BT-Drucksache 18/3661

Nationale und EU-weite Reaktionen auf gefälschte Arzneimittelzulassungsstudien und auffällige Produktionsstätten in Indien

Vom 22. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3661
18. Wahlperiode 22.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Elisabeth
Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, Katja Dörner, Kai Gehring, Beate
Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nationale und EU-weite Reaktionen auf gefälschte Arzneimittelzulassungsstudien
und auffällige Produktionsstätten in Indien

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat 176 Arz-
neimittelzulassungen von Generika überprüft, deren Bioäquivalenzstudien zum
Teil von der indischen Firma GVK Biosciences stammen, die durch Fälschun-
gen von Arzneimittelstudien auffällig wurde. Mit Stand vom 16. Dezember 2014
ist aufgrund dieses Vorfalls für 55 Arzneimittel weiterhin das Ruhen der Zulas-
sung angeordnet. In 17 Fällen ist das Ruhen aufgrund eines Widerspruchs der
Hersteller jedoch nicht durchsetzbar.
Das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der European
Medicines Agency (EMA – Europäische Arzneimittel-Agentur) soll gerade die
Zulassungen von rund 1 250 in der Europäischen Union (EU) vertriebenen Arz-
neien unter die Lupe nehmen, deren Datengrundlagen ebenfalls zum Teil von der
indischen Firma GVK Biosciences stammen. Mit Empfehlungen, ob EU-weite
Zulassungen aufrechterhalten, geändert, aufgehoben oder entzogen werden sol-
len, sei im Januar 2015 zu rechnen.
Darüber hinaus wird in der Presse über massive Probleme der Wirkstoff- und
Arzneimittelproduktion in Indien berichtet (Kreative Forschung, DIE WELT,
14. Dezember 2014). So zähle Indien mehr als 130 Produktionsanlagen, die von
der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) lizenziert wurden. Im
vergangenen Jahr habe die FDA mehr als 20 indische Anlagen mit einem Aus-
fuhrverbot in die USA belegt. Gründe dafür seien vor allem zwei Kernprobleme:
nicht vertretbare hygienische Zustände und weit verbreitete Dokumentenfäl-
schungen.

Wir fragen die Bundesregierung:
BfArM – nationale Zulassungen
1. Wann erfuhr das BfArM von den Ergebnissen der Inspektion der indischen

Contract Research Organisation (CRO) GVK Biosciences, und welche Maß-
nahmen wurden wann ergriffen?

2. Für wie viele der 176 national zugelassenen Arzneimittel, für die Studien der
Firma GVK Biosciences vorlagen, ruhen zurzeit die Zulassungen?

3. Welche Hersteller
a) sind aktuell vom Ruhen der Zulassungen betroffen,

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b) hatten Studien der Firma GVK Biosciences zur nationalen Zulassung
vorgelegt?

4. Für wie viele der Arzneimittel, für die die Zulassung aktuell ruht, wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung Rabattverträge abgeschlossen?

EMA – EU-weite Zulassungen
5. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele der rund 1 250 Arzneimittel, die

von der EMA im Zusammenhang mit den Fälschungsvorwürfen gegen die
Firma GVK Biosciences zu überprüfen sind, Generika sind und wie viele
Originalpräparate?
Falls ja,
a) Wie viele sind Generika und wie viele Originalpräparate?
b) Welche Arzneimittelgruppen sind bei den Originalpräparaten vertreten?
c) Welche Hersteller sind bei den Originalpräparaten betroffen?

6. Geht die Bundesregierung davon aus, dass es aufgrund der Überprüfung der
EMA zu Versorgungsengpässen mit einzelnen Wirkstoffen kommen
könnte?
Falls ja, für welche Wirkstoffe existieren Verordnungsalternativen, und für
welche nicht?

Kontrollen bzw. Inspektionen national und international
7. a) Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfArM sind für (natio-

nale und internationale) Kontrollen von CRO und (Wirkstoff- bzw. Arz-
neimittel-)Produktionsstätten zuständig?

b) Wo sind diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BfArM organisato-
risch angesiedelt, und hat es hier in den letzten Jahren Veränderungen ge-
geben?
Falls ja, welche, und wie sind diese zu begründen?

c) Waren die für diese Kontrollen zuständigen Planstellen in den letzten
Jahren besetzt, oder gab es hier Vakanzen?
Falls ja, in welchem Umfang, und warum?

8. Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die personelle Ausstattung
anderer europäischer Zulassungsbehörden und der EMA für Kontrollen von
CRO und Produktionsstätten aus?

9. Wie kooperiert das BfArM mit anderen europäischen Arzneimittelzulas-
sungsbehörden und der EMA bei Kontrollen von CRO sowie Produktions-
stätten?

10. Wie viele internationale Kontrollen von
a) CRO,
b) Produktionsstätten
führte das BfArM in den Jahren 2010 bis 2014 durch (bitte nach Jahren und
Ländern aufschlüsseln)?

11. Sind der Bundesregierung entsprechende Daten der Frage 10 für andere eu-
ropäische Zulassungsbehörden bzw. die EMA bekannt?
Falls ja, wie lauten diese?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3661
12. Welche Kooperation besteht zwischen der EMA und der FDA bei Kontrol-
len, die bei CRO sowie Produktionsstätten durchgeführt werden?

13. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Zahl der international durch-
geführten Kontrollen von CRO und Produktionsstätten ausreicht?
Falls ja, wie begründet sie dies?
Falls nein, was plant sie dagegen zu unternehmen?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang Pharmahersteller
eigene Kontrollmechanismen bei von ihnen beauftragten CRO und Produk-
tionsstätten aufgebaut haben?
Falls ja,
a) sollte eine Kontrolle dieser firmeninternen Kontrollmechanismen erfol-

gen oder
b) welche Kooperationen erscheinen der Bundesregierung sinnvoll?

15. Wie viele nationale Kontrollen bzw. Inspektionen von
a) CRO,
b) klinischen Prüfzentren,
c) Produktionsstätten
führte das BfArM in den Jahren 2010 bis 2014 durch (bitte nach Jahren und
kontrollierten Institutionen aufschlüsseln)?

16. Wie viele der in der Frage 15 aufgeführten Inspektionen fanden
a) vor der Durchführung von klinischen Studien (Geeignetheit der Prüf-

stelle),
b) während der Durchführung von klinischen Studien,
c) aufgrund von Verdachtsmomenten,
d) aufgrund der Prüfung von Zulassungsunterlagen
statt?

17. Wie viele der in der Frage 15 aufgeführten Inspektionen wurden
a) vom BfArM selbst,
b) von anderen europäischen Zulassungsbehörden,
c) von der EMA
initiiert (bitte nach Jahren und kontrollierten Institutionen aufschlüsseln)?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Bundesländer Kontrollen bzw. In-
spektionen der in der Frage 15 aufgeführten Institutionen durchgeführt ha-
ben?
Falls ja, welche Bundesländer in welchem Umfang?

19. a) Welche Straftatbestände greifen in Deutschland, wenn bei Inspektionen
in Deutschland Fälschungen aufgedeckt werden?

b) Welche Verjährungsfristen gelten hierbei, und welche Konsequenzen ha-
ben diese?

c) Sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Handlungsbedarf?
Falls ja, wann will sie dem Deutschen Bundestag Änderungen vorschla-
gen?
Falls nein, warum nicht?

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Konsequenzen
20. Welche zusätzlichen Maßnahmen planen BfArM, andere europäische Zu-

lassungsbehörden bzw. die EMA, um zukünftig solche Skandale um ge-
fälschte Studien frühzeitig zu entdecken bzw. zu verhindern?
Reichen die finanziellen und personellen Ausstattungen dafür aus?
Falls nein, was plant die Bundesregierung dagegen zu tun?

21. Welche Rolle sollten nach Auffassung der Bundesregierung bei der Über-
prüfung von CRO auch ethische Fragestellungen und die Einhaltung der
Deklaration von Helsinki spielen, die nach Berichten z. B. der BUKO-
Pharmakampagne (BUKO – Bundeskoordination Internationalismus)
(www.bukopharma.de/uploads/file/Pharma-Brief/Einzelseiten/
Phbf2013_08_09_S1-3_Studien_EL.pdf) in Schwellen- und Entwicklungs-
ländern oft nicht eingehalten werden?

22. a) Welche rechtlichen Änderungen sind aus Sicht der Bundesregierung EU-
weit sinnvoll bzw. notwendig, um solche Skandale zukünftig zu verhin-
dern?

b) Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, solche Überprüfungen
auch unangemeldet durchzuführen?

c) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine tatsächlich lücken-
lose Registrierung klinischer Studien nicht nur hilfreich wäre, um dem
Verschweigen unliebsamer Studienergebnisse einen Riegel vorzuschie-
ben, sondern auch Transparenz über die internationale Studienlandschaft
und deren Erbringer schaffen würde?

Berlin, den 19. Dezember 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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