BT-Drucksache 18/3733

Gute Ernährung für alle

Vom 14. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3733
18. Wahlperiode 14.01.2015
Antrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Markus
Tressel, Bärbel Höhn, Katharina Dröge, Kordula Schulz-Asche, Dr. Franziska
Brantner, Öczan Mutlu, Beate Müller-Gemmeke, Oliver Krischer, Renate Künast,
Steffi Lemke, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Sylvia Kotting-Uhl, Christian
Kühn (Tübingen), Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald, Brigitte Pothmer,
Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gute Ernährung für alle

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gutes Essen ist eine Frage von Genuss und Gesundheit, Individualität und Lebens-
qualität. Die Art, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, hat weitrei-
chende Konsequenzen für uns alle, Menschen in anderen Regionen der Erde sowie
für Tiere und Umwelt.

Die Politik muss deshalb die Rahmenbedingungen schaffen für sichere, gesunde Le-
bensmittel und eine faire, tier- und umweltgerechte Erzeugung von Lebensmitteln.
Sie muss durch einfache, verständliche und verlässliche Verbraucherinformation be-
wusste Konsumentscheidungen ermöglichen und gegen Verbrauchertäuschung ent-
schieden vorgehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

Transparenz und Verbraucherinformation
nach dem Vorbild der bestehenden Kennzeichnungsregelungen für Frischeier

eine verlässliche und transparente Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch ein-
zuführen, damit die Konsumenten auf einen Blick erkennen können, wie die
Tiere gehalten wurden;

ein Konzept für eine Nährwertampel vorzulegen und damit von der Möglichkeit
der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung Gebrauch zu machen,
nach der Mitgliedstaaten den Lebensmittelunternehmen empfehlen können, eine
zusätzliche Darstellung der Nährwertdeklaration zu verwenden;

sich auf EU-Ebene für eine Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln einzu-
setzen, insbesondere für die Erweiterung der bestehenden Herkunftskennzeich-
nung für Fleisch auch auf Lebensmittel, bei denen Fleisch als Zutat verwendet
wird;

Drucksache 18/3733 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
dafür Sorge zu tragen, dass die Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“ entspre-

chend der Vorgaben der EU-Lebensmittelinformationsverordnung zeitnah defi-
niert und verlässliche Kennzeichnungsregelungen geschaffen werden. Es muss
auch erkennbar gemacht werden, wenn Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe
tierischen Ursprungs in Lebensmitteln enthalten sind oder bei deren Herstellung
eingesetzt wurden;

eine sichere Rechtsgrundlage für eine bundeseinheitliche Hygienekennzeich-
nung für Gaststätten und lebensmittelverarbeitende Betriebe in Form eines Hy-
gienebarometers oder Smileys zu verankern;

eine Gesetzesänderung zum Verbraucherinformationsgesetz vorzulegen, die ei-
nen gesetzlichen Informationsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher
gegenüber Unternehmen schafft und Transparenz insbesondere hinsichtlich
Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und besonders ausgelobter Eigenschaften
der Lebensmittel schafft;

verbrauchertäuschende Werbung und Produktaufmachung, beispielsweise hin-
sichtlich der enthaltenen Zutaten oder hinsichtlich umwelt- oder tiergerechter
Produktion, wirkungsvoll zu unterbinden;

die Lebensmittelbuchkommission zu reformieren, mit dem Ziel, die Arbeit des
Gremiums transparenter zu machen, die Vertretung von VerbraucherInneninte-
ressen zu stärken und die Aktualität von Leitsätzen anhand neuer Erkenntnisse
regelmäßig zu überprüfen;

Verbraucherwünsche und ethische Grenzen ernst nehmen – Ausbreitung der Klon-
und Gentechnik in Lebensmitteln begrenzen
sich entschlossen für eine Ächtung des Klonens von Nutztieren und ein Verbot

des Inverkehrbringens von Produkten von Klontieren einschließlich der Pro-
dukte der Nachkommen geklonter Tiere einzusetzen. Sofern Importe nicht ver-
hindert werden können, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher zumindest
die Möglichkeit haben, diese zu erkennen. Die Vereinbarung im Koalitionsver-
trag, sich für eine EU-weite Kennzeichnung der Produkte von Klonnachkom-
men einzusetzen, muss umgesetzt werden;

sich aktiv und mit hoher Priorität auf EU-Ebene für die Kennzeichnung von Le-
bensmitteln von Tieren und ihren Produkten einzusetzen, die mit Gentechnik-
futtermitteln gefüttert wurden;

die neuen Möglichkeiten für nationale Anbauverbote von Gentechnikpflanzen
umfassend und bundesweit einheitlich umzusetzen und anzuwenden;

Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen für Anbau oder
Import in den zuständigen Gremien auf EU-Ebene konsequent abzulehnen;

sich auf EU-Ebene aktiv für eine Verschärfung der unzureichenden Zulassungs-
verfahren für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzusetzen;

Gesundes Essen von Anfang an
das Präventionsgesetz so nachzubessern, dass auch gesunde Ernährung in den

Alltag von Kitas, Schulen, Unternehmen, Pflegeeinrichtungen und anderen Le-
benswelten besser integriert werden kann;

sich gemeinsam mit den Bundesländern, den Kommunen und Schulträgern da-
für einzusetzen, die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
für die Kita- und Schulverpflegung zur Grundlage zu machen;

einen Förderschwerpunkt Schulverpflegung in den nationalen Finanzinstrumen-
ten wie der Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz (GAK) festzulegen,
um die Entwicklung regionaler Verarbeitungs-, Vermarktungs- und Beliefe-
rungsstrukturen für die Schulverpflegung voranzubringen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3733
ihren Beitrag zu leisten, um die „Vernetzungsstellen Schulverpflegung“ umge-

hend und langfristig finanziell abzusichern und diese gemeinsam mit den Län-
dern zu Kompetenzzentren auch für die Kitas weiterzuentwickeln;

eine Anwendungsforschung im Bereich der Kinderernährung zu verbessern und
finanziell abzusichern;

sich gemeinsam mit den Bundesländern dafür einzusetzen, in den Ausbildungs-
ordnungen für pädagogische Fachkräfte auch die Aspekte der Gesundheitsför-
derung und -prävention sowie der Ernährungsbildung stärker zu verankern;

einen Dialogprozess mit der Lebensmittelwirtschaft zu organisieren, der Ver-
einbarungen über gesundheitsförderlichere Produktzusammensetzungen und
über Verpackungsgrößen zum Inhalt hat und Produktinhalte für Verbraucher
deutlicher und verständlicher machen soll;

Vielfalt fördern: Lebensmittelhandwerk und Regionalität stärken
dem Rückgang des regionalen Lebensmittelhandwerks, etwa von Bäckereien

und Metzgereien, durch eine nachhaltige, partizipative und integrative Regio-
nalentwicklung aktiv entgegenzuwirken, um qualifizierte Arbeitsplätze in der
Fläche zu erhalten und die Nahversorgung im ländlichen Raum sicherzustellen;

mit einem Bundesprogramm Regionalvermarktung den Aufbau regionaler Wirt-
schaftskreisläufe zu fördern und einen eigenen Schwerpunkt zur Förderung des
regionalen Lebensmittelhandwerks innerhalb der GAK festzuschreiben;

die Kosten der Energiewende gerecht zu verteilen, so dass nicht weiter der Mit-
telstand und inhabergeführte Betriebe belastet werden, während Großbetriebe in
direkter Konkurrenz von der EEG-Umlage ausgenommen werden;

auf eine EU-weit einheitliche und verbindliche Regionalkennzeichnung hinzu-
wirken;

sich aktiv für den Erhalt einer breiten Vielfalt von Obst- und Gemüsesorten so-
wie von alten, robusteren Nutztierrassen einzusetzen, um die genetische Vielfalt
in der Landwirtschaft zu erhalten. Dafür müssen die ökologische Pflanzenzucht-
sowie Erhaltungszucht-Initiativen und kleine Züchter unterstützt werden;

Lebensmittelverschwendung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vermeiden
die Datenlage über das tatsächliche Ausmaß der Lebensmittelabfälle auf allen

Stufen der Wertschöpfungskette zu verbessern und mehr Transparenz über die
Höhe der Lebensmittelverluste sowie deren Ursachen zu schaffen;

gemeinsam mit den beteiligten Akteuren konkrete, verbindliche Reduktions-
ziele für jede Branche und jede Stufe der Wertschöpfungskette festzulegen. Da-
für müssen Konzepte vorgelegt werden zur Abfallreduktion, beispielsweise
durch Entwicklung abfallarmer Produktionsverfahren oder innovativer Nut-
zungskonzepte für Produktionsreste, das Angebot von bedarfsgerechten Porti-
onsgrößen oder intelligenten Verpackungen;

sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, die noch verbliebenen Vermarktungsnor-
men auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und Normen, die zu mehr Lebensmit-
telabfall führen, abzuschaffen sowie beim Handel darauf hinzuwirken, auch
Handelsnormen und privatrechtliche Vorgaben auf den Prüfstand zu stellen und
Produkte wie etwa vermeintlich zu kleine Äpfel oder gekrümmte Gurken mit ins
Verkaufssortiment aufzunehmen;

die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zu stärken und bei Ausschreibungen
auch Kriterien einzubeziehen, die Lebensmittelverlusten entgegenwirken;

Lebensmittelsicherheit verbessern und Lebensmittelüberwachung effektiv gestalten
wirksam gegen das zunehmende Risiko multiresistenter Keime vorzugehen.

Dazu müssen die Haltungsbedingungen von Tieren so verbessert werden, dass

Drucksache 18/3733 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

diese nur in Ausnahmefällen Antibiotika brauchen. Reserveantibiotika müssen
aus den Ställen verbannt und Mengenrabatte beim Handel mit Antibiotika abge-
schafft werden, da diese enorme Fehlanreize setzen;

unser Trinkwasser wirksam zu schützen. Das gelingt nur durch ein verschärftes
Düngegesetz und eine striktere Düngeverordnung, welche die Güllemengen
deutlich reduzieren;

Gesundheitsrisiken und Verbrauchertäuschung aktiv vorzubeugen und Korrup-
tion zu bekämpfen. Dafür müssen die Frühwarnsysteme auf EU-Ebene und Bun-
desebene verbessert und Verstöße schärfer sanktioniert werden;

gemeinsam mit den Ländern die amtliche Lebensmittelüberwachung zu verbes-
sern und strukturell zu stärken, indem sie bei europäisch und international agie-
renden Unternehmen von der kommunalen Ebene auf spezialisierte Fachbehör-
den übertragen wird und indem die Beteiligung der Unternehmen an den Kosten
für verstärkte Kontrollen entsprechend ihrer Wirtschaftskraft sowie des Risiko-
potenzials weiterentwickelt wird;

Transparenz herzustellen durch die Konkretisierung der Eigenkontroll-, Doku-
mentations-, Offenlegungs- und Informationspflichten der Unternehmen und
eine Verbesserung des Informationsaustauschs;

effektive Möglichkeiten zur Abschöpfung von Unrechtsgewinnen und ihrer
Verwendung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, in-
dem zur Kompensation der durch Kartelle und Wettbewerbsverletzungen bei
Verbraucherinnen und Verbrauchern hervorgerufenen Schäden der institutio-
nelle Verbraucherschutz finanziell gestärkt wird;

Verbraucherschutz- und Lebensmittelstandards nicht dem Freihandel opfern
im Rat gegen Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada zu stimmen,

wenn Standards für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz nicht unein-
geschränkt erhalten bleiben und die Europäische Union bei der Setzung künfti-
ger Standards eingeschränkt wird;

sich nicht nur für den Erhalt regionaler Kennzeichnungen in CETA und TTIP
einzusetzen, sondern dafür zu sorgen, dass künftig auch eine Verbesserung ge-
setzlicher Kennzeichnungsregeln umgesetzt werden kann, nicht nur hinsichtlich
der Herkunftskennzeichnung, sondern auch hinsichtlich der Kennzeichnung be-
sonderer Qualitätsmerkmale;

dafür zu sorgen, dass das europäische Vorsorgeprinzip als grundsätzliches Prin-
zip im Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz nicht nur in CETA und
in TTIP uneingeschränkt erhalten bleibt, sondern sich auch in den Handelsver-
trägen wieder findet;

TTIP und CETA nicht zuzustimmen, wenn Verbraucherschutzstandards inklu-
sive Kennzeichnungsregelungen durch intransparente und private Investor-
Staat-Schiedsgerichtsverfahren (ISDS) oder Verfahren der regulatorischen Ko-
operation untergraben werden;

den CETA-Vertrag insbesondere daraufhin zu überprüfen, inwiefern er den Er-
halt der Gentechnikfreiheit unserer Lebensmittel jetzt und in Zukunft gefährdet
und ggfs. in diesen Punkten nach zu verhandeln;

Bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen
festzuschreiben, dass die aus Arbeitsschutzgründen und zur Erfüllung der Ar-

beitstätigkeit notwendige Ausrüstung für Arbeitskräfte durch den Arbeitgeber
gestellt werden muss;

sicherzustellen, dass Kosten für Kost und Logis verhältnismäßig sind und nicht
auf den Mindestlohn angerechnet oder mit ihm verrechnet werden dürfen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3733
den Missbrauch von Werkverträgen durch rechtswidrige Vertragskonstruktio-

nen zu verhindern, indem die Abgrenzungskriterien zwischen Werkvertrag und
Leiharbeit weiterentwickelt und gesetzlich verankert werden;

die Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit ausreichend Personal auszustatten, damit
Kontrollen in nötiger Dichte durchgeführt werden können und die Entlohnung
unterhalb des branchenspezifischen Mindestlohns durch unlautere Berech-
nungsmethoden aufgedeckt und sanktioniert werden kann.

Berlin, den 13. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Immer mehr Menschen achten bei Lebensmitteln auf Qualität, Herkunft und natürlichen Geschmack. Regional-
und Bioprodukte sind gefragt wie nie und immer mehr Menschen wollen Fleisch von artgerecht gehaltenen
Tieren. Neun von zehn Verbraucherinnen und Verbrauchern erwarten von der Landwirtschaft nicht nur, dass
sie qualitativ hochwertige und sichere Lebensmittel produziert, sondern genauso die Einhaltung von Umwelt-
und Tierschutzstandards.1

Von gemeinsamen Kochaktionen gegen Lebensmittelverschwendung bis zum Kochseminar, vom gemein-
schaftlichen Gärtnern in der Stadt bis zum Foodsharing: Gutes Essen bewegt immer mehr Menschen. Jahr für
Jahr zeigen das auch die „Wir haben es satt“-Demonstrationen, bei denen inzwischen Zehntausende Menschen
für gutes Essen und eine artgerechte Tierhaltung auf die Straße gehen.

Gleichzeitig schreitet die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion voran. Dadurch verschwinden nicht
nur viele Bauernhöfe, sondern auch verarbeitende Betriebe wie Metzgereien und Bäckereien, die besonders im
ländlichen Raum Arbeitsplätze und die Nahversorgung mit Lebensmitteln aus der Region sichern. Mit dem
Verlust handwerklicher Produktion geht auch die Vielfalt von Lebensmitteln, ein wertvolles Kulturgut, verlo-
ren.

Die Entwicklung hin zu immer größeren Massentierhaltungsanlagen wird von einem enormen Verbrauch von
Antibiotika begleitet. Dieser übermäßige und ungezielte Einsatz von Antibiotika fördert die Entwicklung von
(multi-)resistenten Erregern. Diese müssen unbedingt eingedämmt werden, denn je mehr (multi-)resistente Er-
reger in den Ställen vorkommen, desto größer wird die Gefahr der Übertragung auf den Menschen und desto
schwieriger wird es, die durch sie ausgelösten Infektionen zu behandeln.

Nichtübertragbare, meist chronische Krankheiten wie Diabetes sind weltweit auf dem Vormarsch und stehen
unter anderem mit ungesunden Ernährungsgewohnheiten im Zusammenhang. Allein in Deutschland wurde bei
sechs Millionen Bundesbürgern Diabetes mellitus diagnostiziert. Rund die Hälfte der Neuerkrankungen ließe
sich jedoch durch eine gute Prävention verhindern.

Eindeutig belegt ist, dass ein niedriges Einkommen und ein geringer beruflicher Status ein höheres Risiko für
Übergewicht und Diabetes mit sich bringen. Kinder, die bereits in Armut aufwachsen, sind häufiger überge-
wichtig als Söhne und Töchter wohlhabender Eltern. Jedoch darf der Blick nicht auf das bloße Krankheitsbild
verengt werden. Stattdessen müssen wir allen Menschen die Möglichkeit geben, dort wo sie leben, lernen und
arbeiten sich gesund ernähren zu können.

Gesundes Essen soll Spaß machen. Deshalb ist es wichtig, dass bereits Kinder und Jugendliche eine gesunde
Esskultur und Lebensweise erlernen, aber auch im Alltag erleben können. Leckeres und gesundes Kita- und

1 BMEL, „Einkaufs- und Ernährungsverhalten in Deutschland“, TNS-Emnid-Umfrage des BMEL, veröffentlicht am 17.01.2014
Drucksache 18/3733 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Schulessen ist dabei ein wichtiger Schlüssel und muss zum festen Bestandteil in den Institutionen werden.
Ernährungsbildung ist zudem ein wichtiger Ansatz, um die Wertschätzung für Lebensmittel zu steigern.

Das ist dringend nötig, denn in Deutschland werden jährlich schätzungsweise elf Millionen Tonnen Lebens-
mittel weggeworfen. Doch die Verantwortung tragen dabei nicht allein die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Ein großer Teil der Lebensmittelabfälle entsteht bei der Herstellung, in der Gastronomie und im Handel. Le-
bensmittel verdienen mehr Wertschätzung. Auch deswegen gilt es, Klasse statt Masse bei der Lebensmitteler-
zeugung zu fördern. Dafür müssen regionale Lebensmittelproduktion und Vermarktungsstrukturen gestärkt
werden.

Den Einsatz von Gentechnik und Klonen in der Lebensmittelerzeugung lehnen die meisten Verbraucherinnen
und Verbraucher in Deutschland klar ab. Dennoch ist eine bewusste Kaufentscheidung gegen gentechnisch
veränderte Lebensmittel bisher nicht vollständig möglich, da bei tierischen Produkten wie Fleisch, Milchpro-
dukten und Eiern eine Kennzeichnungslücke besteht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten keine
Information darüber, ob die Tiere gentechnisch verändertes Futter bekommen haben.

Eine Regelungslücke besteht auch bei Lebensmitteln, die von den Nachkommen geklonter Zuchttiere gewon-
nen werden. Unter anderem in den USA verbreitet sich das Klonen seit einigen Jahren in der Rinder- und
Schweinezucht. Folglich ist davon auszugehen, dass bereits Lebensmittel von den Nachkommen geklonter
Zuchttiere bei uns auf dem Markt sind – legal und ohne Kennzeichnung. Dabei ist das Klonen von Tieren für
die Zucht von Nutztieren weder notwendig noch ethisch vertretbar. Es verringert die genetische Vielfalt der
Nutztierrassen. Geklonte Tiere leiden besonders häufig unter Missbildungen und Krankheiten. Mehr als 90
Prozent der Klonembryos sterben vor der Geburt oder in den ersten Lebenstagen. Das ist ein skandalöser Ver-
brauch an Leben und bringt erhebliches Leid für die Ersatzmuttertiere mit sich.

Ein „race to the bottom“, also eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bei den Standards für
Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz im Rahmen der Verhandlungen um die Freihandelsabkommen
mit den USA und Kanada, TTIP und CETA, muss verhindert werden. Die Äußerungen von Minister Schmidt
zur Aufweichung des regionalen Herkunftsschutzes von Lebensmitteln zeigen, was sich mancher Regierungs-
vertreter von den Verhandlungen zu TTIP verspricht: die Ausweitung der Massenproduktion auf beiden Seiten
des Atlantiks. Die Förderung von regionalen Wertschöpfungsketten ist wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll.
Sie schafft Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher und darf mit TTIP nicht über Bord geworfen
werden. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen der Verhandlungen dafür einsetzen, dass der Verbrau-
cherschutz gestärkt wird, bestehende Verbraucherinformationen und Kennzeichnungen gesichert werden und
keine neuen Hürden für einen Ausstieg aus der Nutzung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) und für
strengere Kennzeichnungspflichten auf EU-Ebene aufgebaut werden.

Europäische Errungenschaften wie das Verbot von Wachstumshormonen in der Milch- und Fleischproduktion,
die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln, der Schutz regionaler Produkte sowie ganz
grundsätzlich das europäische Vorsorgeprinzip dürfen weder CETA noch TTIP zum Opfer fallen. Die euro-
päischen Verbraucherschutzstandards dürfen nicht zur Verhandlungsmasse werden, weder durch eine Ver-
pflichtung zur gegenseitigen Anerkennung oder gemeinsame Ausarbeitung von Standards noch durch die Ein-
führung von zusätzlichen Streitschlichtungs- und Schiedsgerichtsverfahren. Doch bereits heute hemmen die
Verhandlungen EU-Gesetzgebungsvorhaben. So hat die EU-Kommission trotz klarer Positionierung des EU-
Parlaments in ihrem Richtlinienentwurf auf eine umfassende Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel von
Klontieren verzichtet.

Bei der Frage wie wir Lebensmittel produzieren, muss es auch um die Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen
für die Beschäftigten in der Ernährungswirtschaft gehen. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat
zumindest dazu geführt, dass in der Landwirtschaft und in der Fleischbranche Mindestlohntarifverträge ver-
handelt und allgemein verbindlich erklärt wurden. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das
reicht aber nicht aus, denn gerade in der Fleischbranche sind die Arbeitsbedingungen weiterhin skandalös.
Nach wie vor sind die mehrheitlich aus osteuropäischen Ländern entsandten Beschäftigten der Ausbeutung
dieser Branche ausgeliefert, denn sie arbeiten weiterhin unter menschenunwürdigen Bedingungen. Damit zu-
künftig gute Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen auch in der Fleischbranche herrschen und entsandte aus-
ländische Beschäftigte respektvoll und wertschätzend behandelt werden, sind weitere flankierende Maßnahmen
und umfassende Kontrollen notwendig.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.