BT-Drucksache 18/3828

Deutsche Unterstützung der kurdischen Autonomieregion im Irak

Vom 26. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3828
18. Wahlperiode 26.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth,
Andrej Hunko, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Unterstützung der kurdischen Autonomieregion im Irak

Die kurdische Autonomieregierung im Nordirak (KRG) wurde durch die Bun-
desregierung bereits im Jahr 2014 mit der Lieferung von deutschen Waffen und
Rüstungsgütern im Gesamtwert von mindestens 70 Mio. Euro bei ihrem Kampf
gegen die Terrorarmee Islamischer Staat (IS) unterstützt. Kämpfer der nord-
irakischen Peschmerga wurden und werden im Irak und in Deutschland von Sol-
datinnen und Soldaten der Bundeswehr an den entsprechenden Waffen ausgebil-
det.
Laut Angaben der Bundesregierung werden aktuell darüber hinausgehende Waf-
fenlieferungen an die KRG geprüft, wie auch die Bundesministerin der Ver-
teidigung, Dr. Ursula von der Leyen, bei ihrem Besuch in Erbil im Januar 2015
bekannt gab (www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-von-der-leyen-
will-kurden-mehr-waffen-liefern-a-1012347.html, 13. Januar 2015). Die Bun-
desregierung beabsichtigt weiterhin die mandatierte Entsendung von 100 Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr in die KRG zur Ausbildung der dortigen
Peschmergaeinheiten für den Kampf gegen den IS.
Nach Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“ existieren Hinweise auf Men-
schenrechtsverletzungen durch Funktionsträger der kurdischen Autonomie-
regierung im Nordirak (www.wdr.de/daserste/monitor/extras/monitorpresse-
peschmerga100.html, 14. Januar 2015). In Geheim- oder Foltergefängnissen
würden politische Oppositionelle bzw. Journalistinnen und Journalisten bedroht
und gefoltert. Laut Informationen von Nichtregierungsorganisationen, wie dem
Metro Center in der KRG (www.metroo.org/english/dreja.aspx?=hewal&jmare
=64&Jor=1) oder dem CPJ (Committee to Protect Journalists, www.cpj.org/
reports/2014/04/mountain-of-impunity-looms-over-kurdistan-journali.php),
wurden allein in den vergangenen Jahren Hunderte Fälle von Einschüchterun-
gen, Verhaftungen, Misshandlungen und – z. T. tödlichen – Angriffen auf Jour-
nalistinnen und Journalisten in der kurdischen Autonomieregion des Nordirak
verübt. Laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ (FAZ) vom 15. Januar 2015
nimmt die Bundesregierung Berichte über Menschenrechtsverletzungen in der
KRG „sehr ernst“, diese würden „auf hoher Ebene mit der kurdischen Regional-
regierung“ erörtert („Verbleib von Waffen unklar“, 15. Januar 2015).
Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak gibt es zunehmende Be-
richte über Menschenrechtsverletzungen, Verletzungen des Völkerrechts und
Kriegsverbrechen durch Truppen der zentralirakischen Regierung, schiitischer
Milizen, aber auch durch nordirakische Einheiten der Peschmerga. Hierzu zäh-
len Anschuldigungen über die Hinrichtung von verwundeten und/oder unbe-
waffneten gefangen genommenen Kämpfern des IS oder die unverhältnismäßi-
gen Angriffe auf nichtmilitärische Ziele, auch im Zuge von Vergeltungsmaßnah-

Drucksache 18/3828 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
men gegen sunnitische Bewohner und Bewohnerinnen von zurückeroberten Ge-
bieten („Kurds worried war crime accusations could ruin Kurdish image“,
www.middleeasteye.net/news/kurds-worried-war-crime-accusations-could-
ruin-kurdish-image-1725171872, 20. Januar 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen

nimmt die Bundesregierung „sehr ernst“, und von welchem Mitglied der
Bundesregierung stammt diese Äußerung?

2. Auf welcher Ebene und von welchen Mitgliedern der Bundesregierung wur-
den welche Berichte wann bei Gesprächen mit der kurdischen Regional-
regierung erörtert?

3. Ist die Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechten Teil der Endver-
bleibserklärung(en), die von der kurdischen Regionalregierung vor Erhalt
der deutschen Waffenlieferungen im Jahr 2014 unterzeichnet wurde(n)?

4. Wie genau soll die Prüfung, die laut dem Menschenrechtsbeauftragten der
Bundesregierung klären soll, ob Geheim- oder Foltergefängnisse von der
kurdischen Regionalregierung unterhalten werden, nach Ansicht der Bun-
desregierung erfolgen, und was genau hat die Bundesregierung bislang dies-
bezüglich konkret unternommen (vgl. ARD-Monitor vom 15. Januar 2015)?

5. Wie wird durch die Bundesregierung verhindert, dass bei möglichen Men-
schenrechtsverletzungen, Verletzungen des Völkerrechts oder Kriegsver-
brechen durch bewaffnete Einheiten der KRG deutsche Waffen (Pistolen,
Sturmgewehre, Handgranaten, Munition etc.) eingesetzt werden?

6. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Zerstörungen in
der mehrheitlich sunnitisch-arabisch bewohnten Stadt Barzanke im Zuge
der Rückeroberung durch nordirakische Peschmerga?

7. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Waffen aus den erfolgten Lie-
ferungen an die KRG beim Angriff der Peschmerga auf Barzanke einge-
setzt?

8. Wie viele Mitglieder und/oder Terrorverdächtige des IS befinden sich nach
Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der KRG in Kriegsgefangenschaft,
und wo befinden sich die entsprechenden Einrichtungen?

9. Haben Vertreter und Vertreterinnen der Bundesregierung Einrichtungen, in
denen gegenwärtig IS-Kriegsgefangene in Haft sind, besucht, und welche
Erkenntnisse haben sie über die dortigen Haftbedingungen erlangt?

10. Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse zu den Haftbedingungen in
diesen Einrichtungen aus früheren Jahren, also vor Ausbruch des Konflikts
zwischen der KRG und dem IS, und wie lauten diese Erkenntnisse zusam-
menfassend?

11. Befinden sich deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als Mitglieder
und/oder Terrorverdächtige des IS innerhalb der KRG nach Kenntnis der
Bundesregierung in Kriegsgefangenschaft, und wenn ja, wie viele?

12. Hat die Bundesregierung über ihre Auslandsvertretung oder andere Kanäle
ggf. Zugang zu diesen Personen?

13. Befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung andere europäische
Staatsbürger und Staatsbürgerinnen als Mitglieder und/oder Terrorverdäch-
tige des IS innerhalb der KRG in Kriegsgefangenschaft, und wenn ja, wie
viele aus welchen Staaten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3828
14. Hat die Bundesregierung bei der irakischen und/oder der kurdischen Auto-
nomieregierung in der Vergangenheit um Informationen über den Umgang
mit Kriegsgefangenen, über Kriegsgefangenenlager und über mögliche
kriegsgefangene deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ersucht, und
wenn nein, warum nicht?

15. Nutzen deutsche Behörden bzw. Dienste geheimdienstliche oder polizei-
liche Informationen, die auf Aussagen von Kriegsgefangenen oder Terror-
verdächtigen des IS während ihrer Haft in Gefängnissen der KRG beruhen?

16. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus Informationen von Nichtregierungsorganisationen, wie dem Metro
Center oder dem CPJ, laut denen allein in den vergangenen Jahren viele
hundert Fälle von Einschüchterungen, Verhaftungen, Misshandlungen und
– z. T. tödlichen – Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten in der kur-
dischen Autonomieregion des Nordiraks verübt wurden?

17. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die angebliche Ver-
antwortung und Verstrickungen führender Politiker der KRG bei diesen
dokumentierten Angriffen auf die Pressefreiheit (www.metroo.org und
www.cpj.org)?

18. Welche weiteren Kenntnisse hat die Bundesregierung über politisch ver-
folgte Aktivistinnen und Aktivisten, Menschenrechtlerinnen und Men-
schenrechtler oder Journalistinnen und Journalisten in der KRG?

19. Ist der Bundesregierung der Fall der Ermordung des irakisch-kurdischen
Journalisten Kawa Garmyane bekannt, ist er Gegenstand der Gespräche mit
Vertretern der KRG, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen
zieht die Bundesregierung aus dem aktuellen Stand des Verfahrens vor dem
Hintergrund rechtstaatlicher Grundsätze?

20. Wie viele Anträge auf Asyl von politisch verfolgten Aktivistinnen und Ak-
tivisten, Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler oder Journalistin-
nen und Journalisten aus der KRG wurden seit dem Jahr 2010 in Deutsch-
land beantragt, und wie wurden diese jeweils beschieden?

21. Welche Einheiten der kurdischen Regionalregierung wurden bislang und
werden im Zuge der geplanten Ausbildungsmission im Nordirak ausgebil-
det, wie viele Personen werden insgesamt geschult, und wo werden diese
Einheiten nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell bzw. nach der erfolg-
ten deutschen Ausbildung eingesetzt?

22. Gibt es individuelle Auswahlkriterien für die Auszubildenden hinsichtlich
des Ausschlusses einer etwaigen Beteiligung an Kriegsverbrechen oder an-
deren Verbrechen, und falls ja, wie lauten diese Kriterien konkret?
Falls nein, warum verzichtet die Bundesregierung auf derartige Kriterien?

23. Welche weiteren Vorsichtsmaßnahmen unternimmt die Bundesregierung,
um zu verhindern, dass möglicherweise an Kriegsverbrechen beteiligte Per-
sonen durch Angehörige der Bundeswehr ausgebildet werden?

24. In welchen Kommandostrukturen befinden sich die Einheiten, die von der
Bundeswehr im Zuge der geplanten Ausbildungsmission im Nordirak aus-
gebildet werden sollen (unter Angabe der Kommandierenden oder Generäle
des Peschmergaministeriums bzw. direkter Unterstellung unter dem Kom-
mando der Patriotischen Union Kurdistans oder der Demokratischen Partei
Kurdistans)?

Drucksache 18/3828 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
25. Werden im Zuge der geplanten Ausbildungsmission im Nordirak auch Ein-
heiten der Polizei, der Asayish oder andere Spezialeinheiten von Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr ausgebildet (wenn ja, bitte unter Angabe
der genauen Bezeichnung, Truppenstärke und ihrem Einsatzgebiet)?

26. Welche Waffen wurden bei der erneuten Anfrage der kurdischen Regional-
regierung Ende 2014 bzw. Anfang 2015 in welcher Menge aus Deutschland
erbeten?

27. Beabsichtigt die Bundesregierung, dieser Anfrage nachzukommen, und wann
werden ggf. welche weiteren Waffen und Ausrüstungen an die kurdische
Regionalregierung geliefert?

28. Macht die Bundesregierung eine Entscheidung über künftige Waffenliefe-
rungen vom Ausgang der angekündigten Erörterungen über mögliche Men-
schenrechtsverletzungen in der KRG abhängig (s. Fragen 1 bis 4)?

29. Soll bei einer weiteren Waffenlieferung in den Irak bzw. die KRG die bishe-
rige Praxis der Endverbleibserkärungen beibehalten werden, oder erkennt
die Bundesregierung in diesem Bereich unter den gegebenen Umständen
Optimierungspotentiale?

Berlin, den 23. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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