BT-Drucksache 18/3511

Umsetzung der Empfehlung Nummer 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

Vom 9. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3511
18. Wahlperiode 09.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Kerstin Kassner, Katrin Kunert, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Empfehlung Nummer 1 des NSU-Untersuchungsausschusses
des Deutschen Bundestages

Ein zentraler Vorwurf beim Versagen der Sicherheitsbehörden im Zusammen-
hang mit den Taten der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“
(NSU) war, dass der rassistische Hintergrund der neun Morde an Menschen mit
Migrationshintergrund und der Bombenanschläge in Köln von den Ermittlern
nicht erkannt wurde. Dieses Nichterkennen einer rassistischen Tatmotivation hat
viele Ursachen, die u. a. mit dem Stichwort „institutioneller Rassismus“ gekenn-
zeichnet wurden und denen sich auch die Empfehlungen des NSU-Untersu-
chungsausschusses des Deutschen Bundestages in mehreren Punkten widmen.
Zentral war dabei aus Sicht der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, dass
ein rassistisches Tatmotiv bei Gewalttaten, die aufgrund der Person des Opfers
eine solche Motivation als möglich erscheinen lassen, nie mehr von vornherein
ausgeschlossen werden darf, sondern immer auch in diese Richtung ermittelt
werden muss. Aus diesem Grund lautet die Empfehlung Nummer 1 des NSU-
Untersuchungsausschusses:
„In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person des Opfers einen
rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund haben könnten,
muss dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle nachvoll-
ziehbar dokumentiert werden, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspu-
ren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkreter Tatverdacht in eine an-
dere Richtung ergibt. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die Tat
muss von der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft verpflichtend auf-
genommen und angemessen berücksichtigt werden. Es sollte beispielsweise
auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den polizeilichen Staatsschutz zu
beteiligen und Informationen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen. Dies
sollte in die Richtlinie für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie
in die einschlägigen polizeilichen Dienstvorschriften aufgenommen werden“
(Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 861).
Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses wurde dem Deut-
schen Bundestag am 22. August 2013 übergeben und im Plenum am 2. Septem-
ber 2013 mit den Stimmen aller Fraktionen verabschiedet. Nach Kenntnis der
Fragesteller ist diese zentrale Empfehlung Nummer 1 bis heute nicht umgesetzt
worden. Die in der Empfehlung genannte RiStBV als Grundlage für die ange-
strebte Veränderung kann nur im Einvernehmen von Bund und Ländern verän-
dert werden. Nach Aussagen der Bundesregierung wurde das Thema erstmals im
Rahmen der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am
14. November 2013 erörtert. Hier sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden,
die sich am 30. Januar 2014 konstituiert und am 26. und 27. März 2014 inhalt-

Drucksache 18/3511 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
liche Vorschläge und Umsetzungsüberlegungen erarbeitet habe, die in einen
Bericht des Strafrechtsausschusses eingehen und der Frühjahrskonferenz der
Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2014 vorgelegt werden sollten
(vgl. Plenarprotokoll 18/22, S. 1699).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. War die Frage der Umsetzung der Empfehlung Nummer 1 des NSU-Unter-

suchungsausschusses des Deutschen Bundestages Thema der Frühjahrskon-
ferenz der Justizministerinnen und Justizminister, und wenn ja, was ist zu
diesem Punkt beschlossen worden?
Wenn nein, warum ist das Thema nicht behandelt worden?

2. Wie stellt sich aus Sicht der Bundesregierung der konkrete Stand der Umset-
zung der Empfehlung Nummer 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des
Deutschen Bundestages dar, und welche konkreten Fortschritte hat es seit Be-
ginn dieses Prozesses im November 2013 und insbesondere nach der Früh-
jahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister gegeben?

3. Wie sieht der weitere Zeitplan zur Umsetzung der Empfehlung Nummer 1
des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages aus, wel-
che Arbeitsgruppen tagen hierzu auf welcher Ebene, wer ist an diesen Ar-
beitsgruppen beteiligt, und bis wann sollen Ergebnisse vorgelegt werden?

4. Bis wann geht die Bundesregierung von einer vollständigen Umsetzung der
Empfehlung Nummer 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen
Bundestages aus, und gibt es Verabredungen zwischen Bund und Ländern,
bis wann eine solche Umsetzung vonstattengehen soll?

5. Gibt es Bedenken seitens des Bundes, was die Umsetzung der Empfehlung
Nummer 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages
angeht, und wie sehen diese Bedenken gegebenenfalls aus?

6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Bedenken seitens der Bundes-
länder, was die Umsetzung der Empfehlung Nummer 1 des NSU-Untersu-
chungsausschusses des Deutschen Bundestages angeht, wie sehen diese Be-
denken gegebenenfalls aus, und von welchen Bundesländern wurden diese
Bedenken geäußert?

7. Welche Hindernisse sieht die Bundesregierung bei der Umsetzung der Emp-
fehlung Nummer 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bun-
destages?

Berlin, den 9. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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