
Schiffsregistern bevorzugt gewählt, und welche finanziellen Nachteile erge-
ben sich durch eine Eintragung in deutsche Register für die Reeder?

9. Welche Kriterien plant die Bundesregierung zu ändern, um die Zukunft der
deutschen Flagge zu sichern?

10. Sollte die deutsche Flagge im internationalen Wettbewerb bei den aktuellen
Bedingungen für die Reeder nicht weiterbestehen können, welche Maßnah-
men wird die Bunderegierung dann ergreifen?

11. Wie soll eine von der Bundesregierung bereits in der 17. Wahlperiode sowie
im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angestrebte Moderni-
sierung der Flaggenstaatsverwaltung aussehen, und bis wann plant die Bun-
desregierung, diese umzusetzen?

12. Welche Fortschritte kann die Bundesregierung bei der Umstellung auf elek-
tronische Dokumente in der Seeschifffahrt verzeichnen (siehe die Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache
17/7208)?

13. Welche Vereinfachungen oder Erleichterungen für Reeder und Seeleute gab
es im Zuge der Umsetzung des neuen Seearbeitsrechts auf Bundesebene und
nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Küstenländern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3885
14. Welche Entbürokratisierungsprozesse konnten durch die neue Homepage
www.deutsche-flagge.de, auch in Verbindung mit den Küstenländern, vor-
angebracht werden?

15. Welche Ergebnisse hatten darüber hinaus angekündigte Untersuchungen der
Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Handelsschifffahrt unter deut-
scher Flagge, und welche Schlüsse zog die Bundesregierung daraus?

16. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Streichung der Schiffsbesetzungs-
verordnung, und wenn nein, warum nicht?

17. Beabsichtigt die Bundesregierung im Falle einer Streichung der Schiffsbe-
setzungsverordnung eine Streichung bzw. ein Absenken der staatlichen
Schifffahrtsförderung, etwa des Finanzbeitrags für die Seeschifffahrt?

18. Wie viele neue Schiffe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit
2003 von deutschen Reedern jährlich in Dienst gestellt?

19. Welche Finanzierungsarten werden für Schiffsneubauten nach Kenntnis der
Bundesregierung inzwischen gewählt, seitdem das sog. Fondsmodell nicht
mehr trägt?

20. Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche Banken
seitdem in der Schiffsfinanzierung?

21. Welche Banken sind nach Kenntnis der Bundesregierung noch in der
Schiffsfinanzierung tätig, und welche sind bereits ausgestiegen?

22. Wie viele neue Schiffsinsolvenzen gab es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung seit 2008, und mit jeweils welchen Ergebnissen (Fortsetzung des Be-
triebs, Verkauf bzw. Verschrottung des Schiffes)?

23. Welche staatliche Förderung (inkl. KfW, KfW-IPEX, EIB und weiteren In-
stitutionen) von nachhaltigen Projekten in der Seeschifffahrt gibt es derzeit
nach Kenntnis der Bundesregierung, und welche hat sie vor, in den nächsten
Jahren zu initiieren?

24. Welche darüber hinausgehende Förderung, etwa Darlehen privater Banken,
gibt es zur Förderung nachhaltiger Projekte in der Seeschifffahrt nach
Kenntnis der Bundesregierung?

25. Welche Faktoren trugen nach Erkenntnissen der Bundesregierung zum in-
zwischen deutlich geringeren Risikoengagement der Banken (mit direkten
Auswirkungen in der Seeschifffahrt) bei (www.koenig-cie.de „Schiffskrise
belastet weiterhin die Bilanzen der Banken“)?

26. a) Ist es der Bundesregierung bekannt, dass Zypern die Gewährung der
zyprischen Tonnagesteuer im Einklang mit den EU-Beihilferichtlinien
für den Seeverkehr an das Führen einer Gemeinschaftsflagge knüpft
(www.hellenicshippingnews.com vom 30. Dezember 2014 „Tonnage
tax: maintenance of prescribed levels of EU-flagged vessels“)?

b) Erwägt die Bundesregierung eine vergleichbare Maßnahme, um den
Anforderungen der Beihilferichtlinien von 60 Prozent der Flotte unter
EU-Flagge bei gegenwärtig nur etwa 30 Prozent gerecht zu werden
(www.hellenicshippingnews.com vom 30. Dezember 2014 „Tonnage
tax: maintenance of prescribed levels of EU-flagged vessels“)?

27. Ist die Tonnagebesteuerung nach Auffassung der Bunderegierung weiterhin
der wichtigste Faktor zur Stärkung des maritimen Standorts Deutschland,
und welche Faktoren sind der Bundesregierung darüber hinaus wichtig bzw.
plant sie, in den nächsten Jahren auszubauen?

Drucksache 18/3885 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
28. Plant die Bundesregierung, im Zuge der Schifffahrtskrise die Regularien zur
Tonnagebesteuerung zu verändern oder anzupassen, wenn ja, wie, und wenn
nein, warum nicht?

29. Welche Ergebnisse des Schätzmodells der Bundesregierung zu Steuermin-
der- bzw. -mehreinnahmen hat die Bundesregierung nach heutigen Erkennt-
nissen für den Zeitraum von 2003 bis 2014?

30. Welche Folgelösung sieht die Bundesregierung vor, wenn das Gesetz zur
Ausnahme der Versicherungssteuer auf Erlöspools in der Seeschifffahrt
2016 auslaufen wird?

31. Welche Einnahmen konnte die Bundesregierung mit der Einführung der
Ausflaggungsgebühr (Ablösebeitrag) jährlich erzielen, und flossen diese in
jeweils voller Höhe in die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland?

32. Wie soll die Verwendung der Ausflaggungsgebühr (Ablösebeitrag) in Zu-
kunft geregelt werden, plant die Bundesregierung, die Ausflaggungsgebühr
zukünftig anderweitig als für die Ausbildungsförderung zu verwenden, und
wenn ja, wofür?

Berlin, den 28. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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